Es gibt heute jede Menge Vorschläge, wie die ökologisch erforderliche CO2-Reduzierung erreicht werden kann. Erstaunlicherweise wird aber dabei ein CO2-Emittent stets aus den Augen verloren: das Bier!
Seine Frische und sein Aroma verdankt es nämlich nicht zuletzt den winzigen Bläschen, die nach dem Einschenken eine Zeit lang nach oben steigen. Diese Bläschen sind mit CO2 gefüllt, das nach und nach in die ohnehin schon stark belastete Umwelt entweicht!
Ein ökologisch bewusster Biertrinker sollte deshalb immer sehr schnell trinken!
Das französische Wissenschaftler-Duo Gérard Liger-Belair und Clara Cilindre von der Universität Reims, durch seine zuvor viel beachtete Champagnerblasen-Untersuchung wohl auf den Geschmack gekommen, hat jetzt auch die Blasenbildung im Bier erforscht. Ergebnis: Die Anzahl der Blasen hängt von der jeweiligen Kohlendioxid-Konzentration ab, die im Bier bei 5,5 Gramm pro Liter liegt. Nach Messungen der Franzosen setzt ein Viertelliter frisch eingeschenktes Bier 200.000 bis zwei Millionen CO2-Bläschen frei.
Eigentlich interessieren uns ja Details von Blasenuntersuchungen anderer Leute so gut wie gar nicht, aber jedem Biertrinker kommt doch hier sofort der Verdacht auf, dass die beiden Champagner-Wissenschaftler mit ihren Forschungen womöglich nur vom CO2-Gehalt im Edel-Schaumwein ablenken und die Biertrinker als Öko-Schädlinge brandmarken wollen! Immerhin hat das französische Duo selbst ermittelt, dass Champagner-Perlen größer und zahlreicher sind als Bierperlen.
Im 100ml-Sektglas steigen etwa eine Million Bläschen an die Oberfläche und setzen so acht Gramm Kohlendioxid pro Liter frei: also 50 Prozent mehr als beim Bier, das dank seiner kleinen Blasenschwäche im Vergleich zum Schampus echt umweltfreundlicher ist.
Wir geben zu, dass wir manche Berufsgruppen um ihr Betätigungsfeld beneiden: Während wir Journalisten am Laptop mühsam nach Worten ringen, können die Bier- und Sektforscher entspannt aufsteigende Perlchen in leckeren Getränken beobachten und dadurch sogar promovieren. Und womöglich dürfen sie ihren Untersuchungsgegenstand hinterher sogar konsumieren, um sich die Bläschen fachmännisch auf der Zunge zergehen zu lassen?
Keinesfalls aber wollen wir hier den Verdacht wecken, die Blasenuntersuchungen seien möglicherweise durch Alkoholgenuss beeinträchtigt worden.
Das Thema Bierblasen verursachte aber nicht nur beim Duo Liger-Belair/Cilindre enormen Wissensdurst. So haben US-Forscher ebenfalls im Dienste der Wissenschaft einige Pullen geleert und eine Entdeckung präsentiert, die Bierfreunde Jahrhunderte lang nicht vermisst hatten: Die im Bierglas aufstrebenden Bläschen sind anfangs rund und nehmen beim Aufsteigen dann eine elliptische Form an. Leider haben wir selbst darauf bisher nicht geachtet!
Die Amerikaner haben sich aber allein mit dieser aufregenden Blasenverwandlung nicht zufriedengegeben, sondern ermittelt, dass die Formveränderung vom Runden zum Elliptischen immer genau dann erfolgt, wenn die Blase einen Durchmesser von 0,7 Millimeter erreicht. Wie konnte uns das nur entgehen, obwohl wir schon oft sehr tief ins Glas geschaut haben?
Wenn wir dann lesen, dass der Blasenradius pro Aufstiegssekunde um vier Hundertstelmillimeter wächst, nehmen wir das ebenso erregt zur Kenntnis wie den Umstand, dass sich alle 0,54 Sekunden eine neue Blase vom Glasboden löst, bis das Bier abgestanden ist.
Da auch uns ein gewisser Forscherdrang eigen ist, machten wir umgehend die Probe aufs Exempel: Selbst nach zwölf Bierchen konnten wir die angebliche Veränderung der Blase – unsere eigene jetzt mal ausgenommen –
nicht bemerken. Unseren Endzustand würden wir auch eher als „rund“ denn als „elliptisch“ bezeichnen. Lediglich die beim Aufstiegsvorgang nachgewiesene Radiusvergrößerung der Bläschen ist für uns nachvollziehbar.
Auf dem Weg der Bläschen vom Magen in den Kopf scheint deren Radius derart zugenommen zu haben, dass wir noch zwei Tage lang einen dicken Brummschädel hatten!
LEBEN

Foto: picture alliance / Zoonar
Viel Spaß bei der Blasenuntersuchung Tragen Biertrinker ahnungslos zur Kohlendioxid-Belastung der Umwelt bei?
Peter Schmidt, 70, ist ehemaliger Bundesligaprofi des 1. FC Saarbrücken und war nach der Fußballkarriere als Journalist und Lehrer tätig. Heute betreibt er
ein Pressebüro in Riegelsberg und ist
als freier Autor tätig.
Leben - Kolumne
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