Das Debüt übertraf alle Erwartungen. Jetzt geht der von Jörn Michaely und Fabian Roschy ins Leben gerufene Kurzfilmwettbewerb für den Nachwuchs „Filmreif! Bundesfestival junger Film" in die zweite Runde.
Mit nur einem Mausklick lässt der Protagonist die Ödnis des Alltags hinter sich und taucht in eine virtuelle Welt voller verheißungsvoller Möglichkeiten ein. Fernab jeglicher gesellschaftlicher Zwänge und Normen herrschen hier ganz eigene, vom Nutzer aufgestellte Regeln. Doch was passiert, wenn diese fiktive Welt den Handelnden nicht mehr loslässt? Wenn er zu tief in die Virtualität abdriftet und es scheinbar gar keinen Weg zurück in das wirkliche Leben gibt? „Dann wird der Kurzfilm richtig spannend", bringt es Festivalmitbegründer Jörn Michaely auf den Punkt.
Ganze 541 eingereichte Werke flatterten in diesem Jahr bei der zweiten Auflage von „Filmreif! Bundesfestival junger Film" in den Briefkasten des eigens dafür eingerichteten Filmbüros in St. Ingbert ein. „Wenn man das auf die Minuten überträgt, waren es insgesamt 4.962 eingereichte Filmminuten, die wir uns anschauen durften", erzählt Michaely, der künstlerische Leiter des größten Kurzfilmfestivals für den deutschsprachigen Raum. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr schaute sich das Kernteam um Jörn Michaely und Fabian Roschy – als Festivalmitbegründer übernahm er wie auch im vergangenen Jahr die organisatorische Leitung des Filmwettbewerbs – rund 2.800 Filmminuten an. „Somit haben sich die eingereichten Stoffe fast verdoppelt", weiß Michaely.
Digitalisierung und Robotik sind Themen
Auch die Themen der diesjährigen im Wettbewerb anlaufenden Kurzfilme haben sich den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen angeglichen. „Viele Stoffe beschäftigen sich mit der Digitalisierung, Robotik und der Beziehung zwischen Mensch und Maschine", erzählt Michaely. Aber auch ethisch-moralische Fragen tauchen in den Filmen der Nachwuchsregisseure in diesem Jahr besonders oft auf. Michaely nennt ein Beispiel aus einem der ausgewählten Wettbewerbsfilme: „Was passiert beispielsweise, wenn wir nicht mehr im Stande sind, zwischen Mensch und Maschine zu unterscheiden?" Dieser Gedanke führt die Zuschauer zu der entscheidenden Frage: Was macht den Menschen überhaupt zum Menschen? „Zum Teil wird es auch philosophisch", weiß der Organisator. Aber auch Themen wie Familie, Erziehung und das Erwachsenwerden kamen in diesem Jahr nicht zu kurz. „Während der Vorbereitungen zum Festival erlaubten wir uns einen Spaß und jagten die eingereichten Filmtexte durch ein Wortfeld-Programm, welches in der Lage ist, die wichtigsten Signalwörter herauszupicken", erzählt der künstlerische Leiter. Doch trotz der überwiegenden KI-Thematik war es ausgerechnet das Wort „Mutter", das am häufigsten den Regienachwuchs inspirierte. „Somit bieten wir nicht nur futuristische, abstrakte Filme sondern auch Momentaufnahmen aus dem echten Leben."
Die Kriterien für die Auswahl der Filme sind dieselben geblieben: Genommen wird, was polarisiert. „So vermeiden wir die glatten Themen", sagt Michaely. Auch die Voraussetzungen für die Teilnahme am Wettbewerb bleiben gleich: Die Kurzfilme dürfen eine Länge von 29 Minuten nicht überschreiten, die Nachwuchsregisseure nicht älter sein als 29 Jahre. Dennoch punktet die Neuauflage des Festivals mit spanenden Neuerungen. „Wir haben beispielsweise eine neue Kategorie eingeführt, sie nennt sich „Junger Clip", erzählt Fabian Roschy. „In dieser Sparte können die jungen Filmemacher ihre Musikvideoclips vorführen und parallel dazu auch neue Kontakte knüpfen."
Regisseur Andreas Dresen wird erwartet
Das ist im Übrigen auch eine der tragenden Säulen des Festivals, „die Vernetzung unter den Teilnehmern", betont Michaely. Dass das keine puren Lippenbekenntnisse sind, zeigt sich an der Geschichte ihrer Preisträgerin aus dem vergangenen Jahr. „Clara Jäschke hat beispielsweise unseren ersten Stoffentwicklungspreis gewonnen", erzählt Michaely. Dabei überzeugte die junge Frau die Jury mit ihrem Drehbuch. Das ebnete ihr den Weg in die Filmwelt. „Mittlerweile hat sie es geschafft, für ihre Filmidee einen Lektor und sogar einen Produzenten zu finden", berichtet Michaely voller Freude. „Jetzt befindet sie sich gerade in der Finanzierungsphase." Dabei bleibt Jäschke natürlich kein Einzelfall, „ich habe sehr viel gutes Feedback bekommen", betont er. Es hätten sich viele Nachwuchsregisseure zusammenfinden können. Aus manchen Begegnungen wurden Freundschaften, manche Teilnehmer entdeckten für sich das Saarland und kamen auch dieses Jahr wieder. „Es sind einige Wiederholungstäter dabei", weiß Michaely. Die einzelnen Filmblöcke werden im Vergleich zum Vorjahr etwas kompakter präsentiert. „Wie kleine Häppchen", zieht er eine Parallele zu einem Dinner, „keiner der Filmblöcke dauert länger als 90 Minuten. Dann haben die Zuschauer und auch die Mitwirkenden mehr Zeit für den Dialog."
Und dazu stehen den Gästen richtig spannende Gesprächspartner zur Verfügung: Neben den Nachwuchskünstlern, die zu ihren eingereichten Stoffen Rede und Antwort stehen, trumpft das „Filmreif"-Team mit hochkarätiger Jury-Besetzung auf. „Wir konnten sogar Andreas Dresen für unser Festival gewinnen", erzählt Michaely stolz. Auch der Regisseur der Erfolgsfilme wie „Gundermann", „Sommer vorm Balkon" und „Halt auf freier Strecke" nimmt an einem Gesprächsabende das Mikrofon in die Hand und verrät den Gästen alles, was sie schon immer mal über die Filmproduktion und Stoffentwicklung wissen wollten. „Es wird also spannend", sagt Michaely.