Entspannung der besonderen Art verspricht das Cannabis-Spa in Zermatt. Unsere Autorin Barbara Schaefer wollte von den Strapazen der Pandemie-Zeit ausspannen und hat dafür eine CBD-Massage getestet.
Ich fahre in die Schweiz, in Europas erstes Cannabis-Spa. Da ist der Spott in Berlin groß. Ob ich nicht im Görlitzer Park einfacher an Stoff rankäme, zwinki-zwonki? Jedoch: Es ist nicht derselbe Stoff. Cannabis, Hanf, THC, CBD, es ist kompliziert. Auf geht’s also nach Zermatt, in das „Schlosshotel“.
Alex Perren investierte 2019 „mehrere Millionen Schweizer Franken“ in einen großen Spa-Bereich in seinem „Schlosshotel“. Und zu seinem eigenen Erstaunen habe das neue Spa das Hotel in der Pandemie gerettet. „So kamen viele deutsche Gäste, die bisher nach Österreich fuhren. Und sie kommen weiterhin.“ Perren sagt auch, er wundere sich manchmal, „dass sich so viele junge Leute das leisten können. Ich hätte das damals nicht gekonnt.“ Für das Spa wollte er sich „etwas Spezielles ausdenken, „alpine Spa machen ja alle.“ Und so bieten sie nun CBD-Massagen an. Das Cannabis-Öl beziehen sie von einer Schweizer Pharmafirma, die CBD-Signature-Massage kostet 250 Franken. „Wir dachten, so was nehmen wir auf, egal, wenn das keiner bucht. Kaum zu glauben, das wird andauernd nachgefragt!“
Und jetzt ab in den Wellnessbereich. Josephine träufelt mir Cannabis-Öl in den Mund. Das helfe zur Entspannung und gegen Schmerzen, sagt die junge Griechin. Auch ihr selbst helfe es beim Schlafen. Sie schlafe leider oft schlecht, weil sie mit der Massage viel Energie aufnehme. Gute und schlechte. Und wie das helfe? Öl sei ja eine Flüssigkeit, „und zwischen den Zellen ist auch Flüssigkeit, und so findet ein Austausch statt. Und CBD kommt vom Marihuana, da ist ja klar, dass es entspannt.“ Mhm.
Was sie deutlich spüre: Die Menschen seien gestresst, verkrampft, auch wegen der Pandemie. Eben: Deswegen bin ich hier. Die Erklärungen der überaus freundlichen Josephine haben mich noch nicht überzeugt. Ihr sanfter Druck auf unbekannte Nackenmuskeln hingegen schon.
Wandern zum Gipfel in 3.800 Metern Höhe
„Stay active, stay well”, das ist das Motto des Hauses. Der nächste Tag beginnt mit Yoga, angeleitet von Claudia, Yogalehrerin und Physiotherapeutin aus Brandenburg. Sie gibt sich ganz sanft. Wir sollen atmen, in den Körper hineinhören, den Herzschlag spüren, Gefühle aktivieren, verzeihen, lieben. Uff. Der Körper zuckt und will an die frische Luft. Nach Hanfmüsli und Gipfeli geht es Richtung Gipfel. Oben auf dem Kleinen Matterhorn pfeift der Wind. Auf 3.800 Metern, da schnauft die Bewohnerin der preußischen Tiefebene. Aber es gibt viel zu gucken: Berge ohne Ende, Montblanc, Monviso und natürlich s’Horu, König Matterhorn. Das steht nicht nur mächtig in der Landschaft, sondern ist auch im Dorf omnipräsent. Auf Verpackungen, als Postkarten, als Druck auf Mützen und Hemden.
In manchen Ecken spürt man noch, was für ein armes Dorf Zermatt einmal war, mit seinen nun vom Alter fast schwarzen Holzhäusern, eng aneinandergebaut. So sah es hier aus, bevor in diesem magischen Jahr des Alpinismus, 1865, das Matterhorn erstbestiegen wurde. Von da an war es mit der Ruhe vorbei, und heute überragen Fünf-Sterne-Hotels die winzigen Chalets.
Alex Perren erzählt von der Familiengeschichte, die mit diesem Berg zu tun hat. Zu seinen Vorfahren gehören Vater und Sohn Taugwalder; legendäre Bergführer, die Erstbesteiger Whymper aufs Matterhorn gebracht hatten. Auch Alex Perrens heute 90-jähriger Vater war Bergführer. „Er hat an die Gäste Edelweiß verkauft. Zu den Amis sagte er: Zahlen Sie, was Sie geben möchten. Das hat sich gelohnt.“ Er baute eine Pension, vergrößerte sie zum Hotel. Alex Perren sagt, seine beiden Kinder arbeiteten jedes Wochenende einen Vormittag im Hotel im Service beim Frühstück. „Sie sollen wissen, wo das Geld herkommt.“
Zurück ins Spa, zu Claudia. Im Hotelprospekt heißt es: „Kräuterduft atmen. Eintauchen ins Hier und Jetzt.“ An der Rezeption steht eine Hanfpflanze, da riecht es wie auf meinem Balkon in Kreuzberg, als der Nachbar statt Geranien so was bei sich anpflanzte. Ob das mit „Kräuterduft“ gemeint ist? Die Vorstellung, Claudia würde so sanft wie beim Yoga fortfahren, ist ein Irrtum. Sie walkt und knetet mit kräftigen Händen. Schlimm wird es nur, wenn sie aufhört. Dann hat sie wieder so einen Punkt gefunden, auf den sie einen Finger legt. Dann erhöht sie den Druck, bis es wehtut. Ich dachte, CBD wirke gegen Schmerzen! Den Schmerz soll ich wegatmen, sagt sie. Klar.
Studien attestieren CBD großes Potenzial
Was hat es mit diesem Hanföl auf sich? Fehler, sagt Claudia. Es ist Cannabidiol-Öl. Der Wirkstoff wird aus männlichen Hanfpflanzen gewonnen als eines von vielen „Phytocannabinoiden“. Ein weiteres ist THC, der Stoff, der in Marihuana enthalten ist, den getrockneten Blättern der weiblichen Hanfpflanzen, auch Gras und Dope genannt. Und in Haschisch, das aus dem Harz der Pflanzenteile besteht. THC berauscht, Cannabidiol hingegen wirkt nicht psychoaktiv. Man fängt also nicht an zu kichern bei der Massage. Außer es kitzelt.
Wissenschaftlich belegbar ist die Wirkung von CBD ungefähr so gut, wie die von Homöopathie. Und so heißt es im Hotel eher vage, CBD „gelte“ als entspannend, krampflösend und entzündungshemmend. „Viele Anwender machen sehr gute Erfahrungen, wenn sie Stress empfinden oder setzen es bei Schlafschwierigkeiten ein.“ Studien wiesen darauf hin, dass bei CBD ein großes medizinisches Potenzial bestehe.
Und glaubt die Physiotherapeutin Claudia daran, dass CBD-Öl wirkt? Ist es anders als etwa Lavendelöl? Claudia sagt: „Also: Wenn man mal Erfahrungen mit THC gemacht hat, dann hat das Auswirkungen, oder?“
Ich schweige, ich liege ja auch mit dem Gesicht nach unten auf der Liege. „Man kichert oder scheint zu schweben, ist völlig gelöst, nicht wahr?“ Räusper. „Und das ist schon anders als Lavendelöl, oder? Und CBD kommt ja von derselben Pflanze.“ Das klingt nach einem guten Argument.
Sicherlich gilt: Yoga und Massage und dann noch viel frische Luft – das schwemmt die Pandemie mit all ihren Verspannungen aus dem Körper hinaus. All das zusammen und vielleicht ja auch das CBD, wirkt wie ein rituelles Winteraustreiben. Es war so nötig.