Peter Meyer, Vorsitzender im „PopRat" Saarland, hat am ersten Kulturgipfel des saarländischen Kultusministeriums teilgenommen. Er zeigt Förderprogramme auf und beschreibt die Situation von Kulturschaffenden in Corona-Zeiten.
Herr Meyer, wir leben nun seit sechs Monaten mit Covid-19 und den durch die Pandemie bedingten Einschränkungen. Wie sind die saarländischen Künstler damit umgegangen?
Die gesamte Kulturszene musste von einem Tag auf den anderen von hundert auf null herunterfahren. Keine Konzerte, Happenings, Ausstellungen, Events aller Art. Keine Möglichkeit der Darstellung der Künste und damit des Geldverdienens. Das hat zunächst kurz zu einer Schockstarre geführt, die jedoch schnell vom eisernen Willen zum Durchhalten abgelöst wurde. Der tägliche Kampf ums Überleben ist ja dem Künstlerdasein immanent.
Wie wirkte sich das auf die Kreativität aus?
Rasch setzte man sich damit auseinander, neue Wege zu gehen, sich selbst und seine Kunst zu vermarkten. Der einzige Weg: übers Internet. Dadurch konnten die Musiker ein wenig verdienen. Die auf diese Weise generierten Summen waren in der Krisensituation okay. Doch perspektivisch ist es in manchen Musiksegmenten natürlich schwierig, damit ausreichend Geld einzunehmen.
Welche Rolle konnte der „PopRat" in der Krise einnehmen?
Viele unserer Mitglieder waren und sind stark betroffen, die Veranstalter ebenso wie die Künstler. Der „PopRat" als anerkannte Stimme der verschiedenen Popkultur-Bereiche konnte deshalb sofort Lobbyarbeit machen. Diese muss als eine Symbiose begriffen werden: Da sind die Künstler, die den kreativen Output garantieren; um sie herum die Veranstalter, die die Bühnen stellen und die Gagen zahlen; und einen weiteren Ring bildet die Veranstaltungswirtschaft, also die Firmen für alles, was mit Technik zu tun hat, die Caterer, die Grafiker, die Security-Unternehmen et cetera. Zum ersten Mal wurde meines Erachtens der Politik bewusst, wie eng diese Bereiche miteinander verzahnt sind. Nur einem Bereich zu helfen bedeutet, keinem Bereich dauerhaft zu helfen
Hat die Politik die Stimme des „PopRats" positiv aufgenommen?
Unbedingt. Wir haben einen Katalog mit Forderungen aufgestellt und zugleich den Politikern aufgezeigt, was sinnvollerweise zu tun wäre. Das ist überhaupt ein Credo des „PopRats": Nicht nur laut zu brüllen und Forderungen aufzustellen, sondern der Politik immer auch Werkzeuge zur Lösung an die Hand zu geben. Am Anfang dieser für alle neuartigen Krise musste sich die Politik natürlich erst mal einen Überblick über die Situation verschaffen. Ab April sind wir dann mit unseren Forderungen bei der Politik durchgedrungen. Wir hatten einen Gesprächstermin beim Saarbrücker Oberbürgermeister Uwe Conradt, der die wirtschaftliche Bedeutung der Clubs und des Eventbereichs sofort erkannt hat. Er stellte einen Topf mit über 120.000 Euro zur Verfügung, um auch den Veranstaltern zu helfen, womit Saarbrücken als eine der ersten Städte dieser Szene geholfen hat. Auch die Kulturministerin Streichert-Clivot hat den „PopRat" frühzeitig angehört, und wir nahmen am 10. Juni am ersten saarländischen Kulturgipfel teil. Der hat alle wichtigen Kulturinstitutionen vernetzt und zur stärkeren Zusammenarbeit motiviert und lässt jetzt auf den gemeinsamen Aufbau einer strategischen Kulturarbeit für das Saarland hoffen. Außerdem gab es eine sehr konstruktive Videokonferenz mit dem Ministerpräsidenten Tobias Hans und ein hoffnungsvolles Gespräch mit dem Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums Jürgen Barke. Wir haben an vielen Ecken und Enden durch unsere Lobbyarbeit Hilfen möglich gemacht, auf die besonders schwierige Situation der Kultur aufmerksam gemacht und Dialogtore aufgestoßen.
Zudem konnten die saarländischen Künstler auf die im März beschlossene 30-Milionen-Soforthilfe des Landes und bis 31. Juli auf das den hauptberuflich Soloselbständigen vorbehaltene Stipendienprogramm des Kultusministeriums in Höhe von 2,5 Millionen zurückgreifen. Und seit wenigen Wochen gibt es das mit einer Milliarde Euro ausgestattete und viele Sektoren der Kunst und der Veranstaltungswirtschaft umfassende Programm „Neustart Kultur" der Bundesregierung.
Richtig und anerkennenswert! Doch wir haben auch festgestellt, dass es bisweilen schwierig ist, die Bedingungen der Programme zu erfüllen, damit die Mittel abgeschöpft werden.
Inwiefern?
Mal entsprachen die Bedingungen nicht der Lebenswirklichkeit der Künstler, mal war das Prozedere viel zu bürokratisch, mal beides.
Sind Ihnen saarländische Künstler bekannt, die durch den Corona-Lockdown in bedrohliche Not geraten sind?
Im Grunde ist das ja bei jedem Soloselbständigen passiert, weil plötzlich keine Aufträge und damit Honorare da waren. Die allerwenigsten Künstler haben ein nennenswertes finanzielles Polster, um eine Weile ohne Einkünfte durchzukommen.
Gibt es Ansätze, wieder zu einem Aufführungsbetrieb zu kommen, natürlich unter Einhaltung der Abstandsregelungen?
Im „PopRat" gibt es dazu seit Beginn des Lockdowns Überlegungen. Selbstverständlich setzen sich alle Veranstalter, die Bands und die Künstler permanent damit auseinander. Das entscheidende Hemmnis ist und bleibt die Notwendigkeit des Abstandhaltens. In eine große Halle, die vielleicht 1.200 Menschen fasst, dürfen momentan nur sehr viel weniger rein. Abstand ist dem Popkultur-Gedanken zuwider, denn es kommt auch auf Nähe und gemeinsames Erleben an. Die Veranstalter könnten heute schon Konzerte durchführen, doch wäre das angesichts der Abstandsvorgaben und den daraus resultierenden eingeschränkten Besucherzahlen leider in den meisten Fällen nicht wirtschaftlich. Darum sagen die allermeisten Clubbesitzer: Das funktioniert so leider nicht.
Könnte denn nicht die Politik einspringen und den Ausfall übernehmen?
Klar, das wäre großartig. Doch wir wissen um die begrenzten Mittel des Landes. In diesem Zusammenhang gebe es viele Fragen zu klären: Wie viele Konzerte könnten pro Spielstätte mit welcher Maximalsumme gefördert werden? Für welche Spielstätten gilt das? Wie lauten die Bedingungen? Doch unter anderem darüber, ob und welche Töpfe sinnvoll sind, verhandelt der „PopRat" gerade mit der Landesregierung.