Wo sonst kann man das schon? Erst Hirsche anschauen und dann van Goghs Sonnenblumen? Der Nationalpark De Hoge Veluwe vor den Toren Arnhems bietet diese ungewöhnliche Kombination.
Unmittelbar hinter dem Eingang zum Park geht es gleich aufs Rad. Denn hier stehen mehr als 1.800 Leihfahrräder bereit, deren Benutzung im Eintrittspreis inbegriffen ist. Zwar kann man das weitläufige Gelände auch zu Fuß oder – allerdings zu einem deutlich erhöhten Eintrittspreis – mit dem eigenen Wagen erkunden. Die meisten Besucher steigen aber, typisch Niederlande, auf eines der weißen „fietser". Eine Gangschaltung haben die soliden Räder zwar nicht, dafür aber, wenn man will, einen Kindersitz, so dass man auch für den Ausflug mit den Kleinen bestens gerüstet ist. Die Fahrräder kann man überall im Park abstellen, man kann sie allerdings nicht abschließen, und weil jeder jedes Rad benutzen darf, geht es immer mit einem anderen Drahtesel weiter. Das ist aber kein Problem – denn es sind genügend Räder für alle da. Wer trotzdem lieber „was eigenes" hat, kann auch mieten – die „blauen Räder" haben ein Schloss, und so kann man sicher sein, dass sie dort auf einen warten, wo man sie abgestellt hat.
Bald schon kreuzt ein Rudel Rothirsche unaufgeregt den Weg. Ganz entspannt traben die Tiere in ein Waldstück hinein und verschwinden dort zwischen den Bäumen. Hirsche zu sehen, ist gar nicht so ungewöhnlich in De Hoge Veluwe. Insgesamt leben nämlich über 200 Tiere im Park. Sie sind an Menschen gewöhnt und manchmal bekommt man sogar mit dem Handy ein formatfüllendes Bild. Während die Hirsche, wenn sie sich belästigt fühlen, einfach davontrotten, können Wildschweine schon mal aggressiv werden – keinesfalls sollte man den Tieren zu nahe kommen, warnt deswegen auch die Parkbroschüre. Besonders Muttertiere mit Kindern sind extrem leicht reizbar. In Deutschland sind Wildschweine in vielen Gebieten zur Landplage geworden, in De Hoge Veluwe dagegen sind sie selten. Da ist es schon leichter, Mufflons zu sehen. Anders als die Schweine sind die Wildschafe mit ihren schweren gedrehten Hörnern aber keine echten Holländer, sondern wurden, aus Südeuropa eingeführt und 1921 im Park ausgesetzt.
Unterwegs mit Leihfahrrädern
Wer mit dem Ranger auf Tour geht, erhöht nicht nur seine Chancen, die großen Wildtiere zu sehen, er bekommt zusätzlich spannende Erklärungen zu Fauna und Flora im Nationalpark geboten. Geführte Wanderungen sind während der Brunftzeit der Hirsche im September besonders beeindruckend, wenn die mächtigen Bullen durch lautes Röhren ihr Territorium markieren und Geweih an Geweih um die Weibchen kämpfen.
Übrigens: Wer glaubt, besonders gut einen brunftigen Hirsch imitieren zu können, kann an der Meisterschaft im „Röhren" teilnehmen, die einmal im Jahr in De Hoge Veluwe stattfindet.
Ringelnattern und Moorfrösche sind weniger spektakulär als Hirsche und Mufflons, stehen aber im Gegensatz zu den Großsäugern auf der roten Liste der in den Niederlanden vom Aussterben bedrohten Tiere. Auch auf ihre Spuren begibt man sich auf den geführten Wanderungen. Im Gegensatz zu den Hirschen, die man von vielen Beobachtungspunkten auch ohne Führung beobachten kann, sieht man die kleinen Stars oft nur, wenn sie einem der Ranger zeigt.
