Im globalen Wettbewerb ringen die USA und China um die Vormacht. Für das exportorientierte Saarland sind beide Märkte wichtige Partner. Wie immer gilt dabei: Die richtige Strategie ist dabei ebenso wichtig wie Psychologie und Mentalität.
Für Professor Huang Liaoyu in Peking ist es bereits Abend, für Mark Lesselroth in New York noch früh am Morgen. Im Saarland konnte man die Mittagspause nutzen, um sich beim Online-Talk der „Saarbrücker Europa-Runde" zu den aktuellen Handelsbeziehungen mit beiden zu beteiligen. Und da wurde schnell klar, dass die unterschiedlichen Zeitzonen in der digitalen Welt noch die kleinsten Hürden sind, die es in den Beziehungen über die Kontinente hinweg zu überwinden gilt.
Für die stark exportorientierte Saarwirtschaft gilt nach den Worten von Oliver Groll, Geschäftsführer und Leiter des Kompetenzzentrums Außenwirtschaft bei der IHK Saar: „Wir sind abhängig vom Welthandelsklima. Aber das ist nie überall gleichzeitig schlecht". Zwei Drittel der saarländischen Exportleistungen spielen sich in der EU ab, das andere Drittel geht in den Rest der Welt. Das Verhältnis sei relativ stabil gewesen, bis der Brexit das etwas verschoben hat.
Verflechtungen durch Automobilwirtschaft
Die letzten 20 Jahre waren die USA und China für das Saarland unter den Top Ten, sowohl beim Import als auch beim Export. „Die Amerikaner sind in den letzten zehn Jahren mehr oder weniger beständig aufgestiegen als Exportziel, insbesondere in der Zeit, in der die EU gekriselt hat", betont Groll. Und dabei seien die USA im Jahr 2020 auf Platz zwei vorgerückt, hinter Frankreich. Vor allem Automobilteile haben das Geschäft geprägt. Die saarländische Wirtschaft liefert in die Produktion vor Ort, „man kann sagen, überwiegend in die Produktion deutscher Hersteller dort vor Ort". China, aktuell auf Platz sieben der Exportliste, ist etwas abgerutscht. „Die Automobilwirtschaft ist also der Hauptgrund, warum wir so verflochten sind mit den USA und mit China. Das gilt auch umgekehrt beim Import". Wobei sich das Bild etwas ändert. Bei China spielen Automobilteile die Hauptrolle, in den USA steht an erster Stelle der Import von Pharmazeutika. „Das ist ein neuer Trend im Saarland und spielt bei Import und Export eine immer größere Rolle".
Dass sich die Verhältnisse zwischen den USA und Europa, insbesondere Deutschland und damit auch dem Saarland in den vier Jahren Trump-Administration deutlich verändert haben, ist hinlänglich bekannt. Mark Lesselroth, gebürtiger Saarländer, Inhaber von Bio Port USA Syracuse, New York, berät Lifescience-Unternehmen beim Markteintritt in den USA. „Im Lifescience-Bereich ist Amerika Zielort Nummer eins, auch in Zeiten der Pandemie". Es habe immer schon eine „eine besondere Beziehung zwischen Amerika und Deutschland gegeben". Da hat sich einiges getan in den vier Jahren unter der Trump-Regierung. „America First" – das hat natürlich Vor- und Nachteile für die amerikanische Wirtschaft gehabt. Es gab Leute, die gesagt haben, wir sollten schon mehr hier produzieren. Das kann ich zum Teil auch nachvollziehen, wenn auch nicht in der Schärfe, wie es betrieben worden ist", schildert Lesselroth. „Aber man hat den Eindruck, dass es für die Geopolitik und das Verhältnis zwischen den Ländern und den Unternehmen negative Auswirkungen hat. Mit Biden sehen wir langsam aber sicher eine Rückkehr zur Normalität."
