Silberscheibe oder digitaler Download? Diese Frage stellt sich für viele PC-oder Konsolenspieler immer seltener. Früher ging nichts ohne Spiele-CD oder -DVD, noch früher nichts ohne Diskette. Heute lösen Download-Käufe und Streaming-Angebote den klassischen Silberling nach und nach komplett ab.
Ältere Generationen von Computerspielern können ein Lied davon singen, welchen Platz ihre Computerspiele-Sammlung früher im heimischen Regal eingenommen hat und heute noch im Keller verstaubt. Doch genau wie in der Musikindustrie ist auch in der Spielewelt die digitale Scheibe mehr und mehr auf dem Rückzug. Nahmen noch vor einigen Jahren die Top-Spiele in den Filialen der großen Eletronikfachmärkte gleich mehrere Regalreihen in Anspruch, beschränkt sich das Angebot an Spielen auf Discs dort heute auf eine weitaus kleinere Fläche und ist allenfalls noch selektiv.
Seit dem zunehmenden Ausbau des Internets mit immer schnelleren Geschwindigkeiten auch für Otto Normalverbraucher lassen sich große Datenmengen bequem in kürzester Zeit auf die Festplatten des heimischen Rechners oder der Konsole schaufeln. Vorbei die Zeiten, in denen man am frühen Abend den Download gestartet hat, den Rechner über Nacht rödeln ließ und am nächsten Morgen mit bangem Blick auf die Fortschrittsanzeige blickte – um nicht selten entnervt festzustellen, dass der Download irgendwann zwischendrin mit einer Fehlermeldung abgebrochen wurde und man von vorne beginnen musste. Heute genügt meist ein Klick, und selbst umfangreiche Spiele lassen sich – je nach persönlichem Internettarif – binnen weniger Minuten oder ein, zwei Stunden von entsprechenden Plattformen herunterladen.
Platzhirsch unter diesen Spieleplattformen ist Steam des Unternehmens Valve. Bereits 2003 wurde die Plattform aus der Taufe gehoben, damals noch, um den hauseigenen Ego-Shooter „Half-Life 2" an den Mann und die Frau zu bringen. Heute findet man etwa 40.000 Titel auf der Plattform, mehr als 9.200 davon wurden nach Angaben der Analyse von Market Research Telecast alleine im Jahr 2020 dort veröffentlicht. Doppelt so viele wie noch vier Jahre zuvor. Im Schnitt wurde demnach alle 53 Minuten ein neues Spiel auf Steam veröffentlicht.
Keine Plattform für alle Spiele
Darunter finden sich angesichts der schieren Menge an Spielen auch eine Vielzahl sogenannter Indie-Spiele, also Veröffentlichungen kleiner Softwareschmieden, die etwa in den Regalen der Märkte noch nie einen Platz hatten. Dort fanden und finden sich nur die Großen der Branche. Bei Steam nehmen die Indies sogar zwei Drittel der im vergangenen Jahr veröffentlichten Spiele ein, laut erwähntem Bericht genau 6.376. Das bedeutet umgekehrt, dass Steam seinen Umsatz vor allem aus den Top-Titeln generiert. Im vergangenen Jahr stammten nach Angaben von Market Research Telecast 90 Prozent des Umsatzes aus gerade einmal fünf Prozent der angebotenen Titel, exakt sogar aus nur 464 Spielen.
Tatsächlich finden sich aber auch beim Marktführer längst nicht alle Toptitel. Geschuldet ist dies der Tatsache, dass der Markt immer mehr aufgesplittet wird und sich interessierte Spieler inzwischen längst auf mehreren Plattformen tummeln müssen, um ihr Lieblingsspiel zu finden. Das liegt daran, dass der eine oder andere Große der Branche seine Spiele selbst oder zumindest teilweise selbst vermarktet. Da diese Vertriebsplattformen an das eigene Entwicklerstudio angekoppelt sind, gibt es für die eigenen Spiele häufig Sonderkonditionen oder auch erweiterte Unterstützung für die Spieler.
Spieleentwickler Activision Blizzard beispielsweise vermarktet seine digitalen Titel ausschließlich über seine eigene Plattform. Dazu gehören etwa die Rollenspiel-Klassiker der „Diablo"-Reihe oder „World of Warcraft" sowie „Starcraft" oder „Overwatch" und die beliebte „Call of Duty"-Reihe. Das hauseigene
Battle.net ermöglicht es Spielern weltweit, ihr Spielerlebnis online miteinander zu teilen und die Spiele sowohl gemeinsam als auch solo anzugehen. Spielegigant Electronic Arts betreibt über die Plattform Origin ebenfalls einen eigenen Store, allerdings sind viele der Top-Titel (etwa „Fifa"-Reihe, „Star Wars"-Spiele, „Need for Speed"-Reihe) auch anderswo zu finden. Der Spieleklassiker „Sims" hingegen ist nur hier erhältlich.
