Sein erstes eigenes Lokal sollte der Filmdiva würdig sein, hatte sich Adriano Hess vorgenommen. Als er vor neun Jahren sein Restaurant nahe dem Ku’damm eröffnete, war es so weit: Das „Bellucci" wurde nach der Schauspielerin Monica Bellucci benannt. Sie wacht zumindest auf Fotografien über Pasta und Trüffel, Wein und Grappa.
Monica Bellucci ist unübersehbar. Ein beinah schwarz-weißes Foto der Namensgeberin zieht mit knallroten Lippen die Blicke auf sich. Die italienische Schauspielerin hat zwar das Restaurant an der Brandenburgischen Straße Ecke Kurfürstendamm – noch – nie betreten. Aber sie hat es Inhaber Adriano Hess, der sie einst als junger Kellner in Nizza kennenlernte, so sehr angetan, dass er seinem Lokal ihren Namen gab. Versteht sich, dass im „Bellucci" italienisch gekocht wird und zwar gehoben. „Ich habe Monica Bellucci versprochen, wenn ich ein eigenes Restaurant eröffne, das ihrer würdig ist, werde ich es nach ihr benennen." So geschah es im August 2010.
„Du musst mich unbedingt mit dem Pulpo zitieren!", fordert mich der italienische Feinschmeckerfotograf auf. In Sachen Oktopus weist der gebürtige Sarde, der schon in jungen Jahren mit seinem Papa Tintenfische im Meer jagte, also Bewertungskompetenz auf. Vor uns steht ein Teller mit Pulpo auf einem Bett von Trüffel-Kartoffelpüree und mit langen, gehobelten Sellerie-Bändern obenauf. „Was macht ihn so besonders?", will ich wissen. „Von außen ist er ordentlich gebraten, von innen weich. Der ist ganz anders als etwa ein Pulpo Gallego", antwortet er. „Mit Kartoffelpüree hatten wir ihn auch noch nicht." Stimmt. Vor allem nicht mit so einer cremigen Creme, in die sich gewiss das eine oder andere Pfund Butter oder Sahne absichtsvoll hineinbegeben hat. So wird’s kuschelig auf dem Teller und schön trüffelig im Mund.
Dass da etwas richtig schmackhaft läuft und das Restaurant mit seinen 60 Plätzen häufig gut besucht ist, kann man sich mit Blick auf die Reihen mit weiß eingedeckten Tischen und mintgrün gepolsterten Stühlen gut vorstellen. An einem warmen Juniabend nehmen die Gäste allerdings lieber auf der großen Terrasse unter der Markise Platz. Verständlich, denn die hat zwei überzeugende Argumente: Sie liegt ostwärts; die Sonne ist ab Mittag hinterm Haus verschwunden und brennt nicht mehr direkt herunter. Mit der Abtrennung zum breiten Bürgersteig hin ist es selbst zur nicht wenig befahrenen Kreuzung am Adenauerplatz hin überraschend ruhig.
Richtig schön trüffelig im Mund
Da lässt es sich mit einem Hugo doch ganz entspannt auf den Fotografen und die Begleiterin warten. Auch die ersten Oliven und anschließend die eine oder andere Gabel vom Lachstatar mit Avocado und Teriyakisoße machen sich dort gut. Ein Glück, dass wir unseren Gastgeber gebeten haben, uns von den „Bellucci-Antipasti" nur eine Portion zum Teilen zu servieren. Sonst wären wir nach dem Carpaccio mit den großzügigen Parmesansplittern, dem Büffelmozarella auf seiner dicken Tomatenscheibe und dem Vitello tonnato schon wohlig satt. Schließlich will Chefkoch Franco Colucci zeigen, was er und sein Team draufhaben.
Flott geht es mit der Pasta im Zwischengang weiter. Die Tonnarelli cacio e pepe sind genau das, was ihr Name verspricht: „eckige" Spaghetti mit Käse und Pfeffer. Pecorino romano kommt in nicht zu geringer Dosierung in dem kleinen Pasta-Fußball vor. Schwarzer und grüner Pfeffer tun ihren Job – unterschiedlich pfeffrig aromatisieren. Ein Pecorinochip macht den Käse knackig, und ich habe einen Überraschungssieger im subjektiven Genuss-Contest gefunden. Zumindest für fünf Minuten – bis ich von den Trüffelspaghetti probiert habe. Adriano Hess hat uns nicht gerade wenig Albatrüffel über den Spaghettihügel gehobelt. Ich glaube, das wird mein Trüffelabend! Denn unter Pasta Nummer drei, den mit Büffelricotta gefüllten Ravioli, findet sich ebenfalls mein neuer Freund, das Trüffel-Kartoffelpüree wieder. Pasta mit „Pü" ist eine ungewohnte Kombi, passt aber verblüffend gut. Ein Special haben wir gerade verpasst: Pasta mit Lakritz. „Die hatten wir erst nur auf der Tageskarte und haben geschaut, ob die Gäste sie ohne Empfehlung bestellen", erzählt Adriano Hess. Das taten sie nicht – zu exotisch wirkte wohl die Kombi in Buchstaben. „Dann haben wir sie direkt empfohlen, und die Gäste haben sie geliebt." Inzwischen herrscht durchaus Bedauern darüber, dass die Nudeln mit dem eigens aus Island importierten Lakritzsalz gerade nicht zu haben sind.
