Beim Klimagipfel sind sie vorgeprescht: Mehr als 30 Staaten, Unternehmen wie Mercedes und Ford sowie Investoren haben sich in Glasgow dazu verpflichtet, bis 2040 nur noch emissionsfreie Autos zu liefern. Der deutsche Staat aber ziert sich – wegen E-Fuels.
Das Aus ist beschlossene Sache, jedenfalls, wenn man jene Selbstverpflichtung betrachtet: Wie der britische Gastgeber des Klimagipfels mitteilte, wollen 24 Staaten, sechs große Auto-Hersteller sowie einige Städte und Investoren sich auf ein Enddatum für den Verkauf von Autos mit Verbrennermotor festlegen. Die beteiligten Regierungen wollen „darauf hinarbeiten, dass alle Verkäufe von neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen bis zum Jahr 2040 weltweit und in den führenden Märkten bis spätestens 2035 emissionsfrei sind". Die Autokonzerne sollen demnach anstreben, spätestens 2035 in führenden Märkten nur noch emissionsfreie Autos und Vans zu verkaufen. Zu den beteiligten Unternehmen gehören der britischen Mitteilung zufolge Mercedes, Ford und General Motors.
Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums sagte auf der Weltklimakonferenz in Glasgow, Deutschland werde die Erklärung zu Null-Emissions-Autos „heute nicht unterzeichnen". Das sei das Ergebnis der regierungsinternen Prüfung. Offenbar bestehe innerhalb der Bundesregierung zwar Konsens, dass bis 2035 nur noch Null-Emissionsfahrzeuge zugelassen werden sollen. „Allerdings besteht nach wie vor keine Einigkeit zu einem Randaspekt der Erklärung, nämlich der Frage, ob aus erneuerbaren Energien gewonnene E-Fuels in Verbrennungsmotoren Teil der Lösung sein können." Das Umweltministerium halte E-Fuels in Pkw mit Blick auf Verfügbarkeit und Effizienz „genau wie die Unterzeichnerstaaten nicht für zielführend".
Der noch geschäftsführende Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte dem Vorstoß zuvor schon eine Absage erteilt. Die Erklärung berücksichtige den Antrieb mit synthetischen Kraftstoffen nicht, rügte er. Deshalb sei sein Ministerium dagegen.
Besitzen E-Fuels ein so hohes Potenzial, dass sie Deutschlands Entschluss, sich dieser Vereinbarung anzuschließen, verhindern könnten?
Deutschland investiert in Synthetik-Kraftstoffe
E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe. Versuche, Biokraftstoff mithilfe von Nutzpflanzen wie Mais zu gewinnen, sind wegen des immensen Flächenverbrauchs für den Anbau kaum sinnvoll. Stattdessen soll nun grüner Ökostrom mithilfe von Elektrolyse, Kohlendioxid und Wasserstoff miteinander zu einem Benzinersatz verbinden. Das CO2 stammt dabei aus der Industrie oder der Umgebungsluft. Der so gewonnene synthetische Kraftstoff weist Ähnlichkeiten mit Benzin oder Diesel auf und kann in Verbrennermotoren eingesetzt werden. Beim Verbrennen des Kraftstoffes wird nur so viel CO2 emittiert, wie bei der Herstellung eingesetzt wurde – in der Bilanz klimaneutral also. Zum Vergleich: Ein Liter verbranntes Benzin verursacht laut der deutschen Helmholtz-Forschungsgemeinschaft 2,37 Kilo CO2, Diesel 2,6 Kilogramm.
Das erste Problem hierbei: E-Fuels tragen nicht dazu bei, die Gesamtbilanz an CO2 zu senken, sie erhöhen sie aber auch nicht – wenn der Strom, der für die Produktion unerlässlich ist, CO2-frei hergestellt wird, sprich aus Wind- oder Solarenergie kommt. Davon wird allerdings jede Menge gebraucht: Laut dem Öko-Institut müssten für nur 3,5 Prozent Anteil von E-Fuels am deutschen Kraftstoffverbrauch mehrere Tausend neue Off- oder Onshore-Windanlagen in Betrieb gehen, laut Bundesregierung kostet die Herstellung eines Liters derzeit 4,50 Euro. Der langsame Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland verzögert ohnehin eine marktwirtschaftliche Perspektive.
