Die halbe Welt ist auf der Suche nach dem Energieträger der Zukunft. Hoch im Kurs steht Wasserstoff. Denn er ist wandelbar und in der richtigen Herstellung sogar CO2-neutral.
Deutschland ist auf der Suche nach einem CO2-emissionsarmen Energieträger für die Zukunft. Der soll seine Energieversorgung sicherstellen und einseitige Abhängigkeiten vermeiden. Die Atomkraft ist aus dem Spiel und die ganze Welt redet über erneuerbare Energien und Elektromobilität. Warum also reden wir über Wasserstoff, der nicht nur sehr energiereich, sondern auch noch hochexplosiv ist?
Quer durch Deutschland findet das Thema Wasserstoff tatsächlich nicht nur am Rande statt, sondern steht im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit. Zwischen Hamburg und München wird das chemische Element mit dem Symbol H als der Energieträger der Zukunft gehandelt. Dabei ist der Einsatz von Wasserstoff keineswegs neu und er ist auch nicht explosiver als beispielsweise Erdöl oder Propan.
Im Jahr 2021 wurden in Deutschland etwa 4.7 Milliarden Kubikmeter Wasserstoff hergestellt. Dabei handelt es sich allerdings noch um „grauen" Wasserstoff, der mittels Erdöl hergestellt wird und daher ebenfalls CO2-Emissionen verursacht. Allein in der Chemieindustrie lag der Wasserstoffbedarf 2021 bei circa 1,1 Millionen Tonnen pro Jahr, umgerechnet 37 Terawattstunden, so der Nationale Wasserstoffrat der Bundesregierung. Das Ziel der Nationalen Wasserstoffstrategie ist es, zukünftig ausschließlich „grünen" Wasserstoff herzustellen, das heißt mithilfe von erneuerbaren Energien – um damit nicht nur unsere Versorgungssicherheit zu garantieren, sondern auch das Klimaziel Deutschlands bis 2045 zu erreichen. Angestrebt wird hier eine Größenordnung von fünf Gigawatt in 2030 aus einheimischer Produktion.
Die Frage ist allerdings, wofür dieser Wasserstoff taugt? Bisher kam er vor allem in der Chemieindustrie und in Raffinerien zum Einsatz, in geringem Maße bereits in der Stahlindustrie. Zukünftig steht jedoch wesentlich mehr auf dem Plan. Denn neben wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen-Fahrzeugen kann der wandelbare Energieträger auch für andere Bereiche der Mobilität sowie die Großindustrie eine spannende Alternative darstellen. Man denke an Busse, Züge, Schiffe wie die „MF Hydra" von Norled, oder sogar Flugzeuge, was Experten des Unternehmens MTU Aero Engines aus dem Geschäftsfeld der zivilen und militärischen Luftfahrt bis 2035 für umsetzbar halten. Airbus arbeitet derzeit bereits an einem Testflugzeug.
Theorie ist nicht gleich Praxis
Da Wasserstoff allerdings ein sehr flüchtiges Gas und dazu leicht entzündbar ist, reagieren viele Menschen alarmiert, wenn plötzlich von Wasserstoff-Tankstellen und Brennstoffzellen-Fahrzeugen die Rede ist. Die Besorgnis ist berechtigt, allerdings lernte die Wissenschaft aus vergangenen Fehlern. So hat die Forschung der letzten Jahre dazu geführt, dass heute ernsthaft über die breite Einführung von Wasserstofftechnologien gesprochen werden kann. Denn Fortschritt in Technologie und Digitalisierung rücken jetzt auch Aspekte wie den sicheren Transport und die sichere Speicherung, beispielsweise von flüssigem Wasserstoff, in ein anderes Licht.
Laut Expertinnen und Experten stehen alle benötigten Technologien bereit. Auch Unternehmen warten darauf, dass sie mit ihren Investitionsplänen beginnen können. Jetzt liegt es in staatlicher Hand, entsprechende Rahmenbedingungen für einen Wasserstoff-Markt zu schaffen, der nicht nur klimaneutral, sondern auch langfristig erfolgreich ist. Neben Sicherheitsaspekten braucht es international einheitliche Regelungen und Zertifizierungsstandards. Denn trotz aller Bemühungen Deutschlands in seiner Energieversorgung unabhängiger zu werden, ist eines klar: Deutschland wird einen Großteil von „grünem" Wasserstoff aus anderen Ländern importieren müssen. Denn zur Erzeugung von „grünem" H2 braucht es jede Menge Strom aus erneuerbaren Energien – und den hat Deutschland derzeit noch nicht.
Dort, wo „grüner" Wasserstoff draufsteht, sollte natürlich auch „grüner" Wasserstoff drin sein, weshalb es Kontrollmechanismen braucht, die genau das garantieren. Die deutsche Großindustrie stellt sich zudem aus technologischen und finanziellen Gründen nicht von heute auf morgen auf Wasserstoff um, weshalb finanzielle Anreize geschaffen werden müssen, damit Unternehmen in die Zukunftstechnologie investieren und sich ein konkurrenzfähiger Wasserstoff-Markt international etablieren kann.
Die Ziele sind gesetzt, die Technologien erprobt und die Unternehmen stehen in den Startlöchern. Theorie ist nicht gleich Praxis und wie immer stellt die letzte große Hürde die praktische Umsetzung dar. Deutschland steht unter Druck Lösungen für die Zukunft zu finden und die Stimmung ist leicht entzündbar – Wasserstoff könnte hier ausnahmsweise nicht der Zündstoff, sondern das Löschmittel sein.