Reisen in Zeiten von Corona – wer in diesem Jahr unterwegs ist, muss sich und seine Reiseapotheke deutlich stärker vorbereiten. Wie sie aussehen könnte, weiß Dr. Sophie Schneitler, Oberärztin der Ambulanz für Tropenmedizin und Expertin für Reisemedizin. Sie empfiehlt, sich vorher beraten zu lassen.
Frau Dr. Schneitler, Corona scheint zumindest in Westeuropa eingedämmt zu sein. Fachleute warnen aber schon vor einer zweiten Welle. Wie sehen Sie das?
Das könnte in der Tat ein Problem werden. Viele Menschen hierzulande verlieren mehr und mehr die Angst vor dem Coronavirus. Darin sehe ich eine große Gefahr, denn das Virus ist nach wie vor unter uns, und das Infektionsgeschehen könnte sich schnell wieder ändern, wenn wir leichtsinnig werden. Wir haben derzeit weder wirksame Medikamente speziell gegen Covid-19 noch einen Impfstoff.
Die Deutschen gelten als Reise-Weltmeister und verreisen gern in andere Länder. Spüren Sie eine verstärkte Nachfrage nach Beratung zu Corona-Situationen in Ihrem Institut?
Die Verunsicherung in der Bevölkerung ist wegen Corona sehr groß. Natürlich bekommen wir diesbezüglich Anfragen. Jeder kann sich beraten lassen. Aber man muss generell zwischen unterschiedlichen Aspekten unseres Beratungsangebots bei Reise- und Tropenmedizin unterscheiden: Personen, die beruflich einen Arbeitseinsatz in tropischen und subtropischen Ländern absolvieren, müssen sich bei einem Spezialisten vorstellen. Sie erhalten die im Volksmund sogenannte Tropentauglichkeitsuntersuchung, die vom Gesetzgeber in der Regel verlangt wird. Das gilt auch für die Teilnehmer am Programm weltwärts, ein Programm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das jungen Erwachsenen Langzeitaufenthalte zur Tätigkeit in sozialen oder karitativen Projekten außerhalb Europas ermöglicht. Und dann gibt es die Beratung für all diejenigen, die aus Urlaubsgründen in ferne Länder fahren. Sie ist natürlich freiwillig, aber empfehlenswert.
Wir haben in diesem Jahr viele Rückkehrer, sprich Geschäftsreisende, betreut und Teilnehmer des Programms weltweit. Wir führen schließlich nicht nur Prophylaxe durch, sondern auch Nachuntersuchungen sowie Untersuchungen von erkrankten Reiserückkehrern.
Derzeit beherrscht Corona die Schlagzeilen, aber es gibt andere gefährliche Krankheiten. Sind die tatsächlich auch in unseren Gefilden auf dem Vormarsch?
Leider ist das so. Globalisierung, grenzenloses Reisen, Klimawandel, all das trägt zur rasanten Verbreitung von Viren, Bakterien und Parasiten in der Welt bei. Viren wandern um die Welt. Wir Fachleute sprechen vom sogenannten Vektorwandel, ein Vektor oder Träger muss sich in einer neuen Umgebung erst einmal installieren. Dazu ein paar Beispiele: Früher gab es in Deutschland keine Tigermücken, die potenziell lebensbedrohliche Krankheiten wie Dengue-Fieber übertragen. Inzwischen gibt es bereits in Südwestdeutschland Populationen von solchen Mücken, die nachweislich bereits hier überwintern können. Oder nehmen Sie beispielhaft Zecken, die nicht nur FSME und Borreliose übertragen können, sondern auch viele andere Krankheiten und sich geographisch weiter ausbreiten. Larven und Puppen von Insekten können ebenso wie Stechmücken über den Gütertransport nach Deutschland gelangen. Selten gibt es dann auch noch die sogenannte Airport-Malaria. Es gab im letzten Jahr in Frankfurt Malaria-Fälle bei Flughafenmitarbeitern, die selbst gar nicht in tropischen Ländern unterwegs waren, sondern sich offenbar an Malaria-Überträgermücken angesteckt haben, die unbemerkt in einem Flugzeug nach Frankfurt kamen. Oder sprechen wir von Hepatitis A, einer Schmier- und Schmutzinfektion, die im Durchschnitt erst bis zu 50 Tage nach Infektion auftritt und langwierige gesundheitliche Folgen zum Beispiel für die Leber haben kann. Sie ist übrigens nicht mit einer Lebensmittelvergiftung zu verwechseln, die oftmals bakteriell verursacht ist und im Schnitt nach wenigen Stunden auftritt. Die meisten Deutschen holen sich übrigens eine Hepatitis-A-Infektion in Ländern wie Spanien, Türkei, Italien oder Südfrankreich und nicht in fernen exotischen Ländern, wie vielfach angenommen.
Egal, wohin man reist, Risiken kann es überall geben, auch in Deutschland. Angst sollte man nicht haben, denn es gibt guten Schutz und vorbeugende Maßnahmen, die man kennen sollte, um sie anwenden zu können. Darüber aufzuklären, dafür ist unser Institut da, und wir wollen so erreichen, dass die Menschen sicher reisen können.
Was empfehlen Sie Urlaubern?
In meinen Augen ist die beste Erfindung der Medizin die Impfung. Sie hat erreicht, dass gefährliche Krankheiten wie die Pocken ausgestorben sind. Mit Impfungen kann man viele Erkrankungen vermeiden. Wir empfehlen daher allen Deutschen, sich regelhaft nach dem Impfkatalog der STIKO (Ständige Impfkommission) impfen zu lassen. Dazu zählen zum Beispiel Impfungen gegen Tetanus und Diphtherie, gegen Kinderlähmung, je nach Alter und Vorerkrankungen gegen Keuchhusten, Pneumokokken und natürlich gegen Influenza sowie je nach Gegend auch gegen FSME. Bei Reisen in viele europäische Länder ist auch eine Hepatitis-A-Impfung empfehlenswert. Über alle anderen Impfungen beraten wir gerne, je nach Reiseland und Reisestil.
Darüber hinaus sollten die Mindesthygienestandards strikt beachtet werden, gerade in Corona-Zeiten ist das besonders wichtig. Trinken Sie in heißen Ländern lieber Getränke aus der Dose oder Flasche, meiden Sie Eiswürfel in Getränken, Vorsicht beim Büfettessen oder vom losen Straßenverkauf. „Cook it, boil it or peel it", heißt die Devise. Außerdem gehört eine gut ausgestattete Reiseapotheke ins Reisegepäck.
Was sollte die Reiseapotheke enthalten?
Neben persönlichen Medikamenten gehören in eine Reiseapotheke unbedingt Desinfektionsmittel, Pflaster, Sonnen- und Mückenschutz, Fieberthermometer, schmerzlindernde und fiebersenkende Mittel, etwas gegen Durchfall im Notfall und Magenverstimmungen, gegen Reiseübelkeit und Halsschmerzen, gegebenenfalls Schwangerschaftsverhütung sowie bei langen Flugreisen Thromboseprophylaxe. Eine Kopie des Impfausweises sowie ein Nachweis über die Auslandskrankenversicherung sind ebenfalls hilfreich. Ein Tipp am Rande: Kaufen Sie keine Repellentien, also Mittel gegen Mücken, Zecken & Co, in asiatischen oder afrikanischen Ländern. Die sind zwar häufig billiger, aber oftmals gefälscht und gegebenenfalls wirkungslos oder sogar gefährlich.
Wer berät außer Ihrem Institut über Reisemedizin?
Sie können zunächst Ihren Hausarzt fragen. Es gibt einige unter ihnen, die eine zusätzliche Qualifikation zu diesem Thema erworben haben. Man kann uns aber auch jederzeit direkt kontaktieren: Über unseren Online-Service (www.reisemedizin.uks.eu) können Sie unkompliziert und jederzeit einen Beratungstermin vereinbaren, der sofort online bestätigt wird.
Und wer bezahlt das alles?
Das ist unterschiedlich geregelt. Wenn Sie beruflich verreisen, müssen Sie mit Ihrem Arbeitgeber sprechen. Gesetzliche Krankenkassen beteiligen sich an bestimmten Kosten mit einem Prozentsatz. Private Kassen übernehmen oftmals mehr. Am besten ist, Sie erkundigen sich vorher bei Ihrer Kasse, im Regelfall werden Sie jedoch beim Arzt vorher über die Kosten aufgeklärt. Aber die Gesundheit sollte es jedem wert sein, sich vorher ausreichend zu schützen.