Manon Scharstein war Teilnehmerin eines Comic-Kurses der HBK Saar. Sie setzte eine alltägliche Situation aus dem Studentenleben zeichnerisch und pointiert um.
Schießen Sie mal los!", fordert Manon Scharstein. Die 26-Jährige ist Berlinerin. Die Interviewerin lacht, ist aber nicht wirklich überrascht. So kennt man die Berliner. Forsch und unverblümt und nicht selten ruppig. Deutschlands Bundeshauptstadt ist kein Pflaster für Zartbesaitete. Die von der Spree Zugereiste studiert seit Herbst 2019 Kunst in Saarbrücken. Wie kam es dazu, dass die Wahl auf das Saarland fiel? „Das war ein lustiger Zufall", verkündet Manon Scharstein munter. Ausgangspunkt war, man glaubt es kaum: Halle. Manon Scharstein bewarb sich bundesweit, ein Jahr hatte sie sich für Erkundungen und Bewerbungen an den Kunsthochschulen Zeit gegeben. In Halle traf sie Luise, die ebenso auf Bewerbertour war. Man kommt ins Gespräch. Luise erzählt von der HBK Saar, Manon empfiehlt Braunschweig. Diese Kunsthochschulen böten Chancen auch für diejenigen, die noch nicht „tausend Mappen-Kurse besucht und sich fünf Jahre in Folge beworben haben", lautet ihr Befund. Prompt werden beide in Halle abgelehnt, aber beide an den Kunsthochschulen Braunschweig und Saarbrücken angenommen. Luise folgt Manons Empfehlung: Braunschweig. Manon folgt Luises Empfehlung: Saarbrücken. Auf Instagram halten die Kunststudentinnen Kontakt. Schlussendlich gab das sprichwörtliche Zünglein an der Waage den Ausschlag für das Saarland, denn die Berlinerin hatte einen gravierenden Mentalitätsunterschied ausgemacht und zwar bereits während der Zeit ihres Aufenthalts für die Bewerbung an der HBK Saar: „Wirklich alle sind viel offener und herzlicher als in Berlin, deshalb habe ich mich auch für das Studium hier entschieden."
„Viel offener und herzlicher"
Kann ein Studium an einer kleineren Hochschule Vorteile haben? „Total! Am Anfang hatte ich mir das noch schöngeredet", reflektiert Manon Scharstein ihre Entscheidung und fährt mit ehrlicher Begeisterung fort: „Gerade in der Kunst ist Vernetzung unglaublich wichtig. Das Beziehungknüpfen, das geht an einer kleinen Hochschule total gut, gerade wenn man so kontaktfreudig ist wie im Saarland. Ich bin unheimlich schnell hier angekommen." Ihre Erklärung, warum sie gar nicht erwogen hat, in Berlin zu studieren: „Ich habe mir schon gedacht, dass das nicht cool wird, dort geht man eher verloren. Da hat man auch keinen so guten Kontakt über die Hochschule, weil die über die ganze Stadt verteilt ist. Die Uni ist ein riesiger Kosmos wie die Stadt an sich."
Derzeit reichert Manon Scharstein ihr Kunststudium durch ein Austauschsemester in Belgien an. Die Luca School of Arts in Gent kooperiert mit der HBK Saar. Das Erasmus-Programm, ein Förderprogramm der Europäischen Union, steht Studenten teilnehmender Universitäten offen. Dass Frankreich und Belgien eine große Tradition im Bereich Comic und Illustration pflegen, ist bekannt. Auch die belgische Bewerbungshürde hat sie genommen – selbst ohne „tausend Mappen-Kurse".
Dass die Wahl ihres Studiums in Richtung Kunst gehen würde, dafür legte wohl auch die Berliner Oberschule mit Kunstschwerpunkt und sechs Stunden Kunst pro Woche einen Grundstein. Die 16-Jährige Manon lebte obendrein ihre Passion aus, indem sie jeden Tag einen Comic zeichnete, über drei bis vier Jahre entstand ein Tagebuchcomic. Beim Durchblättern ist sie heute, zehn Jahre später, amüsiert. Es ist leicht auszudenken, dass dieser Lebensabschnitt in gezeichneter Form mit dem Fortschreiten der Jahre an persönlichem Wert gewinnt.
„Interaktion und Zusammenhalt"
Lediglich ein Semester hat die Studentin des Studiengangs Kommunikationsdesign an der HBK Saar im Normalmodus erlebt. Dann kam Corona. „Das Studium an der HBK während Corona war natürlich genauso ätzend wie alles andere während Corona", erzählt sie und berichtet, wie sie die Situation meisterte, „ich bin im AStA (Allgemeiner Studierendenausschuss der Universität des Saarlandes; Anm. d. Red.) und dort haben wir versucht, gemeinsam so viel wie möglich an Interaktion und Zusammenhalt mit den alten und neuen Studis zu schaffen – durch Online-Kennenlerntreffen und Online-Partys. Aber der wirkliche Austausch, der, wie gesagt, ja das Wichtige und auch das Schöne an so einer kleinen Hochschule ist, hat schon sehr gefehlt." Manon Scharstein hat jedoch festgestellt, wegen mangelnder Ablenkung produktiver gewesen zu sein. „Schon aus Langeweile macht man dann nochmal zwei, drei Comics mehr." Dieser Fleiß brachte für den online abgehaltenen Comic-Kurs an der HBK Saar bei Tim Kamp besondere Ergebnisse. Manon Scharstein zeichnete sieben Cartoons. Aufgabe war ein Thema aus FORUM – Das Wochenmagazin aufzugreifen und zeichnerisch in einer pointierten Idee umzusetzen. Das Setting der Cartoonistin: Eine Zweier-Wohngemeinschaft sucht einen neuen Mitbewohner für die WG. Diese Situation kennt die Studentin selbst zur Genüge, sowohl aus Berlin als auch aus Saarbrücken. Drei „Castings" habe sie für Saarbrücken absolviert, alle online. Keine Filmrolle ist gemeint, sondern ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft. Manon Scharstein sagt tatsächlich „Casting". Heute wohnt sie in einer ZweierWG. Im Cartoon-Casting sprechen alle möglichen Bewerber vor. Darunter: das Coronavirus, Ernest Hemingway und Olaf Scholz. „Ich wollte diese alltägliche Situation aufwerten, die für unsere Generation typisch ist.", erläutert die Zeichnerin. Ihre Cartoons testete sie vorab bei ihrer Mitbewohnerin, erst dann legte sie sie Tim Kamp vor. Er sagt über die „Ein-Bild-Gags": „Schöne Idee, starke Storys. Ihre Cartoons verleiten zum Schmunzeln oder zum laut Lachen!"