Pizza? Altbekannt. Aber Frittatine, Pasta e Patate und Zeppoline? Eher unvertraut. Das „Partenope #081" von Francesco Sconamiglio macht in Friedrichshain auf bodenständige neapolitanische Küche auch jenseits von Steinofen-Pizza aufmerksam.
Der Neapolitaner kennt keine Angst vor Frittierfett! Dieser Eindruck könnte im neuen „Partenope #081"entstehen, wenn man sich so wie die kulinarische Freundin und ich durch Frittatina, Palla di Riso und Zeppoline hindurchprobiert. Doch das täuscht. Die knusprig ausgebackenen Pasta- und Reisbällchen sowie Algen-Schleifen aus Pizzateig zählen zur Gattung Street Food. Und die wiederum wird in kleinen Einheiten genossen und kennzeichnet nur einen Teil der neapolitanischen Küche. Eine Pizza, die sich „a portafoglio" ins Brieftaschenformat falten und in eine Papierhülle stecken lässt, ist schließlich auch nichts anderes als To-Go-Essen alla Süditaliana.
„Partenope #081" bezieht sich auf die nach einer Sirene benannte antike Stadt auf dem Gebiet des heutigen Neapel. Hashtag und Ziffern stehen dagegen ganz neuzeitlich für die Vorwahl der Stadt, aus der „Partenope #081"-Inhaber Francesco Sconamiglio stammt. So schließt sich der Kreis von der griechischen Sirene Parthenope zu neuzeitlicheren Kommunikationsformen sowie zur bodenständigen neapolitanischen Küche.
„Die Pasta muss hier gegessen werden"
Uns lockt diese unüberhörbar in die nördliche Gärtnerstraße im Friedrichshain. Das „Partenope #081" liegt nahe der Ecke Grünberger Straße in dem mit Barken abgesperrten Teil der Straße. Es geht deshalb verkehrsmäßig recht ruhig zu. Die Gäste können sich auf den zur Terrasse umgewidmeten Parkplätzen oder an den Tischen auf dem Bürgersteig ergehen. Das Bezirksamt macht’s derzeit coronabedingt mit den Regelungen zur Nutzung von Straßenparkplätzen möglich.
Snacks wie die Reis- und Käsebällchen sowie Pizzen zum Mitnehmen sind ein Teil des Konzepts von Francesco Sconamiglio: „Die Leute setzen sich gern damit auf den Boxhagener Platz." Eines allerdings ist heilig: „Die Pasta muss hier gegessen werden, die kann keine drei Minuten warten." Da kennt bekanntlich kein Italiener Pardon. Essen ist eine ernstzunehmende Angelegenheit! Mit jeder Minute, in der die Nudeln abkühlen, gehen Geschmack und Ausdrucksstärke verloren.
Das wäre zu schade etwa bei den Paccheri, die uns mit einem hellen Ragù Genovese sowie mit einem roten Ragù Napoletano serviert werden. Für letzteres kommen Tomaten, Schweine- und Rindfleisch 24 Stunden gemeinsam in die Kasserolle. Butterweich zerfällt das Fleisch im Mund, ein paar Parmesanspäne und Basilikumblättchen steuern sommerliches Flair bei. Das weiße Ragù aus denselben Fleischsorten wurde mit viel Zwiebel zwölf Stunden lang geschmort und bekommt Pecorino obenauf gestreuselt.
Das alles hat nichts mit der international bekannten kleinteiligen Hack-Tomatensauce zu tun. Vielmehr beziehen sich die italienischen Ragùs namentlich auf ihre französisch Verwandten, die Schmorgerichte aus Fleisch, Fisch und Gemüse. In Italien wird Ragù zudem nie mit Spaghetti, sondern mit dickerer Pasta gegessen. Sie nimmt die Sauce besser auf. Ich mag die helle genuesische Variante sehr. Die Zwiebeln sind noch ausdrücklich vorhanden. Das großstückige Fleisch zerfällt erst auf der Gabel und dann im Mund. Alles bleibt mild und pur.
Auch glutenfreie Nudeln im Angebot
Seit viele jüngere Italiener ihr regionales Essen und ihren hohen Qualitätsanspruch nachdrücklich in Berlin verbreiten, existieren zahlreiche Möglichkeiten, bislang Unbekanntes und Charakteristisches aus unterschiedlichen Gebieten des „Stiefels" mit dem ziemlich langen Schaft kennenzulernen. Im „Partenope #081" ist das etwa die neapolitanische „Pasta e Patate con Provola". Für diesen gemischten Pastateller werden Kartoffeln als stückiges Gemüse in die Sauce eingebaut. Zutaten und Zubereitungsweise machen deutlich, dass es sich ursprünglich um ein Resteessen für wenig Betuchte handelte. Übriggebliebene trockene Nudeln mit identischer Kochzeit werden gemeinsam gekocht. In der Kartoffelsauce vereint sich das Umami-Aroma von mitgekochten Parmesanrinden-Stücken mit dem leicht geräuchertem Provola-Käse. Das Ergebnis sieht recht monochrom und unspektakulär auf dem Teller aus, ist aber köstlich.
Die im „Partenope #081" verwendeten Nudeln stammen aus Gragnano, der „City of Pasta" nahe Neapel, verrät Francesco Sconamiglio. Die Gäste können aus zehn Sorten wählen – von den schlanken Linguine über Fusili-Schrauben und röhrenförmigen Ziti bis zu den kurvigen Scialatielli mit quadratischem Querschnitt. Wer sich nun nicht mehr an lange und feine Nudeln zur Sauce traut: Einfach den Service fragen, was passt. Dann droht kein Spaghetti-Bolognese-Fail mehr! Im Land der Pasta haben auch Gäste mit Glutenunverträglichkeit üblicherweise ungetrübten Spaß. Mais als Pasta- und Pizzateigbasis ist weit verbreitet. Im „Partenope" geht das zumindest ansatzweise – nicht selbstverständlich in Berlin. Mit Ditaloni Rigati und Rigatoni stehen zwei glutenfreie Sorten zur Auswahl.
Bei der Pizza ist das leider nicht der Fall. In einem einzigen Steinofen ist die staubfreie Trennung schwieriger. Die Pizza-Teige sind eine Wissenschaft für sich. Sie bestehen bei „Partenope #081" aus einem Mix dreier Mehle: „Eines stammt aus einer privaten Mühle in Italien. Ein Vollkorn- und ein Mehl von Di Caputo kommen dazu." Genaueres wie Mahlgrade und Mischungsverhältnisse bleibt selbstredend Betriebsgeheimnis. Doch was nach 24-stündiger Teigruhe und zweiminütiger Backzeit bei 400 Grad den Ofen verlässt, kann sich sehen und schmecken lassen.
„Wir wollen gute Arbeit und alles frisch machen"
Von den roten Pizzen probieren wir eine mit Provolone aus Argerola und grob gemahlenem Pfeffer gepimpte „Margherita Provola e Pepe". Tomaten aus San Marzano, Parmesan, Basilikum und Olivenöl Extra Vergine machen sich zudem obenauf schmackhaft breit. Eine einfache Margherita gibt’s schon für sieben Euro, eine von Hause aus vegane Marinara mit Tomaten, Knoblauch und Oregano für 6,50 Euro. „Eine einfache Margherita soll nicht zehn Euro kosten, sondern für jeden erschwinglich sein", sagt Francesco Sconamiglio. Das klappt, auch und gerade mit wenigen, aber qualitativ hochwertigen Produkten.
„Ich hätte einen größeren Ofen kaufen sollen. In unseren passen nur drei Pizzen gleichzeitig hinein", bedauert er schon wenige Wochen nach dem Start. Aber so groß ist der Innenraum des Lokals auch nicht, der in der kälteren Zeit Platz für 15 Personen bietet. Die Vorspeisen beginnen etwa bei den Zeppoline Partenope bei 3,50 Euro. Eine Portion Polpettine di Parmigiana, ein kleiner Auberginenauflauf, kostet sechs Euro. Die Gäste haben das gerade erst Ende Juni eröffnete Lokal rasch für sich entdeckt. Für die 50 Plätze draußen ist ein einstündiges Zeitfenster vorgesehen; eine Reservierung könnte sich gerade am Wochenende empfehlen.
Manchmal prallen bei aller Liebe zur Saisonalität italienisch-kulinarische Ernsthaftigkeit und hartnäckige Gästeliebe aufeinander: Die Pizza Salciccia e Friarielli ist ein Liebling der Berliner, die danach permanent verlangen. Der Stängelkohl ist jedoch eigentlich ein Wintergemüse. „Den gibt’s nur im Dezember in guter Qualität frisch zu kaufen." Tiefgekühlter Friarielli landet nun auf der weißen Pizza, damit die Gäste auch im Sommer glücklich sind. Im Moment wird nach der ersten Karte gekocht, „aber wir haben noch mehr". Künftig soll alle sechs Monate teilweise durchgewechselt werden.
Francesco Sconamiglios Augen leuchten, wenn es um Provola geht. Sein Lieblingskäse? In jedem Fall ist er auf der Karte häufig vertreten. Ich soll unbedingt den „Gâteau di Patate" probieren. Unter einer Haube Kartoffelpüree verstecken sich Räucherkäse, Pecorino, Parmesan, Salami und Mortadella. Das ist würzig, schlotzig und eine kleine eigenständige und in jedem Fall sehr heiße Mahlzeit, wie mein Gaumen signalisiert. Ein anderes Schlemmertöpfchen ist der „Provola alla Pizzaiolo". Der Käse verschwindet gemeinsam mit einer Sauce aus Kirschtomaten und Oregano kurz hinter den Pizzaofen, damit er anschmilzt.
Bei so einer nicht gerade kleinen Karte, für die alles frisch zubereitet wird, geht es schon morgens geschäftig in der Küche zu. Teige, Ragús, Saucen, Fleisch, Fisch, Antipasti und Desserts wollen von den zwölf Mitarbeitern vorbereitet, anschließend gebacken, frittiert, angerichtet und serviert werden. „Wir wollen gute Arbeit und alles frisch machen", sagt Sconamiglio. „Dazu braucht es gute Leute." Das klappt. Das Essen ist nicht nur einfach lecker, sondern auch die Stimmung unter den Mitarbeitenden süditalienisch munter. Beste Voraussetzungen also für ein neapolitanisch-sommerliches Stündchen mit einem Teller und einem Glas Wein mitten im Friedrichshain.