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WAS MACHT EIGENTLICH...

Waldemar Hartmann, hier im Jahr 1995, war so beliebt, dass man ihm auch Pannen verzieh
Foto: picture-alliance / Sven Simon | SVEN SIMON

… Waldemar Hartmann?

Durch seine kumpelhaften Interviews und als TV-Moderator wurde er ab Mitte der 80er-Jahre zu einem bundes­weit be­liebten Sportjournalisten. Er begleitete Fußball-Groß­er­eignisse spätabends mit „Waldis WM-Club" und wurde mit einem emotionalen Völler-Interview berühmt. Der 74-Jährige lebt heute in Leipzig und geht mit Vorträgen und Moderationen auf Tour.

Waldemar Hartmann ist als Sportreporter ein Unikum aus einer ganz anderen Fernsehzeit. Er brach seine Ausbildung zum Versicherungskaufmann ab, ließ sich mit 18 von Roy Black als Discjockey nach Augsburg vermitteln und betrieb dort zwei Kneipen. Danach brachte er es in mehreren Jahrzehnten als Sportreporter in Hörfunk und Fernsehen auf Einsätze bei elf Olympischen Spielen, zehn Fußball-Welt- und Europameisterschaften und Dutzende Ski-Weltmeisterschaften und beendete seine Karriere als Box-Reporter. Auch gelegentliche Pannen wurden ihm verziehen, etwa als er am Mikro einen noch quicklebendigen Boxer für verstorben erklärte oder als er zweimal bei „Wer wird Millionär" als Telefonjoker ausgerechnet bei Fußballfragen patzte.

„Waldis" Markenzeichen war sein kumpelhafter Umgang mit den Sportstars. Er mischte sich gern auf dem Spielfeld unter jubelnde Akteure, genoss nach Siegen des FC Bayern die „Weizenbier-Dusche" der Spieler und verzichtete bei Interviews meist auf das abstandswahrende „Sie". 2008 nannte er sich selbst „eine Duz-Maschine", weil er nicht vor der Kamera jemand siezen könne, zu dem er privat „Du" sage. Mit etlichen Sportlern ist Waldi bis heute befreundet, aber auch anderen kam er oft ziemlich nah: Als Box-Weltmeister Muhammad Ali 1976 in Augsburg antrat, schaffte „Waldi" es bis in dessen Kabine. „Ich habe Ali sogar nackt gesehen."

Wutausbruch von Rudi Völler

Sportreporter-Legende Waldemar Hartmann (74) lebt heute in Leipzig
Sportreporter-Legende Waldemar Hartmann (74) lebt heute in Leipzig - Foto: picture alliance / ZB | Thomas Schulze

Fernsehgeschichte schrieb Hartmanns Interview mit DFB-Teamchef Rudi Völler 2003 nach einem deutschen Unentschieden in der WM-Qualifikation gegen Island. Völler war von der Spielkritik der Moderatoren Delling und Netzer genervt und rastete vor „Waldis" Mikrofon völlig aus: Er unterstellte dem Interviewer, während des Spiels bequem im Sessel gesessen und drei Weizenbier getrunken zu haben. Hartmann ist seinem langjährigen Freund Völler dankbar für dessen verbalen Wutausbruch: „Das war ein Ein-Millionen-Dollar-Satz. Damit hat er mir zu einem Zehnjahresvertrag mit Paulaner verholfen und mich finanziell schmerzfrei gemacht", blickte Hartmann 2021 bei der „Münchner Abendzeitung" auf seine lukrative Weißbier-Werbung zurück: „Ich habe keine Riester-Rente, sondern die Rudi-Rente." Spätere Angebote, das Wut-Interview für Werbespots aufleben zu lassen, sind daran gescheitert, dass Völler sein damaliger Auftritt bis heute peinlich ist. Hartmann macht es dagegen nichts aus, immer wieder auf das Interview angesprochen zu werden: „Fragen Sie mal Mick Jagger, ob er ‚Satisfaction‘ noch hören kann", zieht er da Vergleiche zu der Rock-Legende.

Hartmann konnte sich vor ein paar Jahren gut abgesichert aus dem Fußball-Reporterleben verabschieden. Seit Ende 2019 wohnt er mit seiner dritten Frau Petra, einer promovierten Germanistin, in der Leipziger Innenstadt, nachdem er von 2000 bis 2015 im schweizerischen Chur und von 2015 bis 2019 in Berlin ansässig war: „Zum Wohnen ist mir die Hauptstadt zu aggressiv, zu laut, zu chaotisch geworden." In Leipzig dagegen habe er einen Fußball-Bundesligisten mit Champions-League-Ambitionen und einen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, mit dessen Grundhaltung er sich voll identifizieren könne und den er 2019 im Wahlkampf aktiv unterstützt hat. Seit 2020 engagiert sich „Waldi" in der CDU-Mittelstandsvereinigung und hat die Christdemokraten auch im Bundestagswahlkampf 2021 unterstützt.

Eigene Bühnenshow

In seinem ehemaligen Beruf erkennt Hartmann durchaus Veränderungen: „Heute ist die Gangart auch im Journalismus deutlich härter als früher", sagte er 2020 in der sächsischen Ausgabe von „Der Sonntag". „Mir war wichtig, dass sich meine Gäste wohlfühlten. Sie waren ja nicht zum Verhör gekommen." Auch sei heute die Sprache verroht, was seiner Meinung nach auch am Privatfernsehen und den „größtenteils asozialen Medien" liege. „Der Wandel fing an, als Telefone plötzlich fotografieren konnten." „Heute muss man auf jedes Wort achten", betonte er im April in der „Welt".

Dass Hansi Flick Fußballbundestrainer wurde, hält er für einen Glücksgriff: „Der hat das richtige Händchen und hat eine gute Mischung gefunden." Auch werde jetzt nach langem „Querpass-Schieben über drei Meter" endlich wieder nach vorne gespielt. Insgesamt vermisst Hartmann unter den heutigen „Laptop-Trainern" originelle Typen: „Sie haben den Fußball verwissenschaftlicht und da haben Emotionen keinen Platz", kritisierte er bei „Sport1". Die jungen Talente würden schon früh in ein taktisches Korsett gepresst und könnten so keine Individualität entwickeln. Auch als Interviewpartner seien heutige Kicker wenig ergiebig, da sie aus Angst vor dem Verein oder einem Shitstorm oft nur „ganz dünne Luft" absonderten.

Hartmann, der 2009 erfolgreich die Bühnenshow „Born to be Waldi" entwickelt und 2013 seine Biografie „Dritte Halbzeit" veröffentlicht hat, hofft derzeit auf die baldige Aufhebung der letzten Pandemie-Beschränkungen. Dann will er seine Auftritte als Moderator bei Veranstaltungen oder als Gast bei Podiumsdiskussionen wieder fortsetzen.

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