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WAS MACHT EIGENTLICH...

Harald Wohlfahrt 1998 in der Küche der „Schwarzwaldstube“ in Baiersbronn-Tonbach
picture-alliance / dpa | Bernd Weissbrod

… Harald Wohlfahrt?

Von 1972 bis 2017 leitete er die Küche der berühmten „Schwarzwaldstube“ im Baiersbronner Hotel „Traube Tonbach“ und ist der einzige deutsche Spitzenkoch, der 25 Jahre lang drei Michelin-Sternen hatte. Heute kocht der 66-Jährige edle Fertiggerichte für den Einzelhandel.

 

Heute kocht der 66-Jährige edle Fertiggerichte für den Einzelhandel
Heute kocht der 66-Jährige edle Fertiggerichte für den Einzelhandel - Foto: picture alliance/dpa | Philipp von Ditfurth

Als Harald Wohlfahrt 2017 nach fast 40-jähriger Tätigkeit in der edlen Baiersbronner „Schwarzwaldstube“ im Streit mit den Hoteleignern sein Drei-Sterne-Restaurant verließ, brach für manche Feinschmecker die Gourmetwelt zusammen. „Die 40 Quadratmeter Küche, die waren doch mein Leben“, sagte Wohlfahrt nach der Trennung dem „Spiegel“. 1978 hatte er als Sous-Chef in der „Schwarzwaldstube“ angefangen und machte ab 1992 als angestellter Küchenchef das Restaurant des Hotels „Traube Tonbach“ zu einem der international begehrtesten Gourmettempel. Seine vielen Schüler haben es bis heute in ihren eigenen Restaurants gemeinsam auf über 80 Michelin-Sterne gebracht. Allein vier von ihnen, darunter die im Saarland tätigen Christian Bau und Klaus Erfort, brachten es zu Drei-Sterne-Ehren: „So gesehen, ist das eine große Bestätigung für mich, dass ich meistens auf die Richtigen gesetzt habe“, sagte Wohlfahrt 2018 dem Magazin „World of Foods“.
Trotz seines großen Renommees ist Wohlfahrt nicht wirklich reich geworden. Als er im Rechtsstreit mit den Traube-Tonbach-Eignern 2017 seinem Anwalt den Gehaltszettel vorlegen musste, habe dieser erschrocken gerufen: „Um Gottes Willen, ich dachte, Sie hätten eine Finca auf Mallorca und eine Yacht.“ Er sei aber nie Inhaber der „Schwarzwaldstube“ gewesen, sondern immer Angestellter: „Ich habe nie gesagt: Entschuldigung, ich verdiene zu wenig. Das war ein Fehler“, verriet Wohlfahrt dem „Spiegel“. Abwerbeversuchen habe er widerstanden, weil er weder die „Schwarzwaldstube“ alleine lassen, noch seiner ohnehin gebeutelten Familie einen Umzug zumuten wollte. Für eine Karriere als Fernsehkoch habe ihm schlichtweg die Zeit und der Öffentlichkeitsdrang gefehlt. Sein internationaler Ruhm als Drei-Sterne-Koch und die Anerkennung seiner Gäste hätten ihm als Bestätigung genügt.

„Neue Lebensqualitäten“


Als Wohlfahrt die „Schwarzwaldstube“ 2017 überraschend verlassen musste, wurde er nicht arbeitslos. Schon 2010 hatte er begonnen, für die Europäische Raumfahrtorganisation ESA schmackhafte Astronauten-Menüs zu entwickeln. Dazu kocht er seit einigen Jahren für die Besucher der Mannheimer Dinner-Show „Palazzo“ alljährlich das Gourmet-Menü und berät kulinarisch ein Moselweingut in Trittenheim, das Kreuzfahrtunternehmen MSC und das Baden-Badener Festspielhaus. Seit 2013 kocht er auch einmal im Monat im Betriebsrestaurant der Fischer-Group in Waldachtal und bildet die Köche des Dübelherstellers weiter. Nach 2017 sei er also schnell wieder in eine Tretmühle hineingekommen und erst die Corona-Pandemie habe ihm geholfen, „ein anderes Bewusstsein zu entwickeln“. Er habe lernen müssen, dass „das Leben auch noch etwas anderes bietet, als nur von früh bis spät in der Küche zu stehen“. Wohlfahrt nimmt sich seitdem die Freiheit, sehr bewusst über seine Aktivitäten zu entscheiden: „Ich habe ganz neue Lebensqualitäten wieder entdeckt“, betonte er 2020 im „Schwarzwälder Boten“. Kürzer zu treten sei auch ein Stück Respekt gegenüber seiner Frau, die jahrzehntelang weitgehend auf ein richtiges Familienleben mit ihm verzichten musste. Heute kocht das Ehepaar sogar öfter gemeinsam zu Hause und Wohlfahrt kann Zeit mit seiner Enkelin verbringen. Dennoch kommt ein völliger Rückzug ins Private nicht infrage: „Ich stehe morgens auf und fühle mich topfit. Ich bin nicht zu gebrauchen, wenn ich nichts mache.“ Heute kann Wohlfahrt sich jedoch die Themen und Veranstaltungen aussuchen, von denen er sich „angesprochen fühlt.“ Derzeit ist er beim Internet-Kochkurs „Meisterklasse“ aktiv, bei dem Spitzenköche im Wechsel Menüs und Küchentipps präsentieren.

Viertes Kochbuch veröffentlicht

Außerdem entwickelt er als „Genuss-Botschafter“ in der „Kulinarik-Manufaktur“ eines Einzelhandelsunternehmens in Achern anspruchsvolle Fertiggerichte: „Ich habe begriffen, dass gesunde Ernährung in jedem Haushalt angesagt sein sollte“, erklärt er im Fachmagazin „World of Food“ den Perspektivenwechsel und steht heute mit seinem Namen als Eigenmarke für qualitativ hochwertige, tagesfrisch zubereitete Convenience-Produkte. „Ich bin für die Ideen und die Degustationen zuständig“, erklärt Wohlfahrt, der Wert auf gute Produkte legt, die von Meisterhand vorbereitet werden und dann vom Käufer zu Hause nur noch endbehandelt werden müssen: „Solch ein Konzept holt junge Leute ab und überlässt sie nicht dem Junk Food.“ Für Bewunderer, die komplett selbst kochen möchten, hat Wohlfahrt Ende 2018 sein bisher viertes Kochbuch „Harald Wohlfahrt – eine Kochlegende“ veröffentlicht, das 35 seiner spektakulärsten Rezepte enthält. Für sein weiteres Wirken hat der Spitzenkoch sich Folgendes vorgenommen: „Ich möchte mir selbst treu bleiben, meinem eigenen Weg folgen, zu meinen Idealen stehen. Das ist mir wichtig.“
Bei all seinen Koch-Aktivitäten hat Wohlfahrt sich auch immer sozialen Projekten zugewandt. So unterstützt er seit 2000 alljährlich mit Gala-Dinners die Kinderkrebs-Nachsorgeklinik Tannheim bei Villingen und arbeitet seit 2010 im Kuratorium der Deutschen Kinderkrebsnachsorge-Stiftung mit.

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