Nadine und Sascha Becker haben sich der Lichtkunst verschrieben. Ihre poetische Kunst zwischen Licht und Schatten – Lightpainting Moselle – fasziniert hüben und drüben, über die Grenzen.
Jetzt wissen wir, was ihr macht, wenn die Rollläden runter sind." Diesen Satz hörten Nadine und Sascha Becker nach ersten Veröffentlichungen in französischen Zeitungen, in denen statt ihres Pseudonyms ihre Klarnamen bekanntgegeben wurden und über ihr ungewöhnliches nächtliches Hobby berichtet wurde: das Lightpainting.

Die beiden Fotokünstler bringen Licht ins Dunkel – um es einfach auszudrücken. Sie bringen das Innerste zum Leuchten, sie erwecken verlassene Orte zum Leben, sie bringen Magie in Industrie-Ruinen, sie lassen Leuchtblumen (Fleurs de la Lumière) auf Wiesen sprießen, sie lumineszieren Gesichter und bringen überraschende Charakteristika der Porträtierten hervor. Kurzum: Sie experimentieren mit unterschiedlichen Lichtquellen in der Fotografie.
Wichtigste Utensilien sind dabei Lampen, Leuchtstäbe, Wunderkerzen, Lichtschwerter, Kostüme, Masken, Akkuschrauber, Feuerlöscher und Stativ.
Für das Handwerkliche an der Bildentstehung ist Sascha zuständig. Umsetzung, Choreografie, Farbgestaltung und Timing sind Nadines Steckenpferde.
Leuchtblumen – Fleurs de la Lumière
Das Lichtmalen, das sich vor über sechs Jahren eher zufällig entwickelte, ist mittlerweile ein fester Bestandteil des Alltags der beiden Kosmopoliten geworden. Das Ehepaar zählt mittlerweile zu den „Profis" unter den Lightpaintern.
„Wir starteten damals den Versuch, uns in Frankreich anzusiedeln. In Spicheren kauften wir zwei Baguettes und fuhren weiter nach Südfrankreich", erzählt die heute 44-jährige Lehrerin. „Nach zwei Wochen hat das Baguette immer noch geschmeckt, und wir haben uns letztendlich in Saargemünd ein Haus gekauft. An einem Wintertag haben wir ein Video über Lightpainter aus Kanada und Deutschland gesehen und dachten: ‚Das probieren wir auch aus‘. Sascha ist mit einer Lichterkerze durch den Schnee gerannt, ich habe ihn mit Langzeitbelichtung aufgenommen. Das Ergebnis hat uns ermutigt weiterzumachen. Unsere ersten experimentellen Fotos haben wir dann Freunden gezeigt, die meinten, wir müssten unbedingt eine Ausstellung machen. Wir meinten damals: ‚So ein Quatsch.‘ Eher aus Spaß haben wir dann Bilder für einen Wettbewerb in Berlin eingereicht und haben auf Anhieb einen Platz in der Ausstellung gewonnen. Französische Zeitungen wurden auf uns aufmerksam, ein Artikel über unsere ungewöhnlichen Fotoarbeiten wurde veröffentlicht, und wir wurden gefragt, was wir noch so vorhätten. Spontan habe ich gesagt: ‚Einen Stadtrundgang‘. Dazu haben sich dann so viele Interessierte angemeldet, dass wir daraus einen Workshop konzipiert haben, für den wir das Saarbrücker Kinohaus Camera Zwo als Partner gewinnen konnten. Das schlug wiederum so viele Wellen, dass uns ein französischer Autohersteller anrief und sich von uns sein neues Lichtsystem in Szene setzen ließ." „Wir wurden sozusagen immer tiefer in unsere Art zu fotografieren hineingezogen", ergänzt der 47-jährige Sascha Becker, der beruflich das Maurerhandwerk erlernt hat.

Mittlerweile haben die beiden ihr Können und ihre Techniken immer weiter perfektioniert. Was sie dabei genau machen, erklärt Sascha mit einfachen Worten: „Wir werfen mithilfe einer Langzeitbelichtung Spuren ins Dunkel und malen daraus Figuren." Was sich erst einmal simpel anhört. Doch wer die Bilder der beiden Fotomaler gesehen hat, ahnt, dass hinter der Kunst der beiden mehr steckt, als mal mit der Kamera und ein paar Wunderkerzen durch die Dunkelheit zu ziehen.
„Wir überlassen nichts dem Zufall"
Akribische Vorarbeiten sind unabdingbar. Das Motiv wird zuerst bei Tage fotografiert, dann wird auf Zeichenpapier eine Idee für die Lichtmalerei entwickelt, Abstände vermessen, Startpunkte festgelegt, von denen aus Sascha mit entsprechenden Lichtquellen durch das Motiv springt, rennt, schreitet – je nachdem, was die Choreografie von Nadine vorgibt. Wir überlassen nichts dem Zufall. Wir haben das alles genau mathematisch berechnet", erklärt Nadine. „Und selbstverständlich wird bei uns kein Bild mit Photoshop bearbeitet."
Statt in ihrem abgedunkelten Wohnzimmer gehen die experimentellen Fotokünstler heute auf Motivsuche in stillgelegte Industrieanlagen, verlassene Ruinen und unterirdische Burganlagen. Aber auch in Wäldern und Parkanlagen malen sie ihre Fantasiefotos mit Licht und Schatten.
Dabei stehlen sich die beiden nicht klammheimlich zu verbotenen Orten, sondern „wir painten nur dort, wo es erlaubt ist. Dabei legen wir Wert darauf, dass wir verantwortlich mit Umweltgegebenheiten umgehen und keine Spuren hinterlassen. Wir arbeiten viel mit Feuer, Brennflüssigkeiten, Brennstäben et cetera. Deshalb haben wir auch immer einen Feuerlöscher dabei und vermeiden es im Sommer, an trockenen Orten mit brennenden, funkensprühenden Materialien zu arbeiten."
Manchmal erhalten die beiden sogar offizielle Einladungen, wie zum Beispiel von der Stadtverwaltung Saargemünd. „Am Stadtrand steht ein altes verlassenes Hospital. Darin durften wir – auf ausdrückliche Empfehlung eines kulturaffinen Saargemünder Architekten – nach Herzenslust ‚malen‘. Gerne suchen wir auch in den Vogesen nach alten Gemäuern. Dort sind wenig künstliche Lichtquellen, das erleichtert unsere Arbeit. Hier kommt uns zugute, dass die Franzosen nicht glauben, alles beleuchten zu müssen. In einer alten Ruine haben wir Jugendliche getroffen, die des Nachts friedlich gefeiert haben. Sie waren sehr interessiert an unserer Arbeit. Einmal haben wir es sogar mit Geisterjägern zu tun gehabt, die mit Richtmikrofonen die Seelen verstorbener Soldaten aufspüren wollten. Im ersten Lockdown haben wir in einer Kapelle gearbeitet. Keine Menschenseele, dafür aber unzählige Stechmücken. Über 40 Stiche habe ich am nächsten Tag gezählt. Abends sind wir zu unserem Schutz mit einem Moskitonetz wieder an die gleiche Stelle gefahren. Es hat nichts genutzt. Stattdessen haben wir die Zähne zusammengebissen und haben uns nicht vertreiben lassen."