De Hoge Veluwe liegt in der Nähe der 160.000 Einwohner zählenden Stadt Arnheim im Osten des Landes, in der Nähe der deutschen Grenze. Er ist einer von 20 Nationalparks im Land und bietet ein abwechslungsreiches Potpourri fast aller Landschaftstypen, die die Niederlande zu bieten haben: Wälder, Polder, Dünen und sogar das, was man hier unter dem Begriff Berge versteht. Man radelt durch majestätische Buchenalleen und an bizarren Sandverwehungen vorbei, die man eher in einer afrikanischen Wüste als in einem Nationalpark an der deutschen Grenze vermuten würde. Seit Mitte der 30er-Jahre ist De Hoge Veluwe ein Nationalpark, errichtet auf dem ehemaligen Jagdrevier des holländischen Unternehmers Anton Kröller und dessen deutscher Ehefrau Helene Kröller-Müller. Das besondere an De Hoge Veluwe ist, dass es hier nicht nur seltene Tiere und Pflanzen zu sehen gibt, sondern auch spannende Architektur und Kunst von Weltniveau. Das Jagdschloss Sint Hubertus, 1920 erbaut von dem berühmten Architekten Hendrikus Berlage, erhielt auf Wunsch des Auftraggebers, einem leidenschaftlichen Jäger, den Grundriss in Form eines Hirschgeweihs. Vom Turm des imposanten Schlosses hat man einen fantastischen Blick über den Park. Fertiggestellt hat Berlage sein Meisterwerk übrigens nicht – über die Platzierung eines einzelnen Erkers geriet er mit der Frau des Auftraggebers so sehr in Streit, dass er die Arbeiten einstellte.
Der Park war einst ein Jagdrevier
Dass es in dem Nationalpark auch ein beeindruckendes Kunstmuseum gibt, liegt an der Unternehmersgattin. Die konnte mit der Jagdleidenschaft ihres Mannes nämlich nur wenig anfangen – wenn sie ihm schon auf seine Ländereien folgte, wollte sie dort wenigstens ihrem Hobby frönen dürfen, dem Sammeln von Kunst. Geld war genug da, und deswegen erhielt sie von ihrem Mann nicht nur freie Hand beim Aufbau der Sammlung, sondern auch das nötige Kleingeld, um auch die begehrtesten Werke kaufen zu können. Besonders die Kunst von Vincent van Gogh hatte es Helene Kröller-Müller angetan, und so kaufte sie ein Bild des berühmten Holländers nach dem anderen. Mit 88 Gemälden und 179 Zeichnungen beherbergt das Kröller-Müller Museum deswegen heute die nach dem Van-Gogh-Museum in Amsterdam zweitgrößte Sammlung von Werken des Ausnahmekünstlers weltweit.
Van Goghs berühmtes Werk „Sonnenblumen" war eines der ersten Gemälde, die Helene Kröller-Müller erwarb. Damals schwärmte sie: „Ist es nicht eine große Befriedigung, dass mein Mann mit Freude für 60.000 Gulden Bilder kauft?" Neben den Bildern von van Gogh besitzt das Museum eine fantastische Sammlung weiterer bedeutender Gemälde.Unter anderem stellt es Werke von Paul Cézanne, Eduard Manet, Claude Monet, Pablo Picasso, Auguste Renoir, Paul Gauguin, Ferdinand Leger und dem berühmten holländischen Konstruktivisten Piet Mondrian aus.
Über 100 Objekte im Skulpturengarten
Die Privatfehde der Unternehmersgattin mit dem Schlossarchitekten Hendrikus Berlage hatte auch Auswirkungen auf den Bau des Museums. Den Auftrag erhielt nämlich nicht er, sondern Henry van de Velde; keine schlechte Wahl, gilt der Belgier doch als einer der bedeutendsten Architekten des Jugendstil und der Neuen Sachlichkeit. Mit seinem lichtdurchfluteten Haus schuf er den idealen Rahmen für die Sammlung von Helene Kröller-Müller.
Vor dem Museum geht es gleich weiter mit Kunst, die so eine passende Verbindung zur Natur des Parks schafft. Im Skulpturengarten sind über 100 Objekte ausgestellt – unter anderem Werke solcher Größen wie Henry Moore, Auguste Rodin oder Richard Serra. Hier treffen zu Stein gewordene Figuren auf sich im Wind wiegende Bäume und Stahlkonstruktionen auf blühende Wiesenblumen.