Ähnliches gilt für die Plattform von Ubisoft. Hier finden sich etwa die „Far Cry"-Reihe, alle Titel von „Assassin’s Creed", aber auch die Spiele-Umsetzungen, die auf Basis des verstorbenen US-Bestseller-Autors Tom Clancy beruhen, wie etwa die „Rainbow Six"-Reihe.
Seit knapp drei Jahren mischt mit dem Epic Store ein weiterer Player mit, der vor allem immer wieder mit satten Rabatten lockt und regelmäßig auch Spiele an seine Mitglieder verschenkt. Der Spieleknaller „Fortnite" aus dem eigenen Hause ist beispielsweise nur über den Epic Store zu bekommen.
Was vor allem für den PC-Markt gilt, gibt es natürlich auch für die Konsolen. So betreiben etwa auch Microsoft (Xbox) und Sony (Playstation) eigene Plattformen, auf denen Spieler digitale Inhalte kaufen und direkt auf die Konsole laden können. Microsoft bietet seine neueste Konsolengeneration in einer abgespeckten Version, der Einstiegsversion, sogar erstmals ganz ohne Laufwerk an, sodass Spieleinhalte hier nur noch per Download den Weg auf die Festplatte finden. Zweifelsohne mehr als nur ein Versuchsballon Richtung rein digitaler Zukunft.
Ohnehin geht das Unternehmen schon länger einen eigenen Weg und versucht zunehmend, eine Art Leasingdienst für Spiele zu etablieren. Grundlage dafür ist der sogenannte Game Pass, den es in verschiedenen Abstufungen gibt. Für eine monatliche Gebühr können Spieler etwa 100 Games sozusagen leasen. Man kauft die Spiele nicht mehr, sondern mietet sie solange, wie man ein entsprechendes Abo eingeht oder Microsoft die Spiele wieder von seiner Plattform nimmt. Zwei Besonderheiten machen diesen Game Pass für Spieler durchaus attraktiv, denn das Abo bietet auch ohne weitere Kosten Zugang zu EA Play, also den Spielen von Publisher Electronic Arts. Weiterer Clou: Viele Spiele lassen sich sowohl auf der Xbox-Konsole als auch auf dem PC spielen. Microsoft verbindet beide Welten miteinander.
Spiele Streamen statt kaufen
Die Idee des Leasings ist durchaus clever, denn nur selten werden einzelne Titel häufiger durchgespielt. Oftmals fristen einmal durchgezockte Spiele ihr Dasein danach als digitale Leichen auf der Festplatte – oder im Fall des Kaufs als Silberscheibe im heimischen Regal. In beiden Fällen nehmen sie auf jeden Fall Platz weg. Spiele, die man dennoch mehrmals und längerfristig spielen möchte, lassen sich dagegen oft zum Vorzugspreis kaufen und dauerhaft runterladen.
Auch Google hat den Spielemarkt für sich entdeckt und bietet mit Google Stadia ebenfalls eine eigene Plattform an – und doch eine völlig andere. Wie ein Streamingdienst für Filme oder Musik streamt Stadia Pro für 9,99 Euro monatlich die Spiele direkt auf Desktop-Computer, Laptops, kompatible Smartphones und Tablets oder Fernseher mit Chromecast Ultra. Alles, was man dafür braucht, ist die aktuellste Version des Chrome-Browsers, eine Internetverbindung mit einer Geschwindigkeit von mindestens 10 Mbit/s, eine Maus und eine Tastatur für den PC oder einen anderen Controller, der per USB-Kabel oder Bluetooth mit dem entsprechenden Endgerät verbunden werden kann. Es gibt kein Warten mehr auf Downloads, Updates oder Installationen. Damit sind Streams in 1.280x720p-Auflösung und eine Bildwiederholfrequenz von flüssigen 60 frames per second (fps) und Stereosound möglich. Für ein Erlebnis in Full-HD (1.920x1.048p) sollten es 20 Mbit/s sein, für eine 4K-Auflösung 35 Mbit/s.
Zwar ist das Angebot an Toptiteln hier derzeit noch überschaubar, aber auch Kracher wie das neue „Fifa 22" oder die „Far Cry"-Reihe – inklusive des demnächst erscheinenden sechsten Teils – sind hier ebenso zu finden wie etwa „Star Wars"-Spiele oder Titel der „Assassin’s Creed"-Reihe und vieles mehr. Zudem wächst das Angebot stetig. Der Clou dabei: Man braucht nicht stets die neueste Hardware. Statt Spiele lokal auf einem Gaming-PC oder einer Konsole wie der Xbox oder der Playstation zu berechnen, werden sie bei Stadia auf Servern im Internet berechnet und per Videostream zum Spieler übertragen. Das könnte der endgültige Todesstoß für die einst so beliebte CD/DVD im Spielesektor sein.