Trotz Kochshows und Fitnesswahn ist die Lust auf schnelles Essen ungebrochen. Was Zeitknappheit, Image, Ignoranz oder Zuckersucht möglich machen, ist eine Vergrößerung des Angebots, aber keine Bewusstseinsveränderung bei den Konsumenten, sagt Ernährungsberaterin Anne-Sophie Kann.
Als „Kind der Currywurst" war mein Wechsel von der Spiesen-Elversberger Grundschule aufs Neunkircher Gymnasium begleitet von den ersten McDonald’s-Besuchen. Ich war zehn und es war Sommer… Pommes mit Ketchup standen einschließlich Coke schon in den 80ern nicht nur bei den Kids hoch im Kurs. Was aber ungeahnte Anziehung besaß, waren die Burger! Egal ob Big Mac, Cheese- oder Hamburger: Beim „Goldenen M" schmeckten die „Frikadellen" besser als bei Muttern, oder zumindest anders. Außerdem war es hip, bei seinen Kameraden sagen zu können, man wäre bei Ronald McDonald zu Besuch gewesen. Jahre später werde ich nicht zum ersten Mal Zeuge einer Szene, die sich in meinem Leben schon öfter wiederholt hat: Um ihn zu besänftigen, versprechen Eltern dem übellaunigen Nachwuchs eine Einkehr im weltweit erfolgreichsten Fast-Food-Restaurant. Jubel bricht aus. Hat sich im Verbraucherverhalten über die Jahre also nichts verändert? Wer könnte solche Fragen besser beantworten als eine Ernährungs- und Diätberaterin.
Frau Kann, anfangs ein „go-to", war der Siegeszug der großen Fast-Food-Ketten so was wie konkurrenzlos, betrachtet man Wurstbuden nicht unbedingt als Gegenspieler. Bis dahin sprach man auch nicht von Fast Food. Was gehört denn zu dem Begriff, und was macht ihn aus, außer der Schnelligkeit, die das Wort schon suggeriert?
Der Begriff kam ja erst mit dem Öffnen der ersten McDonald’s-Filiale in Mode und hat sich seitdem gehalten. Insofern ist der Aspekt der Schnelligkeit, vom Zubereiten, zum Servieren und auch meistens bis hin zum Verzehr zentral für die Wortbildung. Mittlerweile sind auch gewisse Marken synonym zum Begriff. Man sieht sie dermaßen oft, dass damit automatisch etwas verknüpft wird, was völlig losgelöst vom dort servierten Essen funktioniert. Außerdem ist es unserem Zeitmanagement geschuldet, dass Fast Food immer beliebt bleiben wird. Man hat einen stressigen Tag, holt die Kinder von der Schule ab, und möchte nicht immer kochen.
Sind wir wie ein Pawlowscher Hund schon geprägt auf dieses Essen, und was triggert die Lust, uns immer wieder bei der Lieblingsladenkette anzustellen?
Es ist das Versprechen auf die gleichen „Gaumenfreuden", egal wo Sie auf der Welt ein solches Fast-Food-Restaurant besuchen. Egal ob New York, Rio, Tokio – die Produkte schmecken überall gleich. Es sind alleine schon die Farben der Logos und Bildmarken, die diese Lust auf schnelles Essen auslösen. Werden wir sensorisch im Gehirn durch optische Reizauslöser getriggert, kommt der Heißhunger von ganz alleine. Zu niedrige Dopamin- und Serotoninspiegel verursachen Heißhunger auf Nahrung und/oder Drogen wie Zucker und Alkohol. Wenn Sie Leute sehen, die Kekse, Kuchen, Dessert, Schokolade, Wein und Ähnliches essen oder trinken, sehen Sie nur ein Gehirn, das auf einen niedrigen Dopamin-Spiegel reagiert. Der Körper sehnt sich einfach nach der schnellsten Methode, den Insulin- und Dopamin-Spiegel zu erhöhen. Und Junkfood funktioniert gut dafür!
Was ist das Geheimnis des dauerhaften Erfolgs dieser großen Fast-Food-Ketten? Außer auf die universelle Verfügbarkeit haben Sie auf den hohen Zuckergehalt verwiesen. Ist dieser alleine Schuld, oder warum mögen wir diesen intensiveren Geschmack, der durch Aromen herbeigeführt wird?
Sogar ein mit mir gut befreundeter Sportler, der sich ansonsten gesund ernährt, hat mir „gebeichtet", er gehe ab und zu zu McDonald’s. Ich fragte ihn geschockt, was seine Motivation sei, zumal er wisse, dass er sich dort den letzten Müll reinzieht. Solange die pürierten Abfälle schmecken, ist es manchen Menschen offensichtlich gleich, aus was ihre Mahlzeit besteht. Soweit ich das sehe, verspricht keine Fast-Food-Kette, weniger Geschmacksverstärker einzusetzen. Da wird zwar die Logo-Farbe gewechselt, von Rot nach Grün, um den Vegetariern zu signalisieren, es gibt neben den Fleischgerichten Gemüseburger und Salat. Und sicherlich kann man über die Qualität der Salate und Gemüsepattys streiten. Aber alleine die Soßen, die nicht frisch zubereitet werden, haben eine Unmenge an Zucker und Geschmacksverstärkern in sich. Irgendwie müssen die ja haltbar gemacht werden.
Wie verhält es sich mit den direkten Konkurrenten von kleinen, aber feinen Burgerläden? Sind deren Produkte im Eins-zu-Eins-Vergleich hochwertiger und damit gesünder? Oder bleibt eine Portion Pommes unterm Strich eine Portion Pommes? Und wie reagiert die Kundschaft auf das wachsende Fast- Food-Angebot? Kommt damit ein Gesinnungswechsel hin zu gesünderen Imbissformaten?
Das ist sehr unterschiedlich. In meinem Freundeskreis zum Beispiel heißt es öfter, lass uns lieber zur „Burgerei" gehen. Ich habe nachgelesen, dass diese ihr Fleisch vom regionalen Metzger und die Brötchen vom ansässigen Bäcker bezieht, da ist alles total transparent und nachvollziehbar. Die Einstellung bei meinen Freundinnen und Freunden geht in die Richtung, lieber mehr Geld für ein frisch zubereitetes Essen auszugeben, als einen fast genauso hohen Betrag für indus-triell gefertigtes Fabrikessen. Zumal ich von einem frisch zubereiteten Burger mit Pommes und Salat richtig satt werde. Im Fast-Food-Restaurant braucht es die vierfache Menge, um das gleiche Sattheitsgefühl zu bekommen. Ich höre von anderen Studierenden trotzdem immer noch so was wie eine Ausrede, dass das Original Fast Food im herkömmlichen Sinn leistbarer sei, da gibt es wie gesagt durch die ganze Bevölkerung hindurch große Unterschiede.
Alleine die Anfang- bis Mitte-Zwanzigjährigen, die denken, sie können ihre Ernährung mit Sport ausgleichen, sind ein gutes Beispiel für einen Mangel an Bewusstsein. Es ist schon blanke Ironie, dass in Saarbrücken das McFit neben dem McDrive die gleiche Kundschaft zieht. Wo der Ernährungsstil zu einem gesunden Leben passt, da hat sich auch das Bewusstsein verändert, aber wenn die Blase, in der man sich bewegt, es nicht hergibt, dass man sich damit überhaupt beschäftigt, was durch eine falsche Ernährung dem Körper zugeführt wird, kann man auch keine Einstellung dazu erwarten.
Ganz im Ernst, meine Gegenüber geben stets an, nicht öfter als einmal in einem halben Jahr zum „Goldenen M" und anderen Läden zu pilgern. Woran liegt es denn, dass Menschen sich gemeinhin fast entschuldigen, wenn sie ein Fast-Food-Restaurant besuchen? Immerhin sind doch die Verpackungen nun umweltfreundlich.
Ich möchte Fast Food ja nicht komplett verteufeln. Es ist doch ganz normal, dass sich Menschen öfter mal etwas „Ungesundes" wie Döner oder Burger gönnen möchten. Aber bei meinen Beratungen lasse ich auch praktische Tipps einfließen, wie man sich dennoch besser ernähren kann. Dann ist Unwissenheit über die Ernährungsgrundlagen oft eine Reaktion, mit der ich konfrontiert werde. Ich denke, es kommt auf die Erziehung an. Dort, wo „gesunde Ernährung" in der Elterngeneration noch nie ein Thema war, wird es bei den Jungen auch keines werden. Letztlich sind wir ja alle Gewohnheitstiere. Unsere Gewohnheiten bestimmen auch unsere Vorlieben. Wenn sie nur frisch kochen und das von Kind an gewohnt sind, werden sie sich nur mäßig für Fast Food erwärmen können. Umgekehrt genauso.
Die Menschen, die uns aufsuchen, haben durchaus diese schlechten Gewohnheiten, wie zum Beispiel eine Zuckersucht. Um diese Gewohnheit in eine andere umzuwandeln, bekommen sie von uns erst einmal Pläne an die Hand. Wir verfolgen das Konzept nach Dr. Thiel, auch das „10 von 10 Konzept" genannt. Um zehn Kilo in zehn Wochen abzunehmen, haben wir Ernährungspläne bearbeitet und errechnet. Man merkt innerhalb der zehn Wochen, dass die Geschmacksnerven der Teilnehmenden regelrecht umprogrammiert werden, dass sie ihr Geschmacksempfinden umstellen. Wenn man aber auf einen Süßtrip oder Heißhunger programmiert ist, kommt man aus dem Teufelskreis, diesen fortwährend zu befriedigen, nicht mehr so leicht raus. Es wird viel Insulin ausgeschüttet, man fällt in das Kohlenhydrate-Koma, und dann geht es wieder von vorne los.
Wie verhält es sich mit den neu hinzugekommenen Alternativen, die Salätchen für den Single, die Wraps oder auch Sushi to go? Ist das genau der gleiche gesundheitliche Aspekt? Oder schon ein wenig gesünder?
Aufgrund des rohen Fischs, der darin verarbeitet ist, kommt der Snack nicht ohne irgendwelche Konservierungsstoffe aus der Kühlhaltetheke. Darüber hinaus haben Sie eine Menge weißen Reis, also viele einfache Kohlenhydrate. Ob das viel gesünder ist als ein Burger sei mal dahingestellt.
Bei den Fertigsalaten gibt es sicherlich qualitative Unterschiede. Wir raten unserer Kundschaft, sich eine frische Soße zuzubereiten und diese statt dem Fertigdressing zu benutzen. Auch anspruchsvollere Alternativen „to go" können das frische Kochen nicht ersetzen, da diese Streetfood-Variante immer noch eine höhere Energiedichte besitzt. Immer noch besser als das klassische Fast Food, aber wie gesagt, auch da werden Dinge vorbereitet und haltbar gemacht. Zu Hause hat man die Kontrolle darüber, wie etwas gegart wurde, ob mit Dampfsiebeinsatz oder nicht. Das weiß man bei den Alternativ-Angeboten nie.