Tamara Leonhard, Vorsitzende des Selfpublisher-Verbands e.V., dem größten Interessenverband deutschsprachiger verlagsunabhängig publizierender Autoren benennt Vor- und Nachteile und gibt Tipps.
Frau Leonhard, Sie sind seit Dezember 2021 Vorsitzende des Selfpublisher-Verbands. Was sind aktuell die größten Herausforderungen für freie Autoren?
Natürlich haben verlagsunabhängig Schreibende in vielen Bereichen mit denselben Herausforderungen zu kämpfen wie jene, die im Verlag veröffentlichen. Zum Beispiel wird oft nicht gesehen, dass Bücherschreiben Arbeit ist und die Menschen dahinter tatsächlich von etwas leben müssen – Stichwort E-Book-Piraterie, kaum bis nicht vergütete Leihvorgänge in Bibliotheken oder die Erwartung, dass honorarfrei gelesen wird. Während Corona kamen die Einbußen ausgefallener Lesungen und Messen hinzu. Für Selfpublisherinnen und Selfpublisher war diese Situation noch schwieriger, weil Werke ohne Verlag oft von Fördermitteln ausgeschlossen werden. Auch der Weg in den stationären Handel ist für Selfpublisher aktuell noch komplizierter als für Verlagsautorinnen und -autoren, da es für Buchhändlerinnen und Buchhändler komplex ist, sich einen Überblick über verlagsunabhängige Novitäten zu verschaffen.
Welche Vorteile hat die Veröffentlichung als Selfpublisher?
Die Vorteile sind gleichzeitig auch der Grund, warum ich immer sage: Selfpublishing ist Typsache und kein Qualitätskriterium. Als verlagsunabhängige Autorin habe ich die Möglichkeit, aber eben auch die Verantwortung, alles selbst zu entscheiden: Schreibe ich über ein nischiges Herzensthema oder orientiere ich mich am Geschmack der Massen? Wie sollen Cover, Klappentext und Marketing aussehen? Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Veröffentlichung? Und ganz wichtig: Mit welchen Dienstleistern arbeite ich zusammen? Denn „self" heißt definitiv nicht alleine. Wer mit wettbewerbsfähigen Büchern am Markt bestehen will, holt sich Profis für Cover, Lektorat, Korrektorat und so weiter ins Boot. Manche Menschen lieben es, das alles zu organisieren, und können sich nicht vorstellen, all die Kontrolle an einen Verlag abzugeben, andere möchten sich nur aufs Schreiben konzentrieren und wären mit diesem ganzen Drumherum völlig überfordert.
Zudem müssen sich Selfpublisher weniger Sorgen um Papierknappheit machen.
Jein. Natürlich bestellen auch Selfpublisher fast immer eine kleine Auflage gedruckter Bücher für Lesungen, Messen oder den Direktverkauf. Speziell beim Vertrieb über Online-Plattformen ist sogenanntes Print-on-demand aber weit verbreitet, was bedeutet, dass das Buch genau dann gedruckt wird, wenn es von einem Händler tatsächlich bestellt wird. Dieses nachhaltige System ist meines Erachtens ein Thema, über das auch die Verlage vermehrt nachdenken müssen. Denn jedes Jahr werden Unmengen an Büchern aus großen Auflagendrucken unverkauft entsorgt.
Freie Autoren müssen oft in finanzielle Vorleistung treten. Was kostet es, ein Buch zu veröffentlichen?
Das lässt sich pauschal nur schwer sagen. Allein die Spanne für ein professionelles Cover kann enorm variieren von knapp unter 100 Euro bis hin zu hohen dreistelligen Preisen bei besonders gefragten Künstlerinnen und Künstlern. Unerlässlich für ein professionelles Buch sind auch Lektorat und Korrektorat. Da diese wichtige Arbeit sehr zeitaufwendig ist, muss man schon mit vierstelligen Kosten rechnen. Verkauft sich das Buch gut, gleicht sich die Vorleistung aber mit höheren Tantiemen aus, da kein Verlag mehr mitverdienen will.
Sie sind selbst als freie Autorin erfolgreich. Was raten Sie Menschen, die gern mal ein Buch schreiben würden?
Wenn man Umfragen glaubt, hat die Mehrheit der Menschen irgendwann einmal den Wunsch, ein Buch zu schreiben. Doch nur ein Bruchteil von denen, die damit anfangen, halten auch bis zum Wort „Ende" durch. Darum ist mein erster Rat immer, sich feste, am besten tägliche Schreibzeiten einzurichten. Das können auch nur 15 bis 20 Minuten am Tag sein. Der zweite Tipp ist: Vernetzt euch mit anderen Schreibenden – mit Anfängern wie auch Profis.
Wie wird man zum erfolgreichen Autor, der davon auch leben kann?
Wenn ich die sichere Erfolgsformel kennen würde, würde ich jetzt wahrscheinlich auf meiner eigenen Südseeinsel sitzen. Aber im Ernst: Für den großen Erfolg muss man sicher das Glück haben, genau mit dem richtigen Thema zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle zu sein. Um das Schreiben professionell zu betreiben, kann man aber immerhin so viel selbst beitragen, dass man die Tätigkeit als ein Handwerk begreift, das zwar Kreativität braucht, aber auch Fleiß, Disziplin und ständiges Lernen.