Ein weiterer Lieblingsort der beiden sind die Wassergärten in Reden. Hier ist eine ganze Serie unter dem Namen „Künstlerische Dokumentation historischer Stätten" mit Bergbaumotiven entstanden – eine Reminiszenz an Nadines Großvater, der 40 Jahre auf der Grube malochte.
Ab und zu arbeiten die beiden auch mit Lightgirls – also Models – zusammen, die sich gerne im Stil des Lightpaintings ablichten lassen.
„In Saargemünd sind wir als die verrückten Deutschen mit den Lampen bekannt. Die französischen Medien berichten regelmäßig über uns. Das Verhältnis der Franzosen zur Kunst ist anders als in Deutschland. Hier wird die Kunst mit anderen Augen angesehen." Die mediale Aufmerksamkeit hat den Lightpainter Moselle (LPM57) – wie sie sich als Hommage an ihr europäisches Kunst- und Völkerverständnis nennen – auch schon erste zahlungskräftige Kunden für ihre exklusive Kunst beschert. „Kürzlich hat eine türkische Bank ein großformatiges Glasbild aus einer unserer ständigen virtuellen 3D-Ausstellungen von uns gekauft. Auch viele Privatpersonen kommen auf uns zu und lassen illuminierte Portraitaufnahmen von sich anfertigen. Das ist eine Spezialität von Sascha. Mit Lichtpinsel – sprich gebündelten Glasfasern – streichelt Sascha dafür den Models über Gesicht oder Körper. Es entstehen fantastisch-mystische Aufnahmen. Ein junges Mädchen aus Auersmacher hat ihre Porträtaufnahme auf Facebook veröffentlicht und dafür über 4.000 Likes bekommen. Sie schrieb uns in einem ganz lieben Brief: ‚Ich wusste gar nicht, dass ich so hübsch aussehe‘. Das ist das schönste Kompliment, das man uns machen kann."
Auf internationalen Ausstellungen vertreten

Eine weitere Spezialität, die Sascha Becker beherrscht, ist die Refraktografie. „Bei dieser fotografischen Technik, die nur von ganz wenigen Fotografen in der Welt praktiziert wird, bricht ein Glaskörper, der vor die Kamera gehalten wird, das Licht. Die Lichtquelle ist dabei stecknadelkopfgroß. Die Kamera selbst wird ohne Objektiv genutzt, nur der Sensor der Kamera nimmt die Lichtbrechung auf. Irre Bilder kommen dabei raus. Schon die kleinste Bewegung lässt andere Formen und Farben entstehen." Einige dieser Bilder hängen in Industriegebäuden, Banken und Hotels in Frankreich und Deutschland.
Ihre Bilder werden international ausgestellt, außer in Saargemünd und Berlin auch in Zürich und Barcelona. Sogar im saarländischen Landtag hängt eines ihrer Redener Wassergarten-Bilder. Bei der Abschluss-Ausstellung „Pictures of Pop" wurde das Bild ausgewählt. „Uns hat das sehr erfreut, dass wir – obwohl wir in Frankreich leben – teilnehmen durften."
Noch ausbaufähig sind die neuen Experimente in Sachen Kalligrafie, geometrische Formen und reine Fantasie. Da haben die beiden schon einige gute Erfahrungen gemacht. In jüngster Zeit hat sich noch ein neuer Aspekt ihres Arbeitens entwickelt. „Mehrere Musiker haben bei uns angefragt, ob wir das Cover ihrer neuen CD gestalten wollen oder ob wir zusammen musikalische Ausstellungen planen et cetera. Das hört sich spannend an." Auch mehrere große und kleine Unternehmen sind auf das Ehepaar aufmerksam geworden und haben besondere Auftragsarbeiten angefragt. „Als Unikate, versteht sich."
Am liebsten würden Nadine und Sascha Becker die Lichtmalerei zum Hauptberuf machen. „Die Krönung für uns wäre es, wenn wir nach Norwegen übersiedeln und dann am Nordkap im Dunkel der Polarnacht mit dem Polarlicht arbeiten könnten." Die Aussichten stehen gut für die beiden.