Das zweite Problem: die Effizienz. Während Elektrofahrzeuge laut der europäischen Umweltorganisation „Transport & Environment" von der Stromproduktion bis zum Nachladen 27 Prozent ihrer Energieeffizienz verlieren, sind es bei Wasserstofffahrzeugen von der Brennstoffproduktion bis zum Tanken bereits 78 Prozent, E-Fuel-Fahrzeuge dagegen bis zu 87 Prozent. Von der produzierten Energie käme im Auto letztlich also weniger als ein Drittel an.
Das dritte Problem: der Transport. E-Fuels werden wie andere Kraftstoffe flüssig transportiert – logistisch sinnvoll also per Schiff. Solange die Hochseeschifffahrt jedoch noch immer Millionen Tonnen Schiffsdiesel verbrennt, bleibt deren CO2-Fußabdruck auch weiter an der Kohlendioxid-Bilanz der E-Fuels haften.
Projekte, E-Fuels voranzutreiben, gibt es trotz dieser Probleme, zum Beispiel das des Dresdner Unternehmens Sunfire, welches in Norwegen eine Pilotanlage zur Synthese von E-Kerosin betreibt. Mithilfe von Norwegens hohem Anteil an Wasserkraft am Gesamtstrommix des Landes sollen dort jährlich zehn Millionen Liter E-Kerosin für Flugzeuge hergestellt werden – laut Sunfire ist der Effizienzgrad höher. Im Emsland hat bereits eine erste E-Kerosin-Anlage ihren Betrieb aufgenommen, 25.000 Liter will die Deutsche Lufthansa jährlich abnehmen und damit 0,5 Prozent ihres Kerosins ersetzen. Ein Tropfen auf den heißen Stein, marktreif ist die Technologie noch nicht.
Probleme bei Produktion, Effizienz und Transport
Der Einsatz von E-Fuel macht laut Experten aber nur dort Sinn, wo eine Dekarbonisierung technologisch schwierig ist – zum Beispiel in der Hochseeschifffahrt, bei Lkw-Flotten oder bei Langstreckenflugzeugen. Doch auch beim Autoverkehr scheint das letzte Wort noch nicht gesprochen zu sein. Porsche setzt nun unter anderem auf E-Fuels, um einen Teil seiner Fahrzeugflotte bis 2030 zu dekarbonisieren. Im Fokus stehen dabei besonders ältere Modelle. Daher baut der Autohersteller zusammen mit Partnern wie Siemens Energy in Chile eine E-Fuel-Anlage, die bis 2026 550 Millionen Liter jährlich herstellen soll. „In einem ersten Schritt spalten dafür Elektrolyseure mittels Windstrom Wasser in Sauerstoff und grünen Wasserstoff", erklärte Porsche gegenüber der Presse. „Anschließend wird CO2 aus der Luft gefiltert und mit dem grünen Wasserstoff zu synthetischem Methanol kombiniert, das wiederum in E-Fuel umgewandelt wird." Der Produktionsstart der Pilotanlage ist für Mitte 2022 vorgesehen.
Schon im März dieses Jahres forderte Minister Scheuer das Ende des fossilen Verbrenners bis 2025 statt 2050 – setzte aber gleichzeitig auf synthetische Kraftstoffe. Volker Quaschnig, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, bezeichnete E-Fuels in einem Tweet als „gigantische Materialschlacht". Um ein Auto mit E-Fuel zu betreiben, bräuchte man fünf Mal so viel Strom wie für ein Elektrofahrzeug. Seit Sommer 2021 fördert das Bundesverkehrsministerium die Forschung an E-Fuels mit 640 Millionen Euro.