Anbau, Verkauf und Konsum von Cannabis sollten im Großherzogtum Luxemburg unter strengen Auflagen bald erlaubt sein. Doch der anfängliche Rausch scheint verflogen. Die Regierungskoalition ziert sich. Anrainerstaaten wie Deutschland laufen bereits Sturm gegen das Projekt.
Kauf von 30 Gramm Cannabis pro Tag und Erwachsenem in streng lizensierten Verkaufsstätten, unbegrenzte Lagerung zu Hause, bis zu vier Cannabis-Pflanzen für den Eigenkonsum in den eigenen vier Wänden, Verbot des Konsums an öffentlichen Plätzen und außerhalb der Staatsgrenzen, keine Strafverfolgung für den Besitz von geringen Mengen – was in Kanada seit 2018 erlaubt ist, könnte bald auch bei unseren Luxemburger Nachbarn Realität werden. Zumindest teilweise. Die Gambia-Koalition aus Liberalen, Grünen und Sozialdemokraten will Cannabis als Genussmittel im Großherzogtum den Weg in die Legalität bereiten und damit ein lang gehegtes Wahlversprechen einlösen.
Was Kiffer-Herzen in Luxemburg und Anrainerstaaten bereits höher schlagen lässt, stößt in der Praxis allerdings zunehmend auf Widerstand – nicht nur im eigenen Land bei den Konservativen. Gerade Deutschland mit den angrenzenden Bundesländern Saarland und Rheinland-Pfalz sowie Frankreich befürchten einen zunehmend berauschenden, kleinen Grenzverkehr. Immerhin sind Anbau, Verkauf und Besitz des Rauschmittels Cannabis in diesen Ländern streng verboten. In Deutschland fällt Cannabis unter das Betäubungsmittelgesetz. Schon die rund 200.000 Grenzgänger jeden Tag würden die Kontrollen zusätzlich erschweren. Wie das zu bewerkstelligen ist, steht in den Sternen. Keine berauschenden Aussichten demnach für eine schnelle Legalisierung.
Neuland in Europa

Luxemburg würde mit der Legalisierung von Cannabis als Genussmittel in Europa Neuland betreten – in den Niederlanden ist der Cannabis-Konsum übrigens seit 1976 toleriert, aber nicht gänzlich legalisiert. Die Gründe klingen verständlich. Laut Angaben des Luxemburger Gesundheitsministeriums haben fast zehn Prozent der Luxemburger zwischen 15 und 34 Jahren Cannabis schon mehrmals bis regelmäßig konsumiert. Cannabis ist die am häufigsten genommene Droge. Die strenge Verbotspolitik hat den Konsum weder eingeschränkt noch verhindert. Mit der kontrollierten Legalisierung will die Regierung vor allem den illegalen Rauschgifthändlern das Handwerk legen, mafiöse Strukturen zerschlagen und die Beschaffungskriminalität verringern.
Außerdem könnte der Staat Anbau und Qualität besser kontrollieren, denn insbesondere die gefährlichen Wirkstoffkonzentrationen wie THC (Tetrahydrocannabinol) als große Gefahr für labile Menschen sind auf dem Schwarzmarkt kaum zu überwachen. Die Regierung spricht sowieso lieber von Reglementierung als von Legalisierung des Rauschmittels. Der Konsum auf öffentlichen Plätzen und auf Straßen, im Umfeld von Schulen und allen voran der Verkauf von Cannabis an Minderjährige bleiben verboten – und gerade letzteres auch eine Straftat. Die Abgabe von Cannabis ist nur an Einheimische erlaubt, Erwerb und Konsum auf Luxemburger Staatsgebiet beschränkt.
Etienne Schneider, ehemaliger Minister für Wirtschaft und Gesundheit und Félix Braz, ehemaliger Minister für Justiz, waren voriges Jahr auf einer Infotour in Kanada, um sich über erste praktische Erfahrungen mit der Legalisierung auszutauschen und favorisieren seitdem das Modell Kanada. Als Fürsprecher der Legalisierung sind sie aber nicht mehr im Amt. Die Cannabis-Anhänger befürchten nun einen schrittweisen Ausstieg aus dem geplanten Legalisierungsprojekt oder zumindest eine taktische Verschleppung bis in die nächste Legislaturperiode. Derzeit ist von einer Übergangs- und Probephase die Rede. Eine Arbeitsgruppe aus verschiedenen Ministerien beschäftigt sich mit einem Gesetzentwurf. Aber gut zwei Jahre könnten durchaus noch ins Land gehen, bis das Gesetz in Kraft tritt.
Wirtschaftliche Effekte
Vor zwei Jahren war die Euphorie in Luxemburg noch riesig. Geschäfte mit Naturprodukten aus Hanf schossen wie Pilze aus dem Boden – in der Hoffnung, in kürzester Zeit daraus Coffeeshops nach Amsterdamer Vorbild zu entwickeln. Doch dem Rausch folgte der Kater. Nach Angaben des „Luxemburger Worts“ gibt es im Großherzogtum 35 sogenannte CBD-Geschäfte. Dort sind Produkte zu erwerben, die nicht psychotropes Cannabidiol (CBD) enthalten, das in niedrigen Dosen beruhigende Wirkung hat, in höheren Dosen in der Medizin eingesetzt und auch als Nahrungsergänzungsmittel verwendet wird. Diese Produkte sind in Luxemburg legal, solange der THC-Gehalt unter 0,3 Prozent liegt. Die Einstufung als Nahrungsergänzungsmittel sorgt allerdings für lange Zulassungsverfahren, und außerdem droht CBD-Produkten die Tabaksteuer. Erste Hanfzigaretten eines Schweizer Unternehmens sind seit Ende November vergangenen Jahres laut Angaben der Luxemburger Zeitung „L’Essentiel“ erhältlich. Die Geschäfte, die ausschließlich auf diese Produkte setzen, bräuchten angesichts der schleppenden Legalisierung allerdings ein gutes Durchhaltevermögen.
Auch Landwirte könnten von einer sachlichen Diskussion um Cannabis durchaus profitieren. Denn bei Hanf handelt es sich schließlich nicht nur um Haschisch oder Marihuana. Industrieller Hanf wird beispielsweise in der Bekleidungsindustrie, beim Bau oder in der Nahrungsmittelindustrie verwendet. Die Pflanzen benötigen keine Pflanzenschutzmittel und können in Wasserschutzgebieten angebaut werden. Der industrielle Hanfanbau ist seit 1994 in Luxemburg erlaubt, könnte mit der Legalisierung von Cannabis nunmehr auf eine dauerhafte rechtliche Grundlage gestellt werden.