Kostenlos und zeitunabhängig abrufbare Audiosendungen im Internet waren schon vor der Corona-Pandemie zunehmend gefragt. Jetzt, wo man quasi kaum verreisen kann, sind sie es noch mehr, schließlich können Hörer so zumindest vom Reisen träumen.
Am 1. April ist Rüdiger Nehberg im Alter von 84 Jahren gestorben. Sein Einsatz für das südamerikanische Yanomami-Volk und gegen die weibliche Genitalverstümmelung machten ihn berühmt, mehr noch aber seine unzähligen Bücher und Sendungen mit Überlebenstipps im Regenwald, der Wüste und in anderer unwirtlicher Natur. Für viele war „Sir Vival" daher Deutschlands oberster Abenteurer – und damit prädestiniert für Erik Lorenz’ Podcast „Weltwach". Schließlich interviewt der 32-jährige Mönchengladbacher seit 2017 jede(n), der in der Reise- und Abenteurerbranche Rang und Namen hat. Bergsteigerkoryphäe Reinhold Messner und Autor Helge Timmerberg bekam er ebenso vors Mikro wie Jochen Schweizer, Gerlinde Kaltenbrunner, Joey Kelly, Arved Fuchs, Michael Martin, Ranga Yogeshwar und viele andere. Zu seinen Lieblingsfolgen, die in der Regel 45 Minuten bis zweieinhalb Stunden dauern, zählt jedoch die Folge 19, eben die mit Rüdiger Nehberg. Via eigene Webseite weltwach.de, Spotify und anderen Streamingportalen lässt sich rasch nachhören, warum. Da erzählt Nehberg im für Podcasts so typischen Plauderton über seine Projekte, etwa wie er mal 1.000 Kilometer ohne Nahrung durch Deutschland lief. Oder wie er riesige Pythonschlangen mit der Hand fing. Oder wie er mit einem Bambusfloß über den Atlantik schipperte. Und, und, und.
Die in diesem Fall besonders lange Sendung über zweieinhalb Stunden vergeht wie im Flug. Doch das Praktische an Podcasts ist ja, dass sie sich jederzeit unterbrechen respektive weiterverfolgen lassen. Zudem können Hörer, die in der Regel durch kleine Werbeeinblendungen finanzierten Audiosendungen nicht nur mit voller Aufmerksamkeit auf dem Sofa oder im Bett, sondern auch nebenbei genießen, sei es beim Bügeln, Kochen oder Joggen. Mittlerweile hat Weltwach 133 Folgen, fast jede Woche kommt eine neue Episode hinzu. Aber nicht nur das. Neben einer neu gegründeten Veranstaltungsreihe, bei der bekannte Interviewpartner live zu treffen sind, hat Lorenz auch noch einen englischsprachigen Ableger initiiert: „Unfolding Maps". Eine der bislang fünf Gesprächspartnerinnen und -partner ist Laura Dekker, die jüngste Weltumseglerin der Geschichte.
Wer in den Charts bei Apple Music und Spotify nach den meistgehörten Reise-Podcasts sucht, der stößt neben Weltwach ganz oben auf gute alte Bekannte: die Reisesendungen von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, als da wären „Reise-Radio", „Breitengrad" oder „Zwischen Hamburg und Tahiti". Vor einem Jahr dazugestoßen ist der „Weltempfänger" aus dem Deutschlandfunk Nova. Das „junge" Programm des Deutschlandfunks porträtiert dort vor allem Menschen. Der eine trampt von Berlin nach Mainz, die andere sammelt in der Südsee Plastik. Hauptsache, sie haben eine ungewöhnliche Reisegeschichte, die sich in den 15 bis 25 Minuten gut via Interview und/oder Porträt darstellen lässt.
Von Apple gleich zur „Podcastshow des Jahres 2019" geadelt wurde „Welttournee". Das Besondere hierbei: Zahlreiche Blogger und Podcaster haben ihren normalen Job an den Nagel gehängt und berichten heute von ihrer immerwährenden Weltreise. Bei Adrian Klie und Christoph Streicher ist das jedoch ganz anders. In ihrem Podcast erzählen die beiden, wie man auch mit Vollzeitjob, 30 Tagen Regelurlaub und wenig Geld die Welt kennenlernen kann. Wer ihnen auf ihren 20 bis 30 Minuten langen Episoden folgt, erfährt also viel über Organisationstalent, aber auch über skurrile Erlebnisse weit weg von Pauschalurlaub und All-inclusive-Romantik.
Sich ganz dem Reisen verschrieben hat sich im Gegensatz dazu das niederbayrische Pärchen Thomas Killinger und Nina Lipp, kurz Tom und Nina. In ihrem Podcast „Traveloptimizer" erzählen sie, schön nach Destinationen sortiert, über die großen und kleinen Touren und wie man sie selbst nachmachen kann. „Wir sind viel unterwegs, versuchen dem Alltag so oft wie möglich zu entfliehen und Abenteuer zu erleben", so die beiden Reisefans. Mit Reisetipps, Routen, Fakten und richtigen Planungslisten machen sie es den Hörern leicht, die Reisen nachzureisen. Plus: Immer wieder kommen auch Externe zu Wort und berichten von ihren Geschichten.
„Was mit Reisen": für Branchenkenner
Ein anderes Reise-Pärchen mit eigenem Audiokanal sind Ania Konieczko und Daniel Schlegel. Im Podcast „Geh mal reisen" blicken die beiden auf eine erfolgreiche einjährige Weltreise zurück, geben anderen reiselustigen Paaren Tipps und berichten natürlich auch von ihren nächsten Urlaubsplänen, im Übrigen auch auf Pinterest, Youtube und einem Blog.
So charmant Reisegeschichten von „Menschen wie du und ich" sind: Sind journalistische Profis zugange, steigert das mitunter die Qualität deutlich, sprachlich und dramaturgisch allemal. Beim Podcast „Reisen reisen" lässt sich das jedenfalls feststellen. Beim meistgehörten senderunabhängigen Podcast bei Apple im ersten Quartal 2020 sind Michael Dietz, seines Zeichens WDR-Radiomoderator, und Musikjournalist Jochen Schliemann am Werk. Zusammengenommen haben sie mehr als 100 Länder bereist, und nun wollen sie etwas von dieser Erfahrung weitergeben. Ihr Motto lautet dabei: „Reisen macht schlau! Ganz egal, ob in den nächsten Ort, etwa Düren oder Speyer, oder nach Bangkok. Wir glauben, wer abseits von zwei Wochen All-inclusive und Kreuzfahrtschiffen seine Umgebung, die Menschen, die Natur entdeckt, geht mit offeneren Augen durch die Welt." Und dafür liefern die beiden in 60- bis 80-minütigen Folgen – mittlerweile sind es weit über 100 – jede Menge interessant aufbereitete Fakten, die einen immer wieder neu begeistern. Ende März erschien übrigens eine besondere Episode: ein Interview mit dem Sänger der Kult-Band Die Ärzte, Farin
Urlaub. Dessen große Affinität zum Reisen spiegelt sich hier ja schon im Künstlernamen wider.
Wenn von Deutschlands besten Podcasts die Rede ist, sollten diese drei auch noch erwähnt sein. Zum einen ist das „Off the path", bei dem der Weltreisende Sebastian Canaves über Abenteuer, Roadtrips und Outdoor-Touren berichtet. Ganz auf die Welt der Kreuzfahrten, auf Tipps, Trends und Schiffsbeschreibungen, hat sich Franz Neumeier spezialisiert. Mit „Cruisetricks" betreibt er Deutschlands bekanntestes Kreuzfahrt-Ratgeber-Blog und zusammen mit dem ehemaligen Aida-Bordmoderator Jérôme Brunelle auch die Variante zum Anhören. Ein Audioableger seines beruflichen Schaffens, in diesem Fall sind es TV-Reisebeiträge, hat auch der erfahrene Reisejournalist Jürgen Drensek im Angebot. Sein Podcast „Was mit Reisen" richtet sich indessen weniger an „normale" Reisende als an Branchenkenner. Im ersten Internetradio für die Profis im Tourismus blickt er jede Woche hinter die Kulissen der Branche. Mal geht es um Trends wie die queere Reiseszene, mal um die Berliner Hotelszene, ein andermal um aktuelle Touristiker-Statements zur Corona-Krise. Wer lieber von Reisen nach der Krise als in der Krise träumen will, sollte also eine andere Folge wählen. Oder einen anderen Podcast. Die Auswahl ist ja groß genug.