Auch wenn ihm die Rolle des trotteligen Kauzes auf den Leib geschnitten war, so war der vor 130 Jahren geborene Stan Laurel in Wahrheit doch das geniale Hirn hinter den Episoden rund um das größte Komikerduo der Filmgeschichte. Und er konnte auch in der Damenwelt legendäre Erfolge verzeichnen.
Wie viele der bedeutendsten Komiker von Buster Keaton bis Charlie Chaplin hatte auch Stan Laurel das Vaudeville oder Varieté als Sprungbrett für die Karriere im frühen Hollywood genutzt. Im Unterschied zu vielen seiner Kollegen gelang ihm später an der Seite von Oliver Hardy aber auch problemlos der gar nicht so einfache Übergang vom Stumm- zum Tonfilm. Kein Wunder, pflegten die auch privat ganz eng befreundeten Helden keine dialogbefrachteten Leinwandauftritte, sondern ließen die Lachmuskeln der Kinobesucher allein schon durch ihre Mimik und Gestik erbeben.
Ein schmächtiges Kerlchen mit unschuldig-weißem Teint neben einem Koloss, ein scheinbar naives, begriffsstutziges Kind im Manne neben einem ewigen Besserwisser und Spießbürger, hilflose Trotteligkeit neben majestätisch-überlegener Attitüde, ein haltloses Greinen häufig gepaart mit einem verlegenen sich am Kopfkratzen neben einem aufbrausenden Nesteln an der Krawatte. Das waren die wesentlichen Stilmittel, die den Erfolg des Komikerduos „Stan & Ollie" in 107 gemeinsamen Filmen ausmachte. Hierzulande wurden die beiden als „Dick & Doof" populär, die in ihren Slapstick-Episoden immer wieder an der Bewältigung einfachster Alltagsprobleme scheitern sollten.
Urheber für alle Gags und Pointen, mithin für nahezu das ganze Drehbuch, war einzig und allein Stan Laurel. Er zog hinter den Kulissen auch als Co-Regisseur die Strippen und hatte bei Kameraführung oder Schnitt stets das letzte Wort – auch wenn dies im Abspann nie Erwähnung fand. Im Vergleich zu seinem Partner Oliver Hardy erhielt er aber entsprechend doppelt so hohe Gagen, ohne dass Stan Laurel zeitlebens aber auch nur ansatzweise die Geldsummen wie Charlie Chaplin erhielt. Chaplin hatte sich clevererweise ein eigenes Studio zugelegt und war dadurch zum bestbezahlten Schauspieler der USA aufgestiegen. Laurel und Co. hingegen waren nur brave Angestellte im Schatten der Traumfabrik-Bosse, denen sie die Rechte an sämtlichen Werken zu überlassen hatten.
Ehrenoscar für Lebenswerk
Stan Laurels Karriere konnte nur so lange erfolgreich funktionieren, wie er sich seinen kreativen Spielraum durch die Zusammenarbeit mit einem kleinen Studio bewahren konnte. Als es ihn ab Anfang der 1940er-Jahre zu den beiden ganz Großen – 20th Century Fox und MGM – zog, wurden ihm sämtliche gestalterischen Mitwirkungsrechte, jegliche künstlerische Freiheiten und insbesondere die Möglichkeit zur Improvisation gestrichen. Die acht unter diesen Bedingungen bis 1945 entstandenen Filme mit „Die Stierkämpfer" als Abschluss und das cineastische Finale von Laurel und Hardy mit der europäischen Produktion „Atoll K" 1951 blieben daher qualitativ weit hinter früheren Werken des Duos zurück.
Nur auf gefeierten Tourneen durch die USA und in Großbritannien, wo sie 1947, 1952 und 1953/1954 auftraten, konnten Stan und Ollie noch ihre unverändert große Darstellungskunst unter Beweis stellen. Welch hohes Ansehen Laurel selbst im Kollegenkreis genossen hatte, brachte Buster Keaton in seiner Trauerrede bei der Beerdigung seines langjährigen Freundes Stan zum Ausdruck. „Chaplin war nicht der Lustigste, ich war nicht der Lustigste, dieser Mann war der Lustigste." Laurel erlag am 23. Februar 1965 im Alter von 74 Jahren in seinem Haus im kalifornischen Santa Monica einem Herzinfarkt. 1961 erhielt er einen Ehrenoscar für sein Lebenswerk, und auch der Kurzfilm „Der zermürbende Klaviertransport" war 1932 mit einem Goldjungen ausgezeichnet worden.
Das Künstler-Gen war dem am 16. Juni 1890 im britischen Ulverston geborenen Arthur Stanley Jefferson gewissermaßen in die Wiege gelegt worden. Seine Eltern waren beide beim Theater beschäftigt und ermöglichten ihrem Filius schon im zarten Alter von neun Jahren den ersten Auftritt auf einer Bühne. Nachdem die Familie nach Glasgow umgezogen war, brachte Stanley an der Rutherglen Academy seinen Schulabschluss hinter sich und begann als 16-Jähriger seine Berufslaufbahn als Künstler in diversen britischen Varieté-Theatern, wo er als Pantomime und Solodarsteller auftrat. „Mein Vater wollte nicht, dass ich in diesem Metier arbeitete", sagte Stanley im Rückblick, „aber es lag mir einfach im Blut. Ich hatte keine große Bildung, was aber an mir selbst lag. Ich war erfüllt vom Geist des Theaters. Mit Lernen hatte ich nicht viel am Hut, ich wollte den Glamour, ich wollte auf die Bühne. Also trat ich in Music-Halls auf, als Kinderdarsteller."
