Die Designerin Nanna Kuckuck ist vor allem in Berlin eine Marke. Sie selbst ist dabei ihre beste Markenbotschafterin – ihre Entwürfe in jeglicher Hinsicht besonders.

Es wäre ein wie vor dem Lockdown „normaler" Atelierbesuch gewesen. Nur eben mit Maske. Doch es ist Spätsommer und die Kreativ- und Schneiderstube von Nanna Kuckuck befindet sich in einem Gründerzeit-Altbau in einer Gastro-Meile im Berliner Bezirk Schöneberg. Ein charmantes Café im Erdgeschoss mit Bürgersteigterrasse, typisch Hauptstadt. Mindestabstand, ohne Maske, Nanna Kuckuck, ungekrönte Haute-Couture-Königin in einer Metropole, die zwar jüngst die Berlin Fashion Week an Frankfurt am Main verloren hat, sich in der eigenen Kreativität davon jedoch unbeeindruckt zeigt. Das war schon immer so. Schon in den 1990er-Jahren, als die heute 52-jährige Modemacherin nach einem Jahr in New York kurz nach dem Mauerfall wieder in ihre damals noch Westberliner Heimat zurückgekehrt war. Junge Kreative vielerorten, die, wie Nanna Kuckuck, „einfach gemacht haben".
Nanna Kuckuck, Naturblondine mit einem Gardemaß von schlanken 178 Zentimetern, ist nicht nur an ihrer hochgewachsenen Gestalt zu erkennen. Wo Nanna Kuckuck draufsteht, steckt jedoch nicht nur die Namensgeberin selber drin. Häufig auch Katja Riemann oder Caroline Beil. Denn die Designerin wurde von deutschen Schauspielerinnen entdeckt. „Meine erste prominente Kundin war Maria Schrader. Sie hatte im Schaufenster meines damaligen Charlottenburger Showrooms und Ateliers, den ich mir mit einer auf Brautkleider spezialisierten Freundin geteilt hatte, ein Strickkleid entdeckt, das ich aus Strickstoffen gefertigt hatte, die ich noch aus meiner New Yorker Zeit besaß", erzählt die Designerin. Sie hatte dieses Stück auch deshalb aus einem dehnbaren Material gefertigt, da sie zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Sohn Mel schwanger war. Maria Schrader, verrät sie, sei damals auch schwanger gewesen und somit begeistert von einem extravaganten und dennoch bequemen Kleid. „Sie hat es auf einer Fernsehpreis-Verleihung getragen, und am nächsten Tag war das Foto in allen Zeitungen", erinnert sich die Designerin, deren Name, auch wenn er so klingen mag, kein Künstlername ist.
Ab diesem Zeitpunkt gehörte prominenter Besuch in ihrem Showroom sozusagen zum Alltag; Stammkundin Nummer eins wurde Katja Riemann. Viele große Roben hat Nanna Kuckuk seitdem für den roten Teppich geschneidert, alles Maßanfertigungen und Einzelstücke.
Modelliert trifft es eher, denn ihr erstes Markenzeichen waren Plisseekleider. „Das war anfangs jedoch nicht einfach. Ich war mit drei Kleidern auf der Modemesse in Mailand, wo ich schnell erfahren habe, dass Unikate, und dann noch von Hand plissiert, nichts für Messen sind", erzählt Nanna Kuckuck. Dennoch ließ sie sich davon nicht beirren, und wie der Zufall es wollte, passierte der nächste große Schritt in Berlin. Wieder war es ihr Schaufenster, das im nächtlichen Berlin für Aufsehen sorgte.
Im Charlottenburger Kiez gab es in den 90er-Jahren viele indische Restaurants. Dort verkehrte auch ein indischer Stoffhändler, dem die Farbinszenierung hinter
Glas ins Auge fiel. Am nächsten Tag, erzählt Nanna Kuckuck, sei er mit alten, jedoch ungebrauchten und beeindruckend schönen Sari-Braut-Stoffen in ihr Atelier gekommen. Der Rest ist Geschichte: 15 Jahre arbeitete die Desig-nerin mit Stoffen von jenem Herrn Vij. Bis heute sind die beiden in Kontakt, sogar zur Hochzeit seiner Tochter lud der Stoffhändler seine Berliner Kundin ein. Nanna Kuckuck trug zu diesem Event natürlich einen eigenen Entwurf aus einem der alten Stoffe, jedoch „drapiert und nicht landestypisch gewickelt".
Blousons sind ihr neuestes Modethema

Ihre Kleider aus Sari-Stoffen wurden schnell zum zweiten, extravaganten Markenzeichen der Berlinerin, die selbst fast nur ihr eigenes Label trägt. Selbstredend nicht die fulminanten Red-Carpet-Kreationen. Fast immer aber lange Kleider, Röcke und Hosen im Marlene-Dietrich-Stil. Das sind farb- und mustermäßig keine leisen Auftritte, zumindest nicht im farbgedeckelten Berlin, jedoch perfekt als Markenbotschafterin in eigener Sache. Dazu ein schwarzes – gekauftes – Top: Fertig ist der Style. Inzwischen mit passender Maske. Die zu nähen hatte sie im Lockdown viel Zeit.
Doch es gab und gibt noch ein für sie fast schon ungewöhnliches neues Modethema: Blousons. Begonnen vor zwei bis drei Jahren, doch erstmals im großen Rahmen der Öffentlichkeit präsentierte sie diese am Anfang der Corona-Krise. Die Modeschöpferin ist eine leidenschaftliche Fotografin, gerade auf Fernreisen nach Asien ist ihre Kamera die ganze Zeit dabei. Anfang März hat sie im Ellington-Hotel unweit des KaDeWe mit „Photography & Textile Landscape" erstmals ihre passend zu ihren Kreationen Farbe, Licht und Formen einfangenden und in Szene setzenden fotografischen Arbeiten präsentiert. Zwischen den Bilderwelten Auszüge ihres Modeschaffens: Puppen mit ihren Abendgewändern als textile Kunstwerke sowie einige Blouson-Modelle. Und mittendrin die Designerin, der eine Anwärterschaft auf die Erfindung des Mustermixes zugebilligt werden darf. Nicht nur bei bodenlangen Kleidern und Röcken, sondern auch bei Blousons – und zudem in Kombination getragen.
Für die Kurzjacken macht sie inzwischen nur noch die Entwürfe für die Stoffe und Schnitte selbst, nähen lässt sie von Schneiderinnen in Berlin und London. Die Blousons sind Unisex-Modelle. Sogar ihr Sohn trägt sie inzwischen, nachdem er sie anfangs „uncool" gefunden hätte.
Ihrer Kreativität geschuldet ist ein Detail, das sie beim Interview anhat. Über dem Blouson trägt sie einen breiten Gürtel mit Blume. Die passende Maske –
sie arbeitet auch gerne mit Fotodruck auf Stoff – hat Nanna Kuckuck, deren Traum es wäre, ein Boutique-Hotel auszustatten, inzwischen auch immer dabei. „Abgesehen vom Schutz ist dies eine tolle Kombination, und so ist auch ein neues Ensemble entstanden", sagt sie, die künftig, wenn es wieder Red-Carpet-Auftritte geben wird, extraordinäre Roben-Masken-Kreationen erschaffen wird.