Im imposanten Schloss in Rheinsberg residierte einst für ein paar Jahre der spätere König Friedrich II. Die geschichtsträchtige Stadt ist auch ein idealer Ausgangspunkt für die Entdeckung nahezu unberührter Natur.
Natürlich wollen eigentlich alle Besucher auf direktem Weg zum Schloss. Sie sind vorbereitet und haben sich die verheißungsvollen Zeilen in Kurt Tucholskys Rheinsberg-Erzählung „Bilderbuch für Verliebte“ dick angestrichen: „Das Schloss leuchtete weiß, violett funkeln die Fensterscheiben in hellen Rahmen, von staubigen Lichtern rosig betupft, alles spiegelt sich im glatten Wasser. Baumgruppen standen da, rötlich-gelb beschienen mit schwärzlichen Schatten, sie warfen lange, dunkle Flächen auf den Rasen.“
Neckisch sind Claire und Wolfgang einander zugetan, ein wenig albern und sinnesfroh in diesem Text, mit dem der Satiriker und Journalist Tucholsky 1912 nicht nur die Prüderie des wilhelminischen Bürgertums verspottet, sondern auch den Großstadtmenschen für die unberührte Natur ins Schwärmen bringt. Im August 1911 fuhren Tucholsky und die Studentin Else Weil tatsächlich für einige romantische Tage nach Rheinsberg. Der angehende Schriftsteller und Schürzenjäger bewundert Else alias Claire, die 1917 die Zulassung als Ärztin erhält, promoviert und ein für diese Zeit fortschrittliches und emanzipiertes Frauenbild verkörpert. Die Romanze endet unglücklich und schlimm. Nach vier Jahren scheitert ihre Ehe mit dem Journalisten, 1938 flüchtet die Jüdin vor den Nazis nach Holland, wird 1942 bei einer Razzia aufgegriffen und ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert.
An Else Weils Schicksal erinnert eine kleine Tafel am Rheinsberger Ratskeller, und das ist gut so, weil viele Tucholskys „Bilderbuch“ kennen, aber nur wenige von den realen Tragödien dieser beiden wissen.
Rheinsberg ist also mehr als nur das Schloss und allemal einen Ausflug wert. So erwärmte sich noch ein weiterer bekannter Literat für diese Gegend. Theodor Fontane schilderte in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ Rheinsberg als einen Ort „… dessen Naturschönheiten nicht verächtlich und dessen historische Erinnerungen ersten Ranges sind.“
Kurt Tucholsky kam ins Schwärmen
Eigentlich fängt die Geschichte von Rheinsberg erst im 18. Jahrhundert an. Natürlich beginnt sie viel früher, als die Herren von Lindow und die Grafen zu Ruppin im 13./14. Jahrhundert am Ufer des Grienericksees eine feste Burg zum Schutz gegen die nördlich angrenzende Mecklenburg erbauen ließen. Aber so etwas war nicht ungewöhnlich. Der Vorhang zum eigentlich historischen Schauspiel öffnet sich erst 1732. Der Kronprinz von Preußen, Friedrich, übernimmt im benachbarten Städtchen Neuruppin ein Regiment, um vier Jahre später mit Gemahlin (aber in getrennten Schlafgemächern) das Rheinsberger Schloss zu beziehen. Das hatte zuvor sein Vater, Friedrich Wilhelm I., mit allerlei Ländereien und Wirtschaftsbetrieben gekauft, hier sollte sich der zuvor aufmüpfige Sohn auf sein künftiges Amt als erstem Diener des Staates vorbereiten.
Der Kronprinz nutzte die ländliche Abgeschiedenheit, um sich dem Studium der Philosophie, Geschichte und der Sprachen zu widmen, hier ersann er Gedichte und schrieb seinen ersten Brief an Voltaire. Aber auch in der Neugestaltung der Schlossanlage sollte sich der Geist des aufgeklärten Absolutismus ausdrücken. Diese Aufgabe wurde dem begabten Autodidakten und Baumeister Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff übertragen, der dem ganzen Areal einen lichten, heiteren Charakter verlieh. So geben die beiden Rundtürme und der helle Sandton der Fassaden dem Schloss einen außergewöhnlichen Charakter und hohen Wiedererkennungswert, malerisch eingefügt in die umgebende Landschaft. Ein geführter Rundgang durch die Räumlichkeiten lohnt sich ebenso wie ein Besuch des Kurt-Tucholsky-Literaturmuseums, das sich im Nordflügel des Schlosses befindet.
Aber auch schon ein Spaziergang durch den Park, der am Ufer des Grienericksees gestaltet wurde, ist reines Vergnügen. Angelegt in mehreren Etappen passt sich das weitläufige Areal der natürlichen Umgebung an, Sichtschneisen und verschlungene Pfade geben immer wieder überraschende Ausblicke frei. Mit ein wenig Fantasie lässt sich gut vorstellen, wie die adeligen Herrschaften zwischen künstlichen Ruinen, Steinbänken und Säulentempel lustwandelten. Direkt gegenüber dem Schloss ragt auf einer Anhöhe der Rheinsberger Obelisk empor, ein Denkmal für die preußischen Helden des Siebenjährigen Krieges (1756-1763). Dort prangen insgesamt 28 in Stein gemeißelte Namen von Generälen, Feldherren und anderen Adeligen, die Preußen zum Aufstieg als neue europäische Großmacht verhalfen. Der einfache Soldat findet in dieser Heldengalerie keine Erwähnung.
Ballett, Konzerte, Musiktheater
Wer nun durch die kleine Stadt bummelt, wird von der schlichten und weitgehend einheitlichen Architektur beeindruckt sein. Der Grundriss des heutigen Rheinsberg geht ebenfalls auf den Baumeister Knobelsdorff zurück, denn nach dem verheerenden Brand 1740 musste die Stadt fast vollständig neu errichtet werden. Die Häuser wurden ein- und zweigeschossig in Ziegelfachwerk errichtet – am besten erhalten sieht man sie in der zum See führenden Tucholsky-Straße. Als Flaniermeile gilt jedoch die Schlossstraße, in der sich zahlreiche Geschäfte, Buchhandlungen und Restaurants befinden. Am Rande des Wochenmarktes steht die St. Laurentiuskirche, ein schlichter, massiger Bau, der sich nicht so recht in den regelmäßigen Grundriss der Stadt einfügen will. Begonnen wurde mit dem Bau bereits im 13. Jahrhundert, der später erweitert und mit der Errichtung des schmucklosen Turms 1580 abgeschlossen wurde.
Als Mitbringsel aus Rheinsberg gibt es eigentlich nur eine Wahl: Es sollte schon Keramik sein. Im Keramikmuseum gleich neben der Kirche wird den Besuchern die Geschichte der Keramikkunst gezeigt, die hier auf eine 250-jährige Tradition zurückblickt. Dabei ist die bauchige Teekanne, braun marmoriert und mit gelber Bordüre verziert, der Klassiker. Und wer nicht bis zum jährlich im Oktober stattfindenden Töpfermarkt warten will, der findet im Keramikhaus in der Rhinpassage das passende Stück.
Und noch auf eine weitere Kunst versteht sich die Stadt. Die 1991 gegründete Musikakademie lädt ganzjährig zu Ballettaufführungen, Konzerten und Musiktheater ein und gilt als eine wichtige Talentschmiede für den musikalischen Nachwuchs landes- und bundesweit.
Wer auf Theodor Fontanes Spuren Rheinsberg erkundet hat, sollte zum Schluss in den berühmten „Ratskeller“ an der Ecke Schloss-/Königstraße einkehren. Der Dichter schätzte die deftige und ehrliche Küche und auch Tucholsky ließ Claire und Wolfgang in dem gelben Haus gegenüber dem Eingang zum Schloss nächtigen. Ob die Liebe oder die Kunst oder beides den Besucher in das geschichtsträchtige Städtchen Rheinsberg führt – es ist zu jeder Jahreszeit ein lohnendes Ausflugsziel und gewiss der ideale Ausgangspunkt für die Entdeckung nahezu unberührter Natur. Hier befindet man sich inmitten des Naturparks Stechlin-Ruppiner Land, umgeben von Laubwäldern und Seen, ideal fürs Wandern, Bootsfahrten und Fahrradtouren.