„Erfüllt vom Geist des Theaters"
Trotz Widerstand des Vaters wurde er auf dessen Vermittlung ab 1907 Mitglied zweier Vaudeville-Companys, schrieb sein eigenes Programm, wurde 1910 vom Londoner Theaterproduzenten Fred Karno entdeckt und gleich für dessen Truppe verpflichtet, die unter dem Namen „Fred Karno’s Army" 1910 und 1912 zu Tourneen durch die USA aufbrach. Zu Stanleys Kollegen gehörte der damals noch weitgehend unbekannte Charlie Chaplin, der allerdings den Hauptpart des Ensemble-Stücks „A Night in an English Music Hall" spielte. Als sein Stellvertreter musste Stanley nach Chaplins Ausscheiden Richtung Hollywood die Hauptrolle übernehmen, was vom amerikanischen Publikum allerdings nicht akzeptiert wurde. Die Tournee 1913 floppte und musste abgebrochen werden. Stanley entschied sich dazu, in den Staaten zu bleiben. Seine britische Heimat sollte er erst 1927 wiedersehen.
Mit dem befreundeten Ehepaar Alice und Baldwin Cook gründete er zunächst das „Stan Jefferson Trio" und tingelte durch die USA. Im Herbst 1917, kurz vor seinem Umzug Richtung Hollywood, lernte Stanley, dessen tiefer Bariton später übrigens in der fistellig-weinerlichen deutschen Synchronstimme unterschlagen wurde, die verheiratete Varieté-Tänzerin Mae Charlotte Dahlberg kennen. Mit ihr blieb er bis 1925 liiert, und sie soll es gewesen sein, die ihm zur Annahme des Künstlernamens Stan Laurel geraten haben soll.
Der Start in der Traumfabrik Hollywood war schwierig, die erste Minirolle konnte Stan 1917 in „Nuts in May" ergattern. Ein Jahr später bildete er mit Larry Semon in drei Filmen, darunter „Frauds and Frenzies", ein erstes Komiker-Duo. Die meisten seiner frühen Kintopp-Werke sind heute vergessen oder nur in Fragmenten erhalten. Wichtig war für Stan die Bekanntschaft mit dem aufstrebenden Studio-Produzenten Hal Roach, der ihn in fünf Einaktern als „Toto the Clown" besetzte. 1921 machte Stan dank der Hauptrolle im Kurzfilm „Der glückliche Hund" erstmals eine breitere Öffentlichkeit auf sich aufmerksam – und an seiner Seite war erstmals Oliver Hardy zu sehen.
Mindestens fünf Mal verheiratet
Mit den Streifen „Mud and Sand" 1922 und „Dr. Pyckle and Mr. Pryde" 1925 machte sich Stan einen Namen im damals sehr beliebten Genre des Parodiefilms. Um diese Zeit hatte er seinen eigenen Stil entwickelt und sich für einen Mittelweg zwischen dem hektischen, von Gag zu Gag hechtenden und von Hal Roach präferierten Slapsticks eines Larry Semon und dem langsamen Pathos eines Harry Langdon entschieden. Bevor Hal Roach den Entschluss fasste, Laurel und Hardy zusammenzubringen – Stan hatte zu jener Zeit gut 50 Filme gedreht, Hardy sogar schon fast 250 – versuchte er erst einmal, das Privatleben seines künftigen Stars Stan in Ordnung zu bringen. Er schickte Mae Dahlberg mit einer dicken Abfindung zurück nach Australien. Dabei hatte er allerdings wohl kaum geahnt, dass Stan auch künftig in Sachen Damenwelt nichts würde anbrennen lassen. Fünf Ehen gelten als gesichert, Virginia Rogers hatte Stan sogar zweimal das Jawort gegeben, zuweilen ist aber auch die Rede von sieben oder gar acht Hochzeiten.
Roach testete Stan und Ollie ab Dezember 1926 in Slapstickkomödien wie „45 Minutes from Hollywood" oder „Leichte Beute" 1927. Doch erst mit dem Streifen „Dem Henker entronnen/Die zweiten Hundert Jahre" 1927 wurden die beiden Schauspieler offiziell als Duo präsentiert. Trotz des folgenden Mega-Erfolgs mit Klassikern wie „Die Schlacht des Jahrhunderts" mit der legendären Tortenwurforgie 1927 kam es Ende der 1930er-Jahre zu erheblichen Spannungen zwischen Roach und Stan Laurel. Höhere Honorarforderungen und Stans Liebesleben wurden dafür gemeinhin verantwortlich gemacht. Nach der Komödie „Auf hoher See" 1940 ging man daher getrennte Wege.
Rückzug nach Hardys Tod
Nachdem bei Stan Laurel Prostatakrebs während der Dreharbeiten ihres letzten Films „Atoll K" diagnostiziert worden war, musste er beruflich etwas kürzer treten. Nach dem überraschenden, ihm schwer zu Herzen gehenden Tod von Partner Oliver Hardy im August 1957 lehnte Stan, dessen Schaffen auf mehr als 200 Filme, Einakter oder Slapstick-Sequenzen taxiert wird und der zeitlebens ein geradezu besessener Briefeschreiber gewesen war, sämtliche weitere Leinwandangebote ab. Und schon da gab er all seinen Freunden und Bewunderern vorsorglich die Warnung mit auf den Weg: „Wer es wagt, bei meiner Beerdigung zu weinen, mit dem rede ich kein Wort mehr."