In der Tat hat sich unter Biden die zuvor angespannte Situation entschärft. Aber es ist auch klar geworden, dass sich damit grundlegende US-amerikanische Grundhaltungen nicht ändern. In der konkreten Praxis heißt das nach den Erfahrungen Lesselroths beispielsweise: „Was sich nicht ändern wird, ist die Erwartung, dass man sich hier vor Ort etablieren soll, wenn man in den USA Geschäfte machen will. Also einfach Produktion in Deutschland und dann Exportgeschäft nach Amerika wird wahrscheinlich weniger erfolgreich sein. Umso mehr, wenn man sieht, was in der Pandemie mit Lieferketten passiert war. Ich kann zu jedem aus dem Lifescience-Bereich, in dem ich tätig bin, sagen: ‚Wenn ihr in Amerika ein Geschäft machen wollt, solltet ihr bereit sein, zumindest ein Büro hier zu eröffnen‘." Oliver Groll hält seine Erfahrung dagegen: „Aus täglicher Beratungspraxis wissen wir: Natürlich führt bei wachsendem Erfolg nichts an einer Präsenz vor Ort vorbei. Aber natürlich wird auch erst mit dem reinen Verkauf getestet und versucht, Kunden zu finden. Wenn das weiter expandiert, sucht man jemanden vor Ort."
Professor Huang Liaoyu ist Germanist an der Universität Peking, insofern nicht mittendrin im Tagesgeschäft der Handelsbeziehungen, aber als Direktor des Zentrums für Deutschlandstudien aus acht sozial- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen ein aufmerksamer Beobachter der politischen und damit auch atmosphärischen Rahmenbedingungen. Die reinen Fakten sind bekannt: Seit 2017 ist China größter Handelspartner für Deutschland, 2020 hat China die USA abgelöst als wichtigstes Exportzielland für deutsche Waren. Zahlen, von denen Huang überzeugt ist, „dass die vor allem Bayern, Baden-Württemberg und Saarland interessieren: Knapp 40 Prozent der Gewinne der deutschen Automobilindustrie werden in China erwirtschaftet. 40 Prozent der Mercedes-S-Klasse und der VW-Modelle werden in China verkauft". Das klingt nach einer Erfolgsstory. Wären da nicht andere Perspektiven. „So wie man sich über diese Zahlen freuen kann, so besorgt ist man über die jetzige politische Stimmung. Die Stimmung zwischen China und der EU, zwischen China und Deutschland ist nicht so gut." Zum Beleg nennt Huang zwei Faktoren. „Diplomatische Beziehungen zwischen der BRD und China sind 1972 aufgenommen worden. Waren die politischen Zustände im damaligen China besser als heute? Natürlich nicht. Damals befand sich China noch in der Kulturrevolution, die in jeder Hinsicht eine Katastrophe war." Und heute? „Die deutsche Chinapolitik wird wesentlich von den USA beeinflusst. Franzosen sind unabhängiger in ihrer Außenpolitik." Für Huang ist wichtig, dass man chinesische Verhaltensweisen und Reaktionen auch vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen einordnet, ebenso wie die Erwartungshaltungen. „Aus Sicht eines Chinesen sollte es vielleicht mehr Realismus geben in der Politik in Deutschland und weniger Ideologie und transatlantischer Einfluss."
Pandemie schärft Blick auf die Kluft
Dabei beobachtet man in China sehr aufmerksam die gravierenden Veränderungen seit dem Amtsantritt von US-Präsident Biden und die europäischen, vor allem auch deutschen Reaktionen: „Nach dem Regierungswechsel in den USA hat man in Deutschland aufgeatmet, manche in Deutschland sagen: Der große Bruder ist wieder da." Und die USA versuche, wie es auch vor der Trump-Administration Tradition war, Europa im globalen Wettbewerb auf seiner Seite zu haben. Was dabei in China besonders registriert worden ist, ist der ungebrochene Anspruch: „Amerikaner sagen ganz klar: Wir müssen unsere geopolitischen Interessen verteidigen". Auch die Erfahrungen in der Pandemie haben merkliche Spuren hinterlassen: „Während der Pandemie wurde viel antichinesische Propaganda gemacht. Das hat die Beziehungen sehr verschlechtert. Trotzdem wollen wir China öffnen. Wir haben sehr viel profitiert von den Entwicklungen der vergangenen vier Jahrzehnte. Wir wollen, dass sich die Beziehungen soweit wie möglich normalisieren. Das wird aber sehr schwierig."
Auch aus amerikanischer Sicht hat die Pandemie einiges noch einmal schärfer sichtbar gemacht, betont Lesselroth: „Es hat sich einiges verändert, selbstverständlich, das fängt schon mit den Reisebeschränkungen an. Man hat aber vor allem gesehen, wie unterschiedlich die Kulturen sind, obwohl man glauben würde, dass es ähnlicher ist. Deutschland ist etwas risikoscheu. In Amerikagilt: nichts gewagt, nichts gewonnen. Amerikaner sind eher bereit, wieder etwas zu machen, wenn sie die Chance sehen, Geld zu verdienen."