Wer den Nachwuchs auf dem Fahrrad transportieren möchte, hat vom klassischen Kindersitz bis zum Lastenrad mehrere Möglichkeiten. Welches die geeignetste ist, hängt von Alter und Anzahl der Kinder ab. Auch bei der Sicherheit gibt es Unterschiede.
Bis zu vier Knirpse können in Transportboxen von Lastenrädern mitfahren – das ist großfamilienkompatibel! Die Mitnahme von Kindern auf dem Fahrrad kann eine umweltfreundliche Alternative zum Transport mit dem Auto darstellen, doch sie erfordert auch Eingewöhnung. Vor dem Kauf empfiehlt sich eine Probefahrt – am besten mit dem Nachwuchs. Wie vielfältig der Kindertransport mit dem Fahrrad sein kann, zeigt unser Überblick:
Der Kindersitz: Immerhin jeder Zehnte unter den Fahrradfahrern in Deutschland nimmt mehrmals im Monat ein Kind mit, und am beliebtesten ist mit Abstand der klassische Kindersitz, der bei der Hälfte aller Kindertransporte (50 Prozent) zum Einsatz kommt. Das ergibt der „Fahrrad Monitor 2021", eine repräsentative Umfrage des Sinus-Instituts im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Das Ergebnis verwundert kaum, denn Fahrradsitze sind die preisgünstigste Variante: „Mit gut 100 Euro sind Sie dabei", sagt Dirk Zedler vom Fahrrad-Prüfinstituts Zedler in Ludwigsburg.
Achten sollte man beim Kauf darauf, dass die Rückenlehne hoch genug ist und seitliche Wangen besitzt. „Kinder neigen während der Fahrt zum Einschlafen", erklärt Zedler. Durch die beschriebene Bauform werde der Kopf sicher abgestützt. Die wichtigsten Kriterien für die Sicherheit regelt die sogenannte Norm „DIN EN 14344". Ausgestattet sind die Sitze in aller Regel mit Polstern und Fünfpunkt-Gurten. Dank anpassbarer Fußstützen mit Fußriemen kommen die kleinen Kinderfüße nicht mit den Speichen in Berührung. Die Produkte sind meist für Kinder zwischen neun und 22 Kilogramm ausgelegt.
Zwei Nachteile in der Handhabung sieht Experte Zedler aber. „Gefährlichster Zeitpunkt ist, wenn Sie das Kind reinsetzen oder rausnehmen." Ist das Fahrrad nur mit einem normalen Seitenständer gesichert, könne es aufgrund des Mehrgewichts schnell umkippen. Weil der Schwerpunkt nach oben wandere, veränderten sich auch die Fahreigenschaften stark: „Sie fahren wackeliger und weniger stabil."
Im Anhänger auf Stoßstangenhöhe
Auch haben Mama oder Papa ihr Kind hinten nicht im Blick. Ein Rückspiegel kann Abhilfe schaffen. Wird der Sitz am Sitzrohr befestigt, schwingt das Gestell mit und bietet Federungskomfort. Von fest auf dem Gepäckträger zu montierenden Lösungen rät Zedler hingegen ab: „Da kriegt das Kind beinhart jeden Schlag mit." Vereinzelt findet man im Handel auch Sitze für die Montage vorn, doch dort sind die Kinder dem Fahrtwind und auch größeren Verkehrsrisiken ausgesetzt.
Der Kinderanhänger: Wer auch mal eine längere Fahrradtour unternehmen möchte, ist mit einem Anhänger besser beraten. Das Platzangebot ist größer, der Nachwuchs kann sich es sich bequem machen. Wichtige Sicherheitsanforderungen sind in der „DIN EN 15918" gebündelt; Kaufinteressenten sollten auch hier darauf achten, dass das Produkt ihre Anforderungen erfüllt. Das erkennen Verbraucher an einer Art Typenschild, das die Hersteller in der Regel am Produkt anbringen. Im Zweifel helfe die Nachfrage beim Hersteller, sagt Dirk Zedler. „Bei Kindersitzen wird gelegentlich zusätzlich noch das GS-Zeichen verwendet, welches typischerweise noch höhere Anforderungen stellt."
Im Fahrrad-Monitor rangieren Anhänger mit einem Anteil von 39 Prozent als zweitbeliebteste Transportform für Kinder. Und sie sind dank des E-Bike-Booms immer mehr im Kommen. Die elektrischen Zusatzwatt des Pedelecs machen das Schleppen zum Kinderspiel. Die meisten Anhänger sind für 40 Kilogramm Zuladung ausgelegt. Bis zu zwei Kinder können damit an Bord, und Platz für Gepäck bleibt dank Stauflächen auch.
Ausgestattet sind Kinderanhänger ab Werk in der Regel mit zwei Sitzen und Gurten und einem Wetterschutz gegen Regen und Wind. „Sie haben einen geschlossenen Käfig mit Überrollbügel", sagt Zedler. Kunden sollten darauf achten, dass die Räder gefedert sind. „Minderwertige Modelle dämpfen Stöße ungenügend ab, was zu Haltungsschäden führen kann", heißt es bei der Deutschen Verkehrswacht. Auch Kleinkinder im ganz jungen Alter können in entsprechenden Babyschalen transportiert werden.
Dirk Zedler hebt vor allem die Flexibilität hervor. „Die Kinderanhänger sind der goldene Mittelweg." Sie können an mehreren Fahrrädern angekuppelt werden, der Vater bringt das Kind zur Kita, lässt auch den Anhänger dort, die Mama holt das Kind später mit dem eigenen Fahrrad wieder ab. Mit Zusatzrädchen ausgestattet, wird der Anhänger zum Buggy, indem das Kind nach der Fahrrad-Etappe weiterdösen kann – oder zum Baby-Jogger.
Technische Voraussetzung: Fahrräder müssen vom Hersteller für Anhänger freigegeben sein, weil Bremsen und Gabel besonders beansprucht werden. Und das Gesamtgewicht des Fahrrads sollte beachtet werden. Dies liegt in der Regel bei um die 130 Kilo, es gibt aber auch auf 150 bis sogar 180 Kilo ausgelegte Bikes.
Das Fahrverhalten des Fahrrads wird weniger beeinträchtigt als mit einem Kindersitz, und Sturzgefahr besteht für den Nachwuchs im niedrigen Hänger aufgrund seiner Geometrie kaum. Als Fahrer muss man allerdings mehr in die Pedale treten, der Wendekreis ist beachtlich, das Rangieren umständlich, und ein Gespann benötigt mehr Platz beim Parken. Gute Hänger lassen sich aber falten und platzsparend verstauen, etwa im Autokofferraum. Wichtig sind aufgrund des verlängerten Bremsweges gute Bremsen am Zugfahrrad. Andererseits stabilisiert der Anhänger den Bremsvorgang auch, sagt Zedler.
Lastenräder kosten ab 2.000 Euro
Weil Anhänger das Fahrradrücklicht verdecken können, rät die Deutsche Verkehrswacht, am Hänger ein weiteres Rücklicht anzubringen. Überhaupt ist Sichtbarkeit eine Herausforderung: Man hat die Knirpse unterwegs selbst nicht im Blick, und die flachen Hänger können von anderen Verkehrsteilnehmern übersehen werden. Bei einem Unfall sind sie auf Höhe von Pkw-Stoßstangen, gibt Zedler zu bedenken. An einem langen Stab einen Signalwimpel in den Fahrtwind zu stellen, macht den Kindertransport sicherer. Voll ausgestattete Kinderanhänger sind ab rund 500 Euro zu bekommen und damit vergleichsweise teuer. Doch das Geld ist auch mit Blick auf den Wiederverkauf gut investiert: „Selbst nach fünf Jahren ist der Wertverlust gering", sagt Fahrradexperte Zedler.
Das Lastenrad: Bei Lastenrädern mit Kinderausstattung geht es preislich bei etwa 2.000 Euro los, in der Ausführung als Pedelec kaum unter 5.000 Euro. Eine richtige Investition. Sind die Kinder später größer und selbst aufs Fahrrad umgestiegen, sollte das Bike daher als Lastesel weiter genutzt werden können – es sei denn, der Wiederverkauf ist von vornherein eingeplant. Lastenräder fahren laut Fahrrad-Monitor mit einem Anteil von 21 Prozent bei den beliebtesten Kinder-Transportformen auf Bronzekurs.
Klassische Ausführung ist das zweispurige Dreirad mit der Transportbox zwischen den Vorderrädern. Als Long John werden einspurige Lastenräder mit der Ladefläche zwischen Lenker und dem meist kleinen Vorderrad bezeichnet, als Long Tail oder Backpacker solche mit verlängertem Gepäckträger hinten, der als Plattform mit verschiedenen Aufbauten bestückt werden kann. Auch diverse Mischformen gibt es.
„Damit ist das Long Tail ein mitwachsendes Fahrrad", sagt Dirk Zedler. Es lassen sich hintereinander zwei Kindersitze montieren, aber auch eine Sitzbank, auf der auch Kinder jenseits der Altersgrenze von sieben Jahren mitfahren können (siehe Kasten: Die Rechtslage). Auch die Kombination von Sitz und Sitzbank ist je nach Modell möglich.
Babyschalen fahren sicher in der Box eines Long Johns oder Lastendreirads mit, allein die Sturzgefahr ist damit gebannt. Manche Ausstattung bietet sogar Isofix-Haltebügel. Die Fahreigenschaften des Fahrrads sind grundsätzlich besser, je tiefer der Schwerpunkt liegt. Long John-Modelle, aber auch Long Tails fahren zudem agiler als die schwerfälligeren zweispurigen Lastenräder. In beiden hat der Nachwuchs die spannendere Sicht nach vorn statt auf den Erwachsenenrücken, und Mama und Papa haben die Kleinen im Blick. Achten sollten Eltern darauf, dass die Gurte fest sitzen und die Kinder nicht in der Kiste herumtollen können. „Dadurch reagieren Lastenräder mit Transportboxen deutlich weniger empfindlich, wenn das Kind sich bewegt", erklärt Zedler. Die Fahreigenschaften bleiben stabil. Eine sichere Parkstütze, meist ein Doppelfußständer, sorgt dafür, dass der Nachwuchs sicher hinein- und wieder herausgehoben werden beziehungsweise ein- und aussteigen kann. Wichtig, um die Unfallfolgen im Fall der Fälle zu senken, ist der Werkstoff, aus dem die Box gefertigt ist. Von Holzkisten, die beim Aufprall splittern und keine Energie absorbieren, rät Zedler ab. Ebenso von starren geschweißten Gitterrohrrahmen. Mittlerweile gebe es einige Hersteller, die Kinderaufbauten mit Knautschzonen auf Basis technischer Schaumstoffe anbieten: „Die funktionieren wie die Crashzelle am Auto." Einen Vorteil bringen lange Lastenräder aber immer mit: „Aufgrund des langen Radstands können sie sich beim Bremsen nicht überschlagen." Das ist vor allem für Eltern eine beruhigende Nachricht.