Mit bisher unerreichten 86 Weltcup-Siegen, fünf Weltmeistertiteln und zwei olympischen Goldmedaillen ist der 63-Jährige einer der erfolgreichsten alpinen Skirennläufer der Welt. Nach dem Karriereende 1989 errichtete er Skihallen und ist heute Teilhaber eines schwedischen Skibrillen-Herstellers.
Durch seinen spektakulären Rekord von 86 Weltcupsiegen im Slalom und Riesenslalom wurde der Schwede Ingemar Stenmark zur Alpinski-Legende und 1999 in seiner Heimat sogar zum Sportler des Jahrhunderts gewählt. Hätte er sich nicht nur auf die Torläufe konzentriert, wäre die fantastische Zahl seiner Weltcup-Siege wohl noch höher ausgefallen. Über 30 Jahre lang blieben Stenmarks 86 Weltcupsiege bis heute unerreicht, obwohl es inzwischen zusätzliche Disziplinen wie Super-G und Kombination gibt. Die Amerikanerin Lindsay Vonn, die im Vorjahr nach 82 Siegen ihre Karriere verletzungsbedingt beendet hat, war auf dem besten Wege, die Rekordmarke des Schweden zu überbieten. Stenmark kommentierte im Februar 2019 bei Vonns letztem WM-Rennen in Are am Pistenrand: „Fantastisch, dass sie so ein erfolgreiches Karriereende feiern konnte".
Dass er damit weiter Rekordhalter bleibt, ist für den bescheidenen Stenmark Nebensache, zumal er weiß, dass sein Rekord über kurz oder lang fallen wird. Seiner Einschätzung nach wird die US-Amerikanerin Mikaela Shiffrin seine Bestmarke schon bald überbieten. „Sie ist einfach eine außergewöhnliche Skifahrerin", lobt Stenmark. Er ist sicher, dass Shiffrin irgendwann sogar die Traummarke von 100 Weltcupsiegen knacken wird. „Aber ganz ehrlich. Es ist mir egal, weil man das alles nicht vergleichen kann", sagte Stenmark vor einem Jahr der „Aargauer Zeitung". Zumindest seinen Slalom-Rekord von 40 Siegen hat Shiffrin ihm dann im November 2019 bereits abgenommen.
Glücklich über Freundschaften
Anlässlich der WM-Rennen im schwedischen Are stand Stenmark bei einem „Legenden-Rennen" sogar wieder mal öffentlich auf Skiern, verlor aber bei einem Parallelslalom gegen seinen Landsmann André Aamodt. Vom alpinen Skifahren hat Stenmark sich wegen seiner Rückenbeschwerden inzwischen verabschiedet: „Viel lieber verbringe ich Zeit auf der Langlauf-Loipe." Den Skisport verfolgt er aber weiterhin aufmerksam, auch wenn er sich im Fernsehen längst nicht mehr alle Rennen anschaut. Besonders angetan hatte es ihm der im September 2019 zurückgetretene Marcel Hirscher, der „wie eine Maschine" fuhr. Derzeit überzeugt ihn vor allem der junge Franzose Clément Noël mit seiner großartigen Technik und seinem flexiblen Fahrstil. Stenmark bedauert, dass es zu seiner Zeit noch keine Carving-Ski gegeben hat, selbst wenn er dadurch wahrscheinlich weniger Siege eingefahren hätte. „Damals konnte man noch Fehler machen und dennoch gewinnen. Wer heute einen Fehler macht, ist weg! Heute ist es einfacher zu fahren, aber schwerer zu gewinnen", betonte er 2018 in der „FAZ". Erst kurz vor seinem Karriereende hatte er 1988 erstmals auf einem Carver-Ski seines langjährigen slowenischen Ausrüsters Elan gestanden und Probleme am Steilhang eingestanden.
Für Stenmarks Charakter spricht, dass er seinem Ausstatter immer treu geblieben ist, weil dieser schon zu Karrierebeginn auf ihn gesetzt habe. In Anerkennung dieser langen Zusammenarbeit konnte der Schwede kürzlich im „Elan-Alpin-Ski-Museum" im slowenischen Begunje neben seinem allerersten Paar Elan-Skier posieren, mit dem er dann 86 Weltcupsiege holen konnte. Rückblickend auf seine großartige Karriere stellte er dabei nicht die Rekorde und Goldmedaillen als besonders wichtig heraus. „Ich bin vor allem glücklich, dass ich viele Freundschaften geschlossen habe."
Genießt die Vaterrolle
Stenmark ist seiner Sportart beruflich weiter verbunden. Mit seinem Kollegen Marc Girardelli war er kurz nach der Jahrtausendwende bei Skihallen im Ruhrgebiet finanziell engagiert. Seit 2016 ist er beim schwedischen Ski-brillen-Hersteller Spektrum als Teilhaber eingestiegen. Zu dessen Programm gehört auch die „Templet Stenmark Edition", die auf einem Band aus recyceltem Polyester die Ziffer 86 (für Stenmarks Weltcup-Siege) trägt. Privat liebt Stenmark vor allem das Zusammensein mit seiner Familie. „Ich genieße das Leben als Vater." Zwar freut er sich, dass man ihn heute weltweit noch als Sportler und Vorbild schätzt, aber er hält sich bei öffentlichen Auftritten weiterhin zurück. Inzwischen ist er etwas gesprächiger geworden als früher, wo der „Schweiger von Tärnaby" den Reportern das Berufsleben oft schwer machte. „Mir tun die Athleten von heute leid, die sich vor, zwischen und nach den Rennen äußern müssen", sagte Stenmark im Vorjahr zum Online-Portal „SPOX". „Und dann müssen sie auch noch auf ihren Social-Media-Kanälen was posten. Das wäre nichts für mich gewesen." Wettkämpfe vermisst er schon lange nicht mehr, überhaupt sei er noch ruhiger geworden: „Damals habe ich ruhig gewirkt, war es aber innerlich nicht." Stenmark hat lange in Monaco gewohnt, weil er dort anonymer leben konnte. 2006 ist er in seine Heimat zurückgekehrt, wo er als Idol gilt. 2015 ließ der nach Meinung vieler Experten „beste Skiläufer aller Zeiten" sich dazu hinreißen, an der schwedischen Version des TV-Wettbewerbes „Dancing Star" teilzunehmen – und hat natürlich gewonnen.