Sylvia Rechs Bestimmung sind Kaninchen. Die 41-jährige Tierheilpraktikerin hat seit ihrer Kindheit eine Leidenschaft für diese Haustiere. Zusammen mit ihrem Mann betreibt sie auch eine Tierpension für die Hoppler und arbeitet gerade an ihrem zweiten Buch.
Kasimirs überlange Ohren wackeln lustig in alle Richtungen, als er mit seinen großen Pfoten vorwitzig angehoppelt kommt, um zu sehen, wer da zu Besuch kommt. Der junge Rammler ist einer, der gern Unsinn im Kopf hat. „Wenn wir nicht aufpassen, räumt der auch den Kühlschrank aus", sagt Sylvia Rech und lacht. Dabei drückt sie das Kaninchen liebevoll an sich. Gerade mal ein halbes Jahr alt ist Kasimir und schon deutlich größer als seine Kumpel. Er ist ein sogenanntes Schlachtkaninchen, das ausgewachsen bis zu 7,5 Kilo auf die Waage bringt. Dank Sylvia Rech ist er dem Schlachterbeil entkommen. Kasimir ist einer von unzähligen Hopplern, die seit vielen Jahren bei der 41-Jährigen und ihrem Mann Heiko ein neues Zuhause gefunden haben. Sylvia Rech liebt Kaninchen, sie sind ihre Leidenschaft, schon von Kindertagen an. „Sie sind einzigartig von ihrem Wesen, jeder hat seinen Charakter, jeder hat seine Aufgabe", sagt sie. „Ronja ist zum Beispiel die Chefin, Herminchen die Krankenschwester, die man zu einem kranken Tier setzen kann, damit es nicht alleine ist." Insgesamt acht Kaninchen hoppeln derzeit durch das große Zimmer, das extra für die Langohren eingerichtet wurde. In Hochzeiten lebten bei dem Ehepaar Rech an die 24 Langohren. Die meisten kommen aus dem Tierheim, außer dem schwarz-weißen Kai, der saß irgendwann vor Sylvia Rechs Tür. So etwas passiert auch schon mal, denn dass die süßen Tiere der sympathischen Kaninchenmama – wie sie sich selbst nennt – am Herzen liegen, hat sich schon lange rumgesprochen.
Meerschweinchen sind Gäste in der Tierpension
Das Rundum-sorglos-Paket umfasst auch die Pflege kranker Tiere. Irgendwann wollte die gelernte Hotelfachfrau die Krankheiten ihrer Kaninchen besser verstehen und machte vor ein paar Jahren die Ausbildung zur Tierheilpraktikerin. Was aus Eigeninteresse entstand, zog schon bald weitere Kreise. „Es kamen Nachfragen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis, und dann hat es angefangen, Spaß zu machen." Vor drei Jahren entstand dann noch die Idee, eine Tierpension zu eröffnen. Neben den Kaninchen nehmen Sylvia und Heiko Rech auch Meerschweinchen als Urlaubsgäste auf. Die pfeifen gerade unüberhörbar aus ihren Häuschen in einem großzügigen Auslauf. Es ist Futterzeit. Heiko Rech füllt die Näpfe mit frischen Gurken und Salat. Dabei wird die Fotografin neugierig beäugt. Ein Schweinchen ist mutig und positioniert sich Gurke fressend direkt vor der Kamera, ein anderes lugt vorsichtig um die Ecke und traut sich dann auch. Zu verführerisch ist der Schweinchen-Snack. Meerschweinchen in eine Tierpension zu geben, ist für das Tier einfacher als zum Beispiel bei Hunden, die ihren Besitzern die ersten Tage auch mal nachtrauern. „Meerscheinchen haben damit kein Problem. Hauptsache, es ist was im Napf", lacht Sylvia Rech. Kaninchen sind da sensibler. „Ich sage den Besitzern, dass sie etwas mitbringen dürfen, zum Beispiel das Häuschen oder den Spieltunnel." Das erleichtert den Tieren den Umzug. Urlaub ist bei dem Ehepaar Rech keiner mehr drin, zu sehr sind sie durch die Pflege beansprucht. „Unsere Leidenschaft ist Phantasialand", sagt Sylvia Rech lachend. „Den Urlaub vermissen wir nicht. Kaninchenzimmer saubermachen ist für mich entspannend." Heiko Rech nickt. Der 49-Jährige hat seine Frau vor neun Jahren kennengelernt und ist von der Kaninchen-Leidenschaft mittlerweile genauso erfasst. Auch wenn es neben den Vollzeitstellen oft anstrengend ist. Sylvia Rech arbeitet bei Saarstahl, Heiko Rech als Fahrlehrer. „ Morgens um halb fünf klingelt der Wecker, dann werden erst mal die Tiere versorgt, und dann geht’s zur Arbeit."
