Kein Holz, kein Kunststoff, kein Dämmstoff: Auf deutschen Baustellen wird das Material knapp. Vor allem Holz ist rar und damit exorbitant teuer geworden. Mittlerweile rechnet die deutsche Bauwirtschaft trotz guter Auftragslage mit Kurzarbeit.
Die Konjunkturaussichten sind gut, die Auftragsbücher voll. Aber der Bauwirtschaft in Deutschland fehlt das Material: Dämmstoffe, Holz, Kunststoffe sind plötzlich rar geworden. Die Preise steigen – wegen Handelskonflikten und starker Nachfrage auf dem Weltmarkt.
Die deutsche Forstwirtschaft sieht sich angesichts stark steigender internationaler Holzpreise benachteiligt und hat bereits zu Gegenmaßnahmen aufgerufen. Der Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates, Georg Schirmbeck, rief die Waldbesitzer in Deutschland zu einem „Sägestreik" auf. „Ich sehe keine andere Möglichkeit mehr, als meinen Verbandsmitgliedern zu sagen: „Stoppt das Sägen, lasst die Bäume stehen", sagte Schirmbeck in der „Neuen Osnabrücker Zeitung". Hintergrund sind die zuletzt stark gestiegenen Preise für Schnittholz. Dieses wird nach Angaben der Branche vor allem nach Nordamerika und China exportiert, wo die Bau-Branche boome. Nach Einschätzung der Bauwirtschaft dürfte Bauen hierzulande teurer werden – auch wegen der aktuell gestiegenen Holzpreise.
Dies sieht auch die Bauwirtschaft in Baden-Württemberg so. „Seit Jahresanfang sind die Baumaterialpreise aufgrund der weltweit starken Nachfrage teils drastisch nach oben gegangen", sagte Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, in Stuttgart. Die Verbraucher müssten deshalb damit rechnen, dass sich ein klassischer Massivbau im Schnitt um bis zu fünf Prozent und ein Holzbau um bis zu zehn Prozent verteuere. Immobilien- und Wohnungsunternehmen im Südwesten rechnen zudem aufgrund fehlender Materialien mit Verzögerungen.
Helmut Zimmer ist Dachdeckermeister im Saarland und engagiert sich stark in der Existenzgründung für angehende Betriebsinhaber. „Es ging so weit, dass manche befreundeten Handwerker ihr Material zusammenwarfen, um genügend aufzutreiben und ein Dach fertig einzudecken", erklärt er. Fensterlieferanten warnen vor Engpässen, Malerbetriebe erhalten keine Farbe, weil die Kunststoffe für Eimer fehlen. Preisbindungen von maximal einer Woche seien noch möglich, alles andere sei Spekulation. Viele Betriebe gingen zu Hamsterkäufen über, um ihre Kunden weiter bedienen zu können und ihre Aufträge abzuarbeiten.
Diese Situation sei jedoch ein Preisthema, kein Mangelthema, so der saarländische Wirtschaftsstaatssekretär Jürgen Barke. Das Thema soll in der kommenden Runde der Landeswirtschaftsminister angesprochen werden. Das Saarland wolle Gelder bereitstellen, um Betriebe, deren Existenz dadurch gefährdet ist, und Bauherren, deren Bau plötzlich unerwartet teuer wird, zu unterstützen.
Mit Blick auf Lieferengpässe bei bestimmten Baumaterialien rechnet die Bundesvereinigung Bauwirtschaft (BVB) in absehbarer Zeit nicht mit einer Erholung. „Wir müssen davon ausgehen, dass sich die Materialversorgung in den nächsten Wochen leider nicht normalisieren wird", teilte der Verbandsvorsitzende, Marcus Nachbauer, mit. „Es wird daher vermehrt zu Behinderungen im Baustellenbetrieb kommen. Eine zunehmende Anzahl unserer Unternehmen erwartet, Kurzarbeit anmelden zu müssen."
Pandemie und Handelskonflikte bremsen Konjunktur
Das Problem umfasse demnach weiterhin „etliche Rohmaterialien", darunter Kunststoffe, Kupfer, Dämmstoffe und Holz. Nachbauer forderte vom Bund verlängerte Erleichterungen bei der Beantragung des Kurzarbeitergeldes bis Ende dieses Jahres für alle Betriebe.
Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hat zeitweilige Exportbeschränkungen im Kampf gegen die Rohstoffknappheit in der EU ins Spiel gebracht. „Bei Holz, Kunststoffen, Baumaterial, aber auch Stahl bekomme ich aus dem Handwerk, aber auch aus der Automobilindustrie immer mehr Hilferufe wegen der Lieferengpässe und sprunghaft ansteigender Preise", sagte Tiefensee. Er plädierte für eine schnelle Ausweitung der Stahl- und Kunststoffproduktion, der Sägewerkskapazitäten und für eine Erschließung von Recycling- oder alternativen Rohstoffen. Als Ultima Ratio seien aber auch temporäre Exportbeschränkungen durch die EU denkbar. „Wenn wichtige Rohstoffe hier benötigt werden, dann müssen wir dafür sorgen, dass sie auch hier verfügbar sind." Ähnlich äußerte sich Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer. Der teils drastische Preis-Anstieg bei Baumaterial stelle viele Bau- und Ausbau-Gewerke vor enorme Probleme, sagte Wollseifer dem „Münchner Merkur". „Sollte sich die Lage unserer Betriebe weiter verschärfen, sollten angesichts der wirklich sehr angespannten Situation zumindest interimsmäßig Exportbeschränkungen angedacht werden.
Zwischen den kurzfristig stark gestiegenen Preisen und der ursprünglichen Preiskalkulation klaffe bei vielen Betrieben jetzt häufig ein großes Loch, sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). „Wenn die Betriebe den Vertrag dann ohne Preis-Anpassung erfüllen müssen, machen sie faktisch Verluste." Das stelle nicht wenige Handwerksunternehmen vor existenzielle Probleme. Schlimmstenfalls drohe die Insolvenz.
Als Ursachen für die Rohstoffknappheit machte Wolfgang Tiefensee vor allem reduzierte Produktions- und Transportkapazitäten weltweit infolge der Corona-Krise aus. Außerdem gebe es eine erhöhte Nachfrage aus China und den USA. „Die sprunghaft gestiegene Nachfrage in den USA bei gleichzeitig deutlich höheren Margen für die Produzenten lassen den Export über Gebühr wachsen und fegen den europäischen Markt leer", sagte Tiefensee. Staatssekretär Barke stimmte Branchenvertreter in einem Pressegespräch darauf ein, dass Alternativen gefunden werden müssten, um das Problem zu umgehen – alternative Baustoffe wie auch genossenschaftliche Zusammenschlüsse. Denn die aktuellen Preissprünge werden die Bauwirtschaft und damit auch die deutschen Häuslebauer noch eine ganze Weile begleiten.