Der Kampf gegen den Klimawandel ist ohne Innovation, aber auch ohne Verzicht nicht zu gewinnen: In Nancy diskutierten Studierende, Bürgermeister und Wissenschaftler aus Deutschland und Frankreich über Wege, Klimaziele rechtzeitig zu erreichen.
Wir haben Angst, wir sind wütend und wir sind unendlich traurig." Auf diesen Nenner brachten deutsche und französische Studenten im Alter von 18 bis 24 Jahren auf der abschließenden Podiumsdiskussion die Debatte um den Klimawandel auf der Veranstaltung „Les entretiens franco-allemands de Nancy". Dort diskutierten Ende November zwei Tage lang junge Menschen gemeinsam mit Wissenschaftlern sowie Bürgermeistern aus Großstädten Deutschlands und Frankreichs Lösungsmöglichkeiten zur Rettung des Klimas. Der wohl größte Vorwurf der jüngeren Generation an die etablierten Entscheidungsträger: Die Umweltziele seien nicht im Herzen aller Entscheidungen. Es werde zu viel geredet und zu wenig gehandelt. Das habe die jüngste Klimakonferenz in Glasgow wieder einmal deutlich gemacht. 40 Prozent CO2-Reduktion bis 2030 ist ein Minimum, um das 1,5°C-Ziel überhaupt erreichen zu können.
Harter Tobak für die im Podium vertretenen Oberbürgermeister Andreas Wolter aus Köln, Frank Mentrup aus Karlsruhe, Mathieu Klein aus Nancy und Stellvertreter Laurent Watrin sowie Dr. Valérie Masson-Delmotte vom Labor für Klima- und Umweltwissenschaften CFA und Co-Vorsitzende des Weltklimarats IPCC. Betonen die Lokalpolitiker in der Öffentlichkeit doch immer wieder gern, wie viel sie bereits für den Klimaschutz in ihren Städten tun.
„Wir sind darauf nicht vorbereitet"
Die Wissenschaftlerin Masson-Delmotte ging zum Diskussionsauftakt in ihrem Statement auf den menschengemachten Einfluss auf das Klima ein. „Wir sind auf die immer schneller kommenden Wetterereignisse nicht vorbereitet, auch nicht in den reichen Ländern." Die Flutkatastrophe im Ahrtal im Sommer habe das deutlich gemacht. Der Anstieg der Meeresspiegel sowie das Abschmelzen der Gletscher seien irreversibel; Hitzeperioden und Starkregen nehmen seit 2000 statistisch betrachtet immer mehr zu. Es sei nahezu schockierend, dass der jüngsten Studie der französischen Energie- und Umweltagentur ADEME zufolge ein Drittel der Franzosen daran zweifelt, dass Menschen das Klima beeinflussen würden.
Die Sensibilisierung der Menschen für diese Thematik sieht Laurent Watrin daher auch als eine der wesentlichen Säulen im Kampf um den Klimawandel an, gefolgt von der Kohärenz und der Kooperation. Menschen müssten einsehen, dass erfolgreiche Maßnahmen gegen den Klimawandel mit Verzicht einhergehen, zum Beispiel das Auto stehen lassen, zu Fuß gehen, das Fahrrad oder den Öffentlichen Personennahverkehr nutzen. Watrin verweist darauf, dass der Verkehr in Frankreich für rund 30 Prozent des klimaschädlichen CO2-Ausstoßes verantwortlich sei. Er sieht den Einstieg in die Elektromobilität und die Forcierung der Wasserstoffstrategie als wichtige Maßnahmen zum Gelingen der Verkehrswende. Gerade beim Wasserstoff gebe es wichtige Signale in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, beispielsweise das Infrastrukturprojekt „mosaHYc" mit einem rund 100 Kilometer langen Transportnetz für Wasserstoff zwischen Lothringen, dem Saarland und Luxemburg, der Bau von Elektrolyseuren zur Produktion von Wasserstoff oder die Nutzung von Wasserstoffzügen bei der Eisenbahn.