Damit sie tagsüber ihre Tiere im Auge behalten können, haben sie Kameras installiert. „Das ist nicht immer gut", meint Sylvia Rech, „wenn man dann sieht, das ein Tier zwei Stunden auf einem Platz sitzt, sich nicht mehr richtig bewegt, ist Alarmstufe Rot."
Sylvia Rech ist mittlerweile eine richtige Kaninchen-Spezialistin. Da war es nur logisch, dass sie ihr Wissen weitergeben wollte. Voriges Jahr kam ihr erstes Buch heraus. „Seelenkaninchen" ist ein Ratgeber für Kaninchenhalter und solche, die es werden wollen. Anschaulich wird erklärt, wie man die Langohren artgerecht unterbringt und füttert und was man bei Krankheiten tun kann. Außerdem gibt es Tiergeschichten, aus der Sicht von Kaninchen erzählt.
Ihr Buch klärt über typische Erkrankung auf
Sylvia Rech ist es wichtig, für Kaninchen eine Lanze zu brechen. Dass sie zum Beispiel keine Kuscheltiere sind, die man einfach in einen engen Käfig setzen kann. „Kaninchen brauchen 24 Stunden Auslauf, und jedem Tier sollte eine Fläche von zwei mal zwei Quadratmeter zur Verfügung gestellt werden. Außerdem brauchen sie einen Partner, denn es sind sehr soziale Tiere." Auch bei der Fütterung können Fehler gemacht werden, betont Sylvia Rech. Zum Beispiel sei das Fertigfutter aus den Zoohandlungen alles andere als gesund. „Da sind viele schädliche Sachen drin, zum Beispiel viel Zucker. Und es ist schlecht für die Zähne, weil der Abrieb fehlt." Am besten Frischfutter geben. „Die Leute denken, sie holen sich ein Kaninchen, das ist nicht kompliziert. Aber so einfach ist das nicht." Auch darüber sollen ihre Bücher aufklären, wie auch über typische Kaninchen-Krankheiten, wie die Encephalitozoonose. Hierbei handelt es sich um einen Befall des Gehirns durch den Parasiten Encephalitozoon cuniculi, was oft eine Kopfschiefhaltung zur Folge hat. Auch Angelina ist daran erkrankt. Das sechsjährige Kaninchen wird von Sylvia Rech liebevoll behandelt. „So lange es frisst und noch bei den anderen sitzt, wird es nicht eingeschläfert. Wir machen uns einen Kopf, aber das Tier macht sich keine Gedanken, dass es behindert ist."
In all den Jahren hat Sylvia Rech schon Lustiges, Trauriges und Bewegendes mit ihren Tieren erlebt. Eine Sache hat sie besonders berührt. „Als unser Anton gestorben war, hab ich alles weggeräumt und bin zu unserem Misthaufen auf unserem Grundstück. Da stand plötzlich ein Rehbock. Das war außergewöhnlich." Etwas Ähnliches erlebte sie, als ihre Kaninchen Bieni und Balu starben. „Bei Bieni war danach eine riesige Libelle im Garten. Und bei Balu eine kleinere Libelle." Diese Geschichten hat sie auch in ihrem neuen Buch verarbeitet, und man spürt, wie tief sie diese Erfahrungen bewegen. „Für mich ist das ein Gruß. Dass es noch etwas gibt hinterher." Derzeit suchen Sylvia und Heiko Rech nach einem größeren Haus, um mehr Platz für die Pensionstiere zu haben. Die Nachfrage ist groß. Ihre eigene Langohr-Gruppe wollen sie erst mal nicht vergrößern. Und wenn doch, würde sie nicht gezielt nach neuen Mitbewohnern suchen. „Die Tiere finden immer mich", sagt sie. Die wissen halt, wo es schön ist.