Mit Hochdruck arbeitet das Saarland an seiner Wasserstoffkompetenz. Mithilfe der Großregion und grenzüberschreitender Zusