Helfer gibt es genug, das Wetter ist ein wenig zu kalt, aber die Stangen werden unter Folie warmgehalten: Die Spargelsaison hat begonnen. Keine Selbstverständlichkeit nach den pandemiebedingten Schwierigkeiten in den vergangenen Jahren.
Sergio kommt vom Spargelfeld und nimmt ein neues Telefonat an. Er ist Vorabeiter auf dem Spargelhof Kremmen in Brandenburg. Die Spargelsaison hat begonnen und da Sergio als Rumäne Russisch, Ukrainisch, Rumänisch und Deutsch spricht, ist er zusätzlich Übersetzer, Organisator und Problemlöser. Gerade fragte Zofia auf Russisch nach, was noch zu tun wäre oder ob sie bereits in die Mittagspause gehen könne. Das Wetter ist jetzt Anfang April kalt und nass, und Zofia geht zum Mittagessen, das alle Mitarbeitenden angeboten bekommen. Die Arbeit auf dem Feld ist körperlich hart.
„Die Leute müssen physisch regelrecht Gas geben. Mancher verliert trotz guter Verpflegung bis zu fünf Kilogramm in den 70 Tagen, die er als Spargelstecher arbeitet", äußert Sergio. Da trotz Corona-Pandemie und Krieg in der Ukraine noch immer die Menschen aus Osteuropa die Hauptarbeitskräfte in der Spargelernte sind, übersetzt Sergio, wenn nötig, bei der Einhaltung von Pausen und bei den täglichen Corona-Tests.
Klimawandel beeinflusst auch Agrarwirtschaft
„Auch zwei Jahre nach der Pandemie kommen die Mitarbeiter, sofern sie keinen gültigen Impf- oder Genesenennachweis haben, laut Coronavirus-Einreiseverordnung mit einem negativen Coronatest nach Deutschland", betont Isabelle Bohnert, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vom Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer (VSSE). Weiterhin sind vor Arbeitsaufnahme Coronatests Pflicht, betriebliche Hygienekonzepte einzuhalten und Impfmöglichkeiten anzubieten. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft schreibt in den Rahmenbedingungen vom 24. Januar für Saisonbeschäftigte in der Landwirtschaft im Hinblick auf die Corona-Pandemie vor: „Arbeitgeber sind verpflichtet, die Testnachweise täglich zu kontrollieren und regelmäßig zu dokumentieren".
„Im letzten Jahr hatten wir während der Saison drei Coronafälle, die sich aufgrund unserer gezielten Schutzmaßnahmen und den Quarantäneräumen nicht weiter ausgebreitet haben. Wir beschäftigen auf unserem Hof in der Hochsaison maximal 300 ausländische Mitarbeiter, davon 80 Prozent rumänische und 20 Prozent polnische Helfer," sagt Malte Voigts, Sergios Chef und Geschäftsführender Gesellschafter der Spargelhof Kremmen GmbH & Co. KG. „Ukrainische Flüchtlingsfrauen haben sich bereits bei uns für Arbeiten beworben. Aber aufgrund der langen bürokratischen Hürden der Registrierung und Anmeldung rechnen wir frühestens in drei bis vier Wochen mit ihrem möglichen Einsatz." Und dabei wird jede Hand gebraucht. Auch in der Wasch- und Sortieranlage, im Service des Hofladens und Restaurants, die zum Spargelhof gehören. Zum größten Teil kommen die Arbeiter jährlich wieder. Sie kennen die Gegebenheiten und Arbeitsbedingungen in Kremmen. „Uns ist wichtig, hier ein vertrauensvolles Verhältnis zu unseren Saisonarbeiterinnen und -arbeitern zu schaffen. Unterbringung in Standard-Zweibett-Zimmern, direkt abgeschlossene Arbeitsverträge – ohne Dritt-Agenturen und Bezahlung nach Mindestlohn, zurzeit 9,82 Euro pro Stunde mit Stücklohnzuschlägen sind die Basics."

Der Spargelhof Kremmen gehört mit zu den großen in Brandenburg. 2007 betrug die Spargelfläche 200 Hektar – im letzten Jahr wurden auf etwa 250 Hektar 1.000 Tonnen des begehrten Frühlingsgemüses geerntet. Weiter vergrößern will Voigts seine Spargelfläche aber nicht. „Der Zenit ist erreicht." Laut Bundesamt für Statistik hat sich von 2020 zu 2021 die gesamte Spargelanbaufläche sogar geringfügig verkleinert. Der Spargelertrag 2021 mit 1.600 Spargelbetrieben betrug trotz Pandemie und ihren Einschränkungen rund 120.000 Tonnen – mit 26.600 Tonnen wurde der meiste Spargel in Niedersachsen gestochen, gefolgt von Brandenburg mit 19.100 Tonnen und Nordrhein-Westfalen mit 18.600 Tonnen.
Mit derartigen Erträgen für 2022 rechnet auch Frank Saalfeld, Geschäftsführer des Netzwerks der Spargel- und Beerenverbände und ebenfalls Geschäftsführer des Verbandes der Ostdeutschen Spargel- und Beerenobstanbauer (Vosba). „Zwar sind die Nächte gerade nach den warmen Märztagen wieder kälter, aber das tut dem Spargel gut. Er kann sich in seinem Wachstum beruhigen und gleichmäßiger wachsen." Temperaturen, Niederschläge und Bodenbeschaffenheiten beeinflussen den Spargelwuchs.
Die sehr sandigen, sogenannten „leichten Böden" wie im brandenburgischen Kremmen erwärmen sich im Gegensatz zu lehmigen Böden viel schneller. Aber der Einfluss des Klimawandels macht auch vor der Agrarwirtschaft nicht halt. Folien kommen über den Spargeldämmen zum Einsatz, um die Energie für das Spargelwachstum zu bündeln. Die Sonnenstrahlung wird durch eine dunkle Folie reflektiert und mit der zweiten, durchsichtigen Folie abgedeckt.
Skepsis über steigende Preise
Dadurch entsteht ein „Treibhauseffekt", denn durch die zwei Abdeckfolien erhöht sich die Bodentemperatur um ein paar Grad, sodass der Spargel früher treiben kann. Ein großer Vorteil: Es ist keine zusätzliche, externe Energie für das Wachstum des Spargels nötig. Die Folien werden mindestens zehn Jahre genutzt und danach in dafür zertifizierten Unternehmen recycelt, betont Landwirt Voigts.
In Deutschland dauert die Spargelsaison in der Regel von April bis zum Johannistag am 24. Juni. Danach braucht die Spargelpflanze ausreichend Zeit, um sich zu regenerieren. In diesem Jahr begann die Spargelernte auf den Kremmener Spargelfeldern durch das günstige Wetter bereits am 23. März. Damit aber die Ruhephasen für das Spargelgemüse zeitlich ausreichen, achtet Malte Voigts sorgsam darauf, dass Felder, auf denen die Ernte früher beginnt, auch früher zur Erholung kommen. Bis zu zehn Jahre kann eine Fläche für den Spargelanbau genutzt werden. Danach kommen in Kremmen Raps, Gerste oder Weizen zum Anbau.
Preiserhöhungen bei den Rohstoffen und Produktionsmitteln sowie die hohen Lohnkostensteigerungen beunruhigen die Konsumenten, findet Michael Koch, Experte der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH (AMI) und ergänzt, „dennoch sind die Bedingungen für den Start der Spargelsaison gut".
Frank Saalfeld von VOSBA schätzt, dass für dieses Jahr durch eine gute Ernte, trotz höherer Energiepreise, keine gravierenden Preissteigerungen zu erwarten sind. „Der Spargel liegt bereits im Hochpreissegment. Es funktioniert nicht, die Kosten weiter hochzusetzen, da fraglich ist, ob der Handel Mehrkosten an die Verbraucher weitergibt. Letztendlich wird an der Handarbeit gespart werden müssen."
Auf dem Spargelhof Kremmen liegt der feldfrisch gestochene und handverlesene Spargel bereits im Hofladen. Seit letztem Jahr blieben die Spargelpreise hier bislang stabil und bewegen sich zwischen sieben und 15 Euro pro Kilo, abhängig vom Durchmesser, ob gerade, gekrümmt oder Bruch und ob es sich um weißen, leicht violetten oder grünen Spargel handelt. Sergio arbeitet seit drei Jahren auf dem Spargelhof und besorgt über sein Netzwerk die richtigen Leute, achtet auf die Einhaltung der Hygieneregeln, arrangiert Schulungen und arbeitet auf dem Feld. Sergio wird gefragt, er übersetzt, hilft, organisiert, kontrolliert, kommuniziert, damit alle zufrieden sind – wie in einer großen Familie.