Pflegeberufe sind im Wandel. Ihr Image ist aber oft noch von alten Vorstellungen geprägt. „Proud to Care" will das ändern. Chantal Ostermann über Herausforderungen und Ziele der Imagekampagne, Ausbildung in der Pflege und Erwartungen an die Politik.
Frau Ostermann, p2c ist erklärungsbedürftig. Was verbirgt sich hinter dieser Formel?
Pflege ist aktuell ein sehr zentrales Thema in der Politik, den Medien und der Öffentlichkeit. Die demografische Entwicklung stellt uns in Deutschland vor eine große Herausforderung, für die es Lösungen zu schaffen gilt. Schließlich möchten wir doch alle im Alter gut versorgt werden. So sind wir Träger jeden Tag damit beschäftigt, Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern, denn nur mit motivierten und gut ausgebildeten Mitarbeitern können wir qualitative und innovative Gesundheitsdienstleistungen anbieten. Hier geht es darum, was wir tun können, um junge Menschen für den Beruf zu interessieren, Pflegekräfte, die aus diversen Gründen ausgestiegen sind, zum Wiedereinstieg in den Beruf zu animieren, aber natürlich auch darum, unsere Mitarbeiter lange in der Pflege zu halten und zu binden. Wir möchten hierbei mit Mut und Kreativität vorangehen und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das lenken, was Pflege wirklich ist und was den Pflegeberuf ausmacht, und damit natürlich auch das Image verbessern. Pflege ist ein anspruchsvoller und erfüllender Beruf, auf den man sehr stolz sein kann. So ist die Idee entstanden, eine Initiative für den Pflegeberuf insgesamt ins Leben zu rufen.
Also quasi anbieterübergeifend?
Genau, wir wollen eine gesamte Bewegung starten, von der alle profitieren. Die Interessenlage in diesem Bereich ist überall dieselbe.
Wir laden ausdrücklich alle Träger der Gesundheitsbranche ein, sich der Initiative anzuschließen. Ob kirchlich, karitativ, staatlich oder privat organisiert, ob aus der Alten- oder Krankenpflege kommend. Wir hoffen, dass sich ganz viele an „Proud to Care" beteiligen, oder dies zumindest als Inspiration nutzen, selbst etwas zu initiieren zum Thema Image der Pflege.

Sie wollen also die mit ins Boot nehmen, mit denen Sie ansonsten im Wettbewerb stehen?
Auf jeden Fall, weil ich der Meinung bin, dass wir einen gemeinsamen gesellschaftlichen Auftrag haben und viel stärker zusammenarbeiten müssen, denn zusammen können wir viel mehr erreichen. Außerdem bleiben in der heutigen Zeit nur die wenigsten Arbeitnehmer ein Leben lang in einem Unternehmen, auch wenn das für uns schön wäre. Deshalb ist jeder neue Mitarbeiter, der sich für einen Beruf in der Pflege entscheidet, doch ein Gewinn für alle.
Es wird bereits einiges getan von den unterschiedlichen Akteuren, um das Image der Pflege zu stärken und Nachwuchs zu gewinnen, zuletzt beispielsweise im Saarland mit einer große Messe, die über Ausbildungsmöglichkeiten informiert hat. Was unterscheidet diese Kampagne von den bisherigen?
Natürlich wird bereits einiges getan, aber ich glaube, wir müssen das Thema omnipräsenter, also überall sichtbar machen. Was die Messen betrifft: Man muss die Leute erst mal dorthin bekommen, und dann auch noch für die einzelne Stände interessieren, damit man überhaupt über Chancen und Möglichkeiten informieren kann, die der Pflegeberuf bietet. Ziel unserer Initiative ist, das Bewusstsein für diesen wichtigen Beruf deutschlandweit zu stärken. Wir wollen mit allen Mitarbeitern in der Pflege eine ganze Bewegung starten, um die öffentliche Wahrnehmung auf das zu lenken, was Pflege wirklich ist: ein anspruchsvoller, zukunftssicherer und schöner Beruf mit vielen Karrierechancen. Es wird viel Negatives berichtet über mangelnde Qualität, schlechte Bezahlung und schlechte Arbeitsbedingungen in der Branche. Dieses Bild möchten wir ändern, damit Mitarbeiter in der Pflege ein neues Selbstbewusstsein gewinnen, stolz sind auf ihren Beruf und das auch nach außen zeigen.