„Klassiker, aber modern gemacht" sind Programm im „Bellucci". Einen experimentellen Schubs mögen die Stammgäste offenbar dennoch gern. „Spaghetti carbonara oder die Saltimbocca alla romana werden wir natürlich nie von der Karte nehmen", sagt Hess. Es gibt immer auch zwei Sorten glutenfreie Pasta. Wer das Klebereiweiß in weizenartigem Getreide nicht gut verträgt, kann im „Bellucci" auch seinen Spaß haben. Gut zu wissen! Die Balance zwischen Tradition und Moderne, Vielgeliebtem und Neuem immer wieder neu zu finden, ist Aufgabe und Herzensangelegenheit von Adriano Hess. Er ist Gastgeber durch und durch. Entschuldigt sich kurz im Gespräch, um Stammgäste und Freunde aus Hamburg, die im „Bellucci" vorbeischauen, zu begrüßen und willkommen zu heißen. „Ich liebe es, Gastronom zu sein. Ich möchte mit Menschen zu tun haben und mit ihnen sprechen." Der 40-Jährige kam über den Umweg Schauspielschule an und in die Gastronomie, jobbte bei einem Onkel in dessen Neuköllner Restaurant. Verdiente sein Geld, fand Spaß an der Branche. Sehr zum Missfallen seiner Akademikereltern, die ihren Sohn lieber in einem richtig soliden Beruf gesehen hätten.
Ungewöhliche Pasta mit Lakritz wurden zum Renner
Diverse Stationen in anderen Restaurants, eine eigene Bar, einen eigenen Club und eine glatte Insolvenz später, arbeitete sich Hess wieder so weit nach oben, dass er im August 2010 sein erstes eigenes Restaurant, das „Bellucci", eröffnen konnte. Das funktioniert nun seit neun Jahren bestens. Liegt’s an der zentralen Lage und dem guten Gespür für die Bedürfnisse der Gäste? „Ich bin ein Kudammkind", sagt Hess lachend. „Alle meine Geschäfte waren bislang hier. Ich wohne in der Nähe, und ich lebe hier."
Im vergangenen Jahr wurde modernisiert, das Restaurant überholt und aufpoliert. Hielten mit den mintgrünen Stühlen die kabellosen, gleichfarbigen Tischlämpchen Einzug? Das Candle-Light-Dinner findet nun jedenfalls unterm dimmbaren LED-Lichtlein ganz neuzeitlich statt. Und ja, auch wenn wir an einem hellen Sommerabend nur spät eine Ahnung davon bekommen – die Leuchten machen auf ihre ganz eigene Weise Stimmung, schaffen individuelle Lichtinseln. Da lässt sich das Rinderfilet auf dem Teller bei Bedarf exakt ausgeleuchtet wohlgefällig betrachten: ein dickes Stück vom Pommernrind, nach der Zwischenstation Grill schön medium ausgeliefert und ein kleines bisschen unter ausgebackenen Kartoffelfäden verborgen. Genau die richtige Menge Meersalz obenauf und nun doch ein Filet für jeden. Es ist jeden Bissen wert! Da ist ja auch schon wieder mein Freund, das Trüffel-Kartoffelpüree, plus gegrilltes Gemüse im Glas. Wen es zum puren Fleisch nach mehr verlangt, nimmt sich von der Barolo- oder der Pfeffersoße dazu. Wir ahnen, dass wir den Heimweg besser zu Fuß statt mit der U-Bahn absolvieren sollten …
Doch vor den Heimweg hat der Küchenchef noch einen Dessertteller gesetzt. Vier von Italiens internationalen Lieblingen finden sich auf einer Platte wieder. Tiramisu. Check. Nicht zu süß, schön. Bayrische Creme mit Rosarot-Anteil – Erdbeeren durften saisongerecht mitspielen. Auch gut. Eine Pannacotta, immer gern genommen. Und ein Haselnussparfait – unser nussiger, schmelziger Liebling. Ja, doch. Wir reduzieren das gute Essen beim nächsten Besuch einfach auf die Hälfte. Dann haben wir immer noch ein schönes Menü auf den Tellern. Oder wir kommen einfach auf einen Teller Pasta, schauen Monica Bellucci tief in die Augen und diskutieren mit ihr im Zwiegespräch, ob in Würde noch ein Dessert drin wäre.