Vor rund fünf Jahren flüchteten Hunderttausende Menschen vor Krieg und Verfolgung nach Deutschland. Es waren überwiegend junge Männer. Viele sind noch nicht richtig angekommen, andere haben es geschafft und sind mittlerweile sogar in Ausbildung.
Deutsch zu lernen, eine Ausbildung zu machen oder zu arbeiten, sind die wichtigsten Bausteine für die Integration. Da es für Betriebe in Deutschland immer schwieriger wird, neue Auszubildende zu finden, haben Flüchtlinge mit beruflichen Fähigkeiten gute Aussichten auf einen Ausbildungsplatz. Dies bestätigt die „Ausbildungsumfrage 2018" des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit befinden sich aktuell aus den acht häufigsten Asylherkunftsländern 55.000 Menschen in einer Ausbildung. Die Zahl ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen, 2015 waren es noch 6.600 Auszubildende. Wann Flüchtlinge eine Ausbildung anfangen dürfen, hängt von ihrem Aufenthaltsstatus ab und ist ähnlich wie bei der Arbeitsaufnahme geregelt. Einige haben es geschafft, sich eine Zukunft aufzubauen. Ein paar von ihnen stellen wir an dieser Stelle vor:
Restaurant „Kreuzberger Himmel": Matiullah Hussainzai und Ismaila Jatla
Matiullah Hussainzai steht hinter der Bar, schenkt ein Glas Wein ein und begrüßt die nächsten Gäste. Im Restaurant „Kreuzberger Himmel" macht er eine Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe. „Ich arbeite gern hier. Es ist gut, sich beruflich etwas aufbauen zu können", sagt der gelernte Maler aus Afghanistan. Militante Gruppen aus Pakistan wollten das Geschäft seines Vaters schließen, Matiullah Hussainzai stand auf ihrer Liste. Er versteckte sich, floh über den Iran und die Türkei nach Serbien. 2015 kam er in München an, nach drei Jahren in Cottbus dann in Berlin. Ismaila Jatla aus Gambia gehört zum Team des Restaurants. Schon mit 13 Jahren hat er Lkw gefahren, um das Schulgeld für seine Geschwister zusammenzukriegen. Im „Kreuzberger Himmel" macht er eine Ausbildung zum Koch. In Gambia wurde er von der Polizei abgeholt und verhört. Er schaffte es nach Libyen, 2015 mit dem Boot nach Italien und über die Schweiz nach Berlin. Seine Familie in Gambia musste den Wohnort wechseln, Ismaila hat keinen Kontakt zu ihnen.
10 Nationen arbeiten in der Küche
In dem Kreuzberger Restaurant arbeiten Geflüchtete aus zehn Nationen. Die Karte bietet arabische Küche. Ins Leben gerufen hat den „Kreuzberger Himmel" 2018 der Journalist Andreas Tölke, der im August 2015 den Verein Be an Angel gründete, um geflüchtete Menschen beim Ankommen in Deutschland zu unterstützen. „Der Optimismus und der Lebenswille sind immer wieder beeindruckend", sagt er. Alle wollen sich eine Zukunft aufbauen und ihr eigenes Geld verdienen. Einer fragte bereits nach drei Monaten im Restaurant „Kreuzberger Himmel", wie er ein eigenes Geschäft aufbauen kann, ein anderer bekam einen Ausbildungsplatz im Fünf-Sterne-Hotel „Sheraton Berlin". Tölke weiß noch nicht, ob sie den aktuellen Lockdown überleben werden. Spenden, vor allem von der Sparkassen Stiftung, haben anfangs sehr geholfen.
Malereibetrieb Kaminski + Brendel: Zeashan Abbas und Mostafa Pirus
„Wir hatten Lust zu helfen, uns sozial zu engagieren und den Menschen mit viel Motivation eine Zukunft zu geben", sagt Malermeister Christian Lehmann von Kaminski + Brendel in Mariendorf, einem der größten und ältesten Malerbetriebe Berlins. Vier Geflüchtete haben sie schon ausgebildet, ein weiterer ist gerade in Ausbildung und einer kommt noch im Februar dazu. Zu den Ausgelernten gehört Zeashan Abbas aus Pakistan. Die Religionskonflikte zwischen Sunniten und Schiiten machten das Leben in seiner Heimat gefährlich. Seine Eltern rieten ihm wegzugehen. Mit einer Gruppe von 20 Leuten fuhr er in einem kleinen Auto über den Iran in die Türkei, gelangte über das Mittelmeer nach Griechenland. „Die Leute waren sehr gastfreundschaftlich, aber ich hatte dort keine Perspektive", erinnert er sich. Sein Kollege, der Auszubildende Mostafa Pirus, flüchtete mit seiner ganzen Familie aus Afghanistan.
Übungswerkstätten für das Handwerk
„Dort ist seit Jahrzehnten Krieg", sagt der 21-Jährige. Zudem liebte sein Bruder ein Mädchen, das zwangsverheiratet werden sollte. Das war für die Soldaten Grund genug, die ganze Familie zu bedrohen. Auf einem kleinen, völlig überfüllten Boot erreichten sie Griechenland, das Boot hinter ihnen schaffte es nicht. In Berlin lernte Mostafa Deutsch und konnte mithilfe von Arrivo bei Kaminski + Brendel eine Ausbildung zum Maler anfangen. „Alles läuft super. Es ist, als würden wir uns ewig kennen", sagt der Azubi, der Deutsch wie ein Muttersprachler spricht. Deutschland ist jetzt seine Heimat. Der Ausbildungsleiter weiß seine Mitarbeiter zu schätzen. „Wir sind froh, dass wir sie haben. In Berlin finden wir keine geeigneten Auszubildenden und wir brauchen sie dringend", sagt Stefan Kühn.
Übungswerkstätten der Ausbildungsinitiative Arrivo Berlin: Javid Rezai
Auch Javid Rezai kommt aus Afghanistan. Am liebsten würde er Krankenpfleger werden, doch dafür reicht seine Schulbildung nicht. Da er viel auf dem Bau gearbeitet hat, tun sich im Handwerk Chancen auf. In den Übungswerkstätten von Arrivo lernt er viele Berufe kennen. Er besucht einen Deutschkurs sowie Kurse zur Verarbeitung von Holz. Zum Programm gehören auch zweiwöchige Schnupperpraktika bei den Innungen. „Wir versuchen, Wunsch und Realität zusammenzubringen", sagt die Arrivo-Leiterin Franziska Hartmann. Aktuell werden 52 Geflüchtete von Sozialarbeitern betreut. Sie durchlaufen ein Programm zur Berufsorientierung bis hin zum Bewerbungstraining. Die Übungswerkstätten in Kreuzberg konzentrieren sich auf die Qualifizierung für handwerkliche Berufe. Die Übungswerkstätten wurden 2014 als Pilotprojekt gegründet. Heute zählen zu der Dachmarke Arrivo zehn Teilprojekte für verschiedene Berufsbereiche. „Die Arbeitsmarktintegration spielt bis heute eine zentrale Rolle, denn der Bedarf und die Bedeutung dieser sind für die Integration nach wie vor sehr groß", sagt Johny Van Hove, der Projektleiter der technischen Koordinierung. Die damalige Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen legte den Grundstein für den Aufbau der Ausbildungsinitiative. Rund 1.000 geflüchtete Personen wurden durch Arrivo seit 2015 in eine Ausbildung oder Arbeit begleitet.