Wie wollen Sie das erreichen?
Die Botschaft ist „Proud to Care" (p2c), also „stolz sein zu pflegen".
Damit wollen wir allen Mitarbeitern in der Pflege wieder ins Gedächtnis rufen, was für einen tollen Job sie machen und dass sie stolz darauf sein können und sollten, was sie tagtäglich mit ganz viel Herz und Kompetenz für unsere Gesellschaft leisten, um pflegebedürftigen Menschen ein schönes und gesundes Leben zu bescheren. Und wenn wir an Greta Thunberg denken, kann man, glaube ich, sehen, was man mit einer starken Botschaft und starkem Willen alles erreichen kann. Im Rahmen unserer Initiative haben wir eine große Imagekampagne geplant. Als Erstes findet in all unseren 120 Residenzen gleichzeitig eine große Kick-off-Veranstaltung mit unseren Mitarbeitern, Politik, Presse und anderen Trägern statt, bei der wir alle mit „Proud to Care" anstecken wollen. Dann wird es eine p2c-Webseite geben mit einem Pflegeblog, Informationen zur Initiative und dem Pflegeberuf sowie einem Onlineshop mit p2c-T-Shirts, Aufklebern et cetera, sodass jeder „Proud to Care" nutzen kann. Wir planen viele Social-Media-Aktionen und bekommen hier Unterstützung von bekannten Pflege-Influencern. Das Herzstück der Kampagne ist aber unser Song mit dem tollen Musikvideo.
Was ist das Besondere daran?
Die ganze Aktion hat schon einen längeren Vorlauf. Die Idee zu dem Slogan kam von meiner Kollegin Katrin Eschenweck und unseren Azubis. Bei unserer jährlichen Azubi-Veranstaltung in Berlin letztes Jahr haben unsere 150 Azubis aus der Region in einem Workshop herausgearbeitet, warum sie stolz sind, in der Pflege zu arbeiten und was die Arbeit in der Pflege ausmacht. In einem zweiten Workshop haben unsere Azubis dann daraus mit dem Berliner Rapper und Inklusionsbotschafter Graf Fidi einen Song getextet. Dazu haben wir dann in unseren Residenzen mit unseren Mitarbeitern und Bewohnern ein emotionales Musikvideo gedreht, was einfach aus dem Leben gegriffen ist und zeigt: Pflege ist manchmal leicht und manchmal schwer, aber „we are proud to care".
Was Sie zu p2c berichten, das klingt alles schon sehr amerikanisch, mit T-Shirts, Rapper … ist das nicht nur was für Junge?
Etwas Bedenken hatten wir, ob wir mit p2c auch die ältere Generation erreichen. Als wir dann aber das Musikvideo unseren 150 Leitungskräften präsentierten, haben sich ein paar doch mal öfters durch die Augen gewischt, und am Ende sind alle aufgesprungen und haben mitgesungen. Es war einfach nur toll!
Wir wollen aber auch einen Verein gründen, der sich langfristig mit den Themen Ausbildung, Mitarbeitergewinnung und innovative Gesundheitsdienstleistungen befassen wird und die Initiative weiter voranbringen soll. Wir wünschen uns natürlich auch Unterstützung von der Politik, um „Proud to Care" zu verbreiten.
Stichwort Politik: Im Bereich Pflege ist einiges in Bewegung. Was beschäftigt Sie derzeit am meisten?
Ein aktuelles Thema, auf das wir uns intensiv vorbereiten, ist der Pflege-Tüv, also das neue System der externen Qualitätsprüfung von Pflegeheimen. Eine weitere Maßnahme, die uns sehr beschäftigt, ist die neue generalistische Ausbildung (Generalistik). Wir sehen beide Vorhaben grundsätzlich als Chance und positive Maßnahmen, die Qualität in der Pflege weiter zu verbessern und den Pflegeberuf aufzuwerten. Aber natürlich sind diese gesetzlichen Neuerungen für uns als Träger auch mit einem extrem hohen administrativen Aufwand verbunden, der Personal und Kräfte bindet. Die neuen Lehrpläne der Generalistik wurden im August erst veröffentlicht und wir arbeiten diese mit unseren zwei eigenen Altenpflegeschulen gerade auf. Außerdem müssen wir als Träger Kooperationen mit Schulen und Krankenhäusern schließen. Allerdings habe ich etwas Sorge, dass bei diesen nicht genügend Plätze für unsere vielen Auszubildenden vorhanden sein werden. Einige Altenpflegeschulen haben jetzt schon ihre Auflösung angekündigt, weil Sie die Anforderungen der Generalistik personell nicht stemmen können. Es bleibt also spannend.

Generalistik ist die geplante neue teilweise gemeinsame Ausbildung im Pflegebereich, die im April 2020 starten soll. Hat sich die Politik da was Nettes ausgedacht, aber an der Praxis vorbei?
(lacht) Da gibt es doch so einen schönen Spruch: Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windräder. Deshalb versuchen wir aktuell möglichst viele Praxisanleiter für die neuen Azubis auszubilden und die bestehenden mit Refreshing-Kursen zu unterstützen. Es sollen ja auch neue Lehr- und Lernmethoden gefunden werden. Darüber hinaus sind wir damit beschäftigt, Kooperationspartner in den einzelnen Gebieten zu finden. Auf dem Land ist dies jedoch sehr schwierig. Vor allem der Einsatz in der Pädiatrie, also in der Kinderheilkunde, wird eine große Herausforderung, für die noch eine Lösung gefunden werden muss.
Das klingt nach vielen Unsicherheiten, obwohl die Umsetzung 2020 praktisch vor der Tür steht.
Ja, es ist wirklich noch vieles unklar. Wir können uns nur auf der Basis der aktuellen Erkenntnisse so gut wie möglich vorbereiten. Wir planen dabei auch, mit neuen Medien zu arbeiten, wie etwa Youtube-Tutorials oder appbasierten digitalen Lernsystemen. Wir haben auch schon einige junge Leute, die sich bei uns für die neue Ausbildung im April angemeldet haben. Das freut uns natürlich.
Für eine Übergangsphase soll es insgesamt drei verschiedene, parallele Ausbildungswege geben. Schafft das nicht mehr Verwirrung als Vereinfachung?
Wir werden unseren Auszubildenden empfehlen den generalistischen Zweig zu wählen, ohne sich auf die Altenpflege oder Kinderkrankenpflege zu spezialisieren. Denn leider ist es bei der Generalistik so: Wenn man sich nach den zwei Jahren gemeinsamer Grundausbildung für die Spezialisierung in der Altenpflege entscheidet, hat man nicht die gleiche Auswahl an Weiterbildungsmöglichkeiten und Entwicklungschancen, wie mit einem rein generalistischen Abschluss, was die Altenpflege leider wieder etwas abwertet.
Was nicht im Sinne des Erfinders sein sollte.
Wir sind da auch in engem Austausch mit dem Arbeitgeberverband und haben Vorschläge geliefert. Nun gilt es abzuwarten, inwieweit der Gesetzgeber diese berücksichtigen wird und welche Erfahrungen bei der praktischen Umsetzung gemacht werden. Es ist durchaus denkbar, dass das ein oder andere künftig noch modifiziert wird. Die neue Generalistik ist hinsichtlich des Schwierigkeitsgrads fast mit einem Studium gleichzusetzen. Einerseits ist das eine positive Aufwertung der Ausbildung und bedeutet, dass diese nun endlich europaweit anerkannt wird. Das macht uns bei der Personalakquise im Ausland auf jeden Fall attraktiver. Andererseits ist der hohe Schwierigkeitsgrad insofern problematisch, da nicht alle, die sich für den Beruf interessieren, die anspruchsvolle Ausbildung werden meistern können. Hier hoffen wir, dass noch eine Zwischenstufe geschaffen werden wird für die Personen, die die Ausbildung nicht vollumfänglich absolvieren können, aber trotzdem in der Pflege arbeiten und sich weiterbilden möchten. Beispielsweise eine ein- oder zweijährige Ausbildung zum Pflegeassistenten, sodass es ein dreigeteiltes System geben würde: Pflegehelfer, Pflegeassistent und Pflegefachmann beziehungsweise Pflegefachkraft. Hier müsste dann aber auch die geforderte Fachkraftquote vom Gesetzgeber entsprechend angepasst werden. Das wäre eine wünschenswerte Lösung.