Kölns Oberbürgermeister Andreas Wolter erinnerte an die extremen Wetterereignisse im Sommer an Ahr und in der Eifel mit mehr als 200 Liter Regen auf einen Quadratmeter innerhalb von 36 Stunden. „Jeder könne sich wohl vorstellen, wenn so ein regionales Ereignis wie am Kleinfluss Ahr an den großen Flüssen Mosel oder Rhein passiert." Die Kosten von rund 40 Milliarden Euro für den Übergang zu regenerativer Energieerzeugung seien im Verhältnis zu den geschätzten Kosten von rund 30 Milliarden Euro zur Beseitigung der Hochwasserschäden allein an der Ahr ohne Berücksichtigung der Versicherungsleistungen und der vielen ehrenamtlichen Hilfe eher gering. Wolter betonte, dass die hochwassererprobte Stadt Köln bereits viele kleine Maßnahmen umsetze, um gegen die Folgen des Klimawandels besser geschützt zu sein. Als Beispiele nannte er den Bau von Regenwasserrückhaltebecken, die Ausweisung von mehr Retentionsplätzen in der Stadt für Hochwasser, eine andere Waldbewirtschaftung mit sturmresistenten und klimarobusteren Bäumen, den Schutz für Bäume auf privaten Grundstücken oder die Zusammenarbeit mit Klimabündnissen der Kommunen. Wolter ist Vorsitzender des Klimabündnisses und Vorsitzender des Deutsch-Französischen Ausschusses im Rat der Gemeinden und Regionen Europas. „Alles, was geschieht, passiert mit Bürgerbeteiligung. So auch bei der Hitzeaktionsplanung in Köln für mehr Grünflächen und Fassadenbegrünung in der Stadt. Was wir allerdings brauchen, ist noch mehr Unterstützung bei lokalen Projekten", so seine Forderung an die Bundes- und Landespolitik.
Mehr Konsum mit weniger CO2 kann nicht funktionieren
Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup zeigte Verständnis für die junge Generation, die bereits bei der letzten Bundestagswahl mehrheitlich grün und liberal gewählt hätte als die „etablierten Parteien" SPD und CDU. Aber es sei bei der Wichtigkeit des Klimaschutzes für alle Altersstufen unabdingbar, auch über den eigenen Lebensstil nachzudenken. „Obwohl Deutschland nur für zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist, können wir nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Viele Branchen lassen im fernen Ausland produzieren, was in unsere CO2-Bilanz gar nicht einfließt und in der Klimadebatte unehrlich ist. Deutschland steht in der internationalen Pflicht." In Karlsruhe gibt es fünf Bereiche, die für den Klimaschutz von Bedeutung sind. Bei Wärme und Strom nutzt die Stadt Tiefengeothermie und Photovoltaik und verfügt über ein grundlastfähiges Fernwärmenetz. Der Bereich Bauen und Sanieren ist ungelöst, eine energetische Katastrophe besonders beim Gebäudebestand aus den 60er-/70er-Jahren. In der Wirtschaft, die sich durchaus „grün" versorgen könnte, beklagt Mentrup die unzureichenden politischen Rahmenbedingungen. Und beim Thema Mobilität sind vor allem die Autos das Kernproblem. „Wir müssen den Autos etwas wegnehmen, zum Beispiel Parkplätze oder Stellflächen in der Stadt. Aber das ist den Menschen nicht immer leicht zu vermitteln."
Auch Mathieu Klein aus Nancy will den Autos „Platz" nehmen und die Autofahrten von derzeit 52 Prozent auf 30 bis 35 Prozent bis 2030 in seiner Stadt verringern. Mehr Elektroautos, eine Tram und das Fahrrad sollen es richten. Ohne Verzicht werde es aber nicht gehen. Immer mehr Konsum mit weniger CO2 könne so nicht funktionieren.
Die Gesellschaft wird sich ändern müssen, will sie die Klimakatastrophe noch halbwegs verhindern. Und das wird an der einen oder anderen Stelle auch schmerzhaft sein. Darin waren sich die Diskussionsteilnehmer einig. „Wir alle tragen die Konsequenzen des Klimawandels, der keine Grenzen kennt." Deutschland, das von den europäischen Partnern in Brüssel als Bremser gilt, wenn es um die Themen Kohle und Autoindustrie geht, und Frankreich, das gesellschaftlich als stark polarisiert gesehen wird, müssen sich zusammenraufen, um im deutsch-französischen Gleichschritt den Klima- und Umweltschutz in Europa voranzubringen.
Das Format der zweitägigen deutsch-französischen Veranstaltung in Nancy war dafür ein richtiger und wichtiger Schritt, dem aber ganz im Sinne der jungen Menschen nach den vielen Reden mehr Taten folgen müssen.