Schadet das neue Mobilfunknetz der Gesundheit? Höhere Frequenzen und erheblich mehr Sendemasten schüren die Ängste. Prof. Dr. Alexander Lerchl von der Bremer Jacobs-University warnt jedoch vor Panikmache. Zumindest derzeit ändere sich für die Bevölkerung nicht viel.
Herr Lerchl, Sie sagen seit Jahren, dass Mobilfunkstrahlung keine gesundheitsschädlichen Auswirkungen hat. Was macht Sie da so sicher?
Wir haben in vielen Versuchen mit Mäusen und über mehrere Generationen hinweg festgestellt, dass die Krebsraten durch Mobilfunkstrahlung nicht ansteigen. Bei allen Einschränkungen, was Tiermodelle angeht, können wir also sagen: Dass Handystrahlung zu Krebs führt, ist sehr unwahrscheinlich. Wenn dem so wäre, hätten wir in den vergangenen 20 Jahren einen viel rasanteren Anstieg von Hirntumoren erleben müssen, aber das ist nicht der Fall. Selbst wenn man bedenkt, dass es länger dauert, bis sich der Krebs entwickelt, müssten wir diese Effekte inzwischen sehen – tun wir aber nicht. In Österreich, wo es ein besseres Krebsregister gibt als bei uns, sind die Tumorraten sogar am Abklingen.
Gleichwohl hat ein Versuch, den Sie 2015 durchgeführt haben, auch gezeigt, dass die Strahlung Tumore bei Mäusen schneller wachsen lässt.
Das haben wir in der Tat beobachtet. Damit waren wir allerdings nicht die ersten, sondern wir haben lediglich einen Versuch wiederholt, den bereits 2010 das Fraunhofer-Institut durchgeführt hat. Die Ergebnisse von damals konnten wir genauso bestätigen. Es ging dabei um die Tumorpromotion. Wenn ein Tumor einmal da ist, dann wächst er möglicherweise durch die Exposition mit Mobilfunkstrahlen etwa stärker. Allerdings war die hohe Strahlung, der die Mäuse in diesem Versuch ausgesetzt waren, ein Worst-Case-Szenario und entsprach mitnichten der Strahlung, der wir Menschen im täglichen Leben ausgesetzt sind.
Wie ist es dann aber zu erklären, dass sogar die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Handystrahlung im Jahr 2011 als „womöglich krebserregend" eingestuft hat?
Das war nicht die WHO direkt, sondern die IARC, die International Agency for Research on Cancer – eine Unterorganisation der WHO. Sie hat sich die verschiedenen Studien angeschaut und kam auf dieser Basis zu der Aussage: Wenn überhaupt eine Gefahr ausgeht, dann nur von den Handys selbst und nicht von den Basisstationen. Im Wesentlichen ging es dabei um zwei Studien. Das eine war die Interphone-Studie, bei der als einziges Ergebnis herausgekommen war, dass bei Vieltelefonierern, die laut ihren Angaben mehr als 1.640 Stunden telefoniert haben, ein höheres Risiko für einen Tumor auftrat. Diese Ergebnisse sind allerdings mit einer sehr großen Unsicherheit verbunden, einfach weil es schwierig ist, rückblickend noch genau zu sagen, wie viel man vor zehn Jahren telefoniert hat. Das sagt die WHO, das sagt die IARC und das sagen im Übrigen auch die Autoren selbst. Bei der Studie kamen noch andere Dinge heraus, die man genauso gut hätte nehmen können, um zu der Einstufung als „womöglich krebserregend" eben nicht zu kommen. Wenn man etwa die Telefonierer ganz grob mit den Nichttelefonierern vergleicht, dann war die Zahl derer, die an einem Gehirntumor erkrankten, unter den Telefonierern insgesamt sogar geringer. Das ist bloß nie groß in den Medien erwähnt worden. Die andere Studie ist vom Schweden Lennart Hardell, der als einziger Wissenschaftler immer wieder veröffentlicht, dass in Schweden die Gehirntumorraten ansteigen würden. Diese Studien sind aus meiner Sicht jedoch komplett unglaubwürdig. Hardell hat dafür mit Fragebögen gearbeitet und hat regelmäßig Rückläuferraten von 90 Prozent. Das ist für solche Studien vollkommen unplausibel.
Was bewirkt Handystrahlung im menschlichen Körper? Oder noch allgemeiner gefragt: Was ist Handystrahlung überhaupt, was hat man sich darunter physikalisch vorzustellen?
Es sind elektromagnetische Felder, die eine relativ lange Wellenlänge vorweisen und die nichts anderes bewirken können als eine Erwärmung. Handystrahlung ist nicht ionisierend; das heißt, sie kann das Erbgut – anders als etwa Radioaktivität – nicht direkt beschädigen. Allerdings erwärmt sich so ein Ohr durch die Strahlung auch höchstens um 0,1 Grad. Dass uns beim Telefonieren warm ums Ohr wird, liegt eher daran, dass das Handy aufliegt und die Körperwärme dadurch nicht mehr abstrahlen kann und dass das Gerät durch den Akkubetrieb selbst Wärme produziert.
Viele Menschen klagen trotzdem darüber, dass der Elektrosmog bei ihnen Kopfschmerzen und sogar psychische Probleme auslöst. Ist das alles Einbildung?
Diese Menschen haben sicher Beschwerden, unter denen sie leiden, aber diese haben nichts mit elektromagnetischen Feldern zu tun.
Es gibt keine einzige Studie, die beweist, dass diese Menschen elektromagnetische Felder tatsächlich spüren können. Das sind psychologische Effekte, die aber durchaus ernst zu nehmen sind. Im Rahmen des Deutschen Mobilfunkforschungsprogramms gab es ein Experiment, bei dem zwei Gruppen von Probanden in MRT-Röhren gelegt wurden: eine normale Gruppe und eine, die von sich behauptete, sie sei elektrosensibel. Während der Untersuchung wurde ihnen ein Handy gereicht, das angeblich an war – was in Wirklichkeit gar nicht funktionieren würde, weil die Magnetfelder in einem MRT dafür viel zu stark sind. Es war also bloß eine Attrappe. Und trotzdem hat sich gezeigt, dass die Bereiche Angst und Schmerz bei den Personen, die elektrosensibel sind, aktiviert wurden.
Sie meinen, nicht die Mobilfunkstrahlung macht uns krank, sondern die Angst davor?
Die Angst davor und dass einem von allen Seiten ständig eingeredet wird, dass es krank macht. Das darf man auch nicht vergessen.
Mit 5G kommt ab dem kommenden Jahr die nächste Mobilfunk-Generation. Gilt all das, was Sie eben gesagt haben, dann immer noch uneingeschränkt?
Ja. Es ändert sich ja erst einmal nur das Protokoll, weil Informationen künftig sehr schnell geliefert werden müssen, damit zum Beispiel ein autonom fahrendes Auto nicht auf ein vorausfahrendes Fahrzeug auffährt. Die Übertragung dieser Informationen darf jetzt nicht mehr Sekunden brauchen, weil sonst der Unfall längst passiert ist, sondern muss im Millisekundenbereich übermittelt werden. Die Strahlung ist aber erst einmal die gleiche, die Frequenzen sind ähnlich. Erst in ein paar Jahren werden deutlich größere Frequenzen zum Einsatz kommen.
Die Rede ist von bis zu 80 Gigahertz. Muss man die Sache dann unter Umständen neu beurteilen? Selbst Inge Paulini, die Präsidentin des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS), hat gesagt, die deutlich höheren Datenübertragungsmengen, neue und zusätzliche Sendeanlagen und höhere Frequenzen veränderten die Strahlungsintensitäten.
Die Forschungslage dazu ist noch sehr dünn. Die biologische Wirkung ist in diesen Bereichen noch nicht ausreichend erforscht. Aber Frau Paulini wird als BfS-Präsidentin einen Teufel tun und sich hinstellen und sagen, es sei alles nicht so schlimm.
Mit 5G steigt vor allem die Zahl der Mobilfunkmasten drastisch an. Sind es denn die Masten oder doch eher die Endgeräte, von denen die Strahlung ausgeht?
Wenn von Strahlungsbelastung die Rede ist, sind die Handys und nicht die Masten die Hauptverursacher, einfach weil sie nah am Körper sind. Die erhöhte Anzahl von Mobilfunkstationen hat sogar einen putzigen Effekt. So ein Mobiltelefon sendet ja nicht immer auf voller Leistung, sondern es regelt die Leistung herunter, je nachdem, wie weit die nächste Mobilfunkstation entfernt liegt. Ist diese ganz nah, flüstert das Handy nur – dann haben sie die geringste Belastung.
Bislang standen die Masten meist auf Dächern, bald sollen sie zum Beispiel auch auf Bushaltestellen aufgestellt werden. Ändert das etwas an der Strahlenbelastung?
Es ist davon auszugehen, dass die Expositionsstärke ein bisschen höher werden könnte. Das sind Modellrechnungen, die bislang aber noch mit sehr großen Variablen behaftet sind. Die Sendeleistung dieser kleinen Masten ist allerdings sehr gering, im Bereich von höchstens einem Watt. Das wird die Strahlenintensität für die Bevölkerung insgesamt nicht wesentlich beeinflussen.
Begeben wir uns mit 5G angesichts der geringen Datenlage also doch in ein großes, unfreiwilliges Selbstexperiment, wie einige Kritiker behaupten?
Nein. Da werden teilweise auch Sachen in die Welt gesetzt, die einfach gelogen sind. Dass wegen 5G Bienen oder Vögel vom Himmel fallen, ist Blödsinn. Im Übrigen ist es die Grundlage unserer Wissenschaft, dass man nicht alles weiß. Wir als Wissenschaftler können die Nichtexistenz eines Effekts niemals behaupten.