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WAS MACHT EIGENTLICH...

Sänger und Gitarrist Chris Rea bei einem Auftritt in Deutschland im Jahr 1984
Foto: imago images / United Archives

… Chris Rea?

Auch wenn er sich nach einem Zusammenbruch auf der Bühne 2017 weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat, gehört er mit Klassikern wie „On the Beach" oder „Driving Home for Christmas" bis heute zum popmusikalischen Standardprogramm. Der 71-Jährige versucht, mit Musik und Malerei eine Krebserkrankung und einen Schlaganfall zu überwinden.

Ich bin kein Rockstar, ich war auch niemals einer", bekannte Chris Rea 2017 im Magazin „Classic Rock". Dafür sei er zu uneitel und zurückhaltend. Auch gelten die 55 glücklichen Ehejahre mit seiner Jugendliebe Joan Lesley in der Musikszene als rekordverdächtig. Zu Zeiten seiner größten Erfolge in den 1980er- und 90er-Jahren hat er sogar auf lukrative Tourneen durch die USA verzichtet, um nicht so lange von seiner Familie getrennt zu sein. Sowohl für Joan („Stainsby Girl") als auch für seine Töchter („Josephine", „Julia") hat Rea liebevolle Songs geschrieben, um seine Verbundenheit zu unterstreichen. Außerdem war er schon oft auf ihre Hilfe angewiesen: 1995 erlitt er eine Bauchfellentzündung, 2001 wurden ihm nach einer Pankreaskrebserkrankung die Bauchspeicheldrüse sowie ein Teil des Dünndarms und des Magens entfernt, und er musste insgesamt 32 Wochen im Krankenhaus verbringen. Der geschätzte Slide-Gitarrist, der sich auch vorher schon oft den Wünschen seiner Plattenfirma nach glattem Pop zu widersetzen versuchte, wollte nun keine Kompromisse mehr machen: Er gründete ein eigenes Label, wandte sich wieder dem Blues zu und bekam jede Menge Zuspruch. Viel Kritikerlob („Meisterwerk") und hohe Verkaufszahlen gab es 2005 für sein „Earbook", das unter dem Titel „Blue Guitars" elf CDs mit insgesamt 137 neuen Songs enthielt, ergänzt durch eine DVD, ein Buch mit 50 selbstgemalten Bildern und persönliche Texte.

Musste wieder sprechen lernen

Chris Rea bei ein Auftritt im Oktober 2017 in der Messehalle Erfurt
Chris Rea bei einem Auftritt im Oktober 2017 in der Messehalle Erfurt - Foto: picture alliance / Arifoto Ug / Michael Reichel / dpa-Zentralbild / dpa

Obwohl Rea nach seiner Operation schon 2006 seine Abschiedstournee gegeben hatte, kehrte er 2008 wieder auf die Bühne zurück, produzierte zwei weitere Alben und legte 2011 das Musikprojekt „Santo Spirito Blues" vor, das aus zwei DVDs mit den Dokumentarfilmen „Bull Fighting" und „Santo Spirito", dem dazu gehörenden Soundtrack und einem Musik-Album bestand. Eine für 2011 geplante Europa-Tournee konnte wegen neuerlicher Operationen erst im Jahr darauf stattfinden: „Manchmal habe ich mir schon gewünscht, nach der nächsten Operation nicht mehr aufzuwachen", kommentierte Rea im Dezember 2021 in der „Bunten" die wiederholten Rückschläge. Dennoch zog es ihn immer wieder in die Konzertsäle: 2014 war er 32-mal live auf europäischen Bühnen und beim Montreux Jazz Festival zu erleben. 2016 erlitt er in einem Pub einen Schlaganfall mit Halbseitenlähmung und musste sich danach mühsam wieder das Sprechen und Gitarrespielen beibringen. Sein 2017 veröffentlichtes Album „Road Songs for Lovers" konnte er nur mit täglicher therapeutischer Unterstützung auf einer Tournee promoten. Als er am 9. Dezember 2017 beim Konzert zusammenbrach, musste diese letzte Tour abgebrochen werden. Eine Rückkehr auf die Bühne erscheint heute eher unwahrscheinlich. Dafür konnte Rea im Oktober 2019 mit „One Fine Day" sein 25. und bisher letztes Studioalbum vorlegen, das allerdings bereits 1980 produzierte Songs enthält. Zuletzt erschien im November 2020 seine Dreifach-Retro-CD „Era 1: 1978–84" mit Hits und Raritäten. Auch als Filmemacher blieb Rea aktiv und veröffentlichte 2015 sein 1996 geschriebenes Drama „La Passione" in einer neuen, authentischeren Fassung.

Chris Rea hadert rückblickend mit seiner Musik der Anfangsjahre. Vieles war ihm zu seicht, zu poppig und glatt: „Für das, was ich machen wollte, hatte ich bei der falschen Plattenfirma unterschrieben", sagte er im Vorjahr zu „Classic Rock". Mancher seiner großen Pop-Hits der 80er-Jahre will sich der Blues-Fan heute nicht mehr anhören: „Ich könnte ein Triple-Album mit der besten Musik der Welt machen, besser als Beethoven: Die Leute würden trotzdem ‚On the Beach‘ hören wollen", beschreibt er 2021 sein Dilemma zwischen dem, „was man machen will und was man machen muss".

Stolz auf seine Töchter

Seinen vielen Krankheiten kann Rea auch Gutes abgewinnen: „Sie waren meine Chance, all das in der Musik zu tun, was ich schon immer tun wollte." Dennoch blieben seine bisher neun Operationen – zuletzt wurde ihm noch eine Niere entnommen – nicht ohne Folgen: „Ich bekomme immer noch heftige Anfälle von Depressionen", klagte er kürzlich beim englischen „Mirror". Er habe jetzt auch noch Diabetes Typ 1 und müsse täglich 34 Pillen schlucken und sich sieben Spritzen setzen. Deshalb versucht er, möglichst entspannt mit seiner Familie zu leben: Er züchtet Tomaten, genießt frühmorgens den Kaffeeduft und die BBC-Frühnachrichten, widmet sich der Musik und der Malerei und pflegt seine Oldtimer-Sammlung. Der Fan von Autorennen und frühere Ferrari-Fahrer lässt es heute sogar hinterm Steuer gemütlicher angehen: „Ich brauche keine schnellen Autos mehr." Mit Stolz verfolgt er die Karrieren seiner Töchter: Josephine (29) hält Kunst-Vorlesungen in Florenz, und Julia (22) studiert an der schottischen Elite-Uni St. Andrews: „Wir sind so glücklich, dass wir sie haben", betont Rea, der gerne die Menschen in seiner Umgebung beobachtet und sich dadurch künstlerisch inspirieren lässt. Manchmal schaue er aber mit seiner Frau auch eine Stunde lang nur aus dem Fenster auf die schöne Landschaft: „Als wären wir noch 16. Wir sind glücklich, dieses Gefühl immer noch zu haben", schwärmte Rea im Magazin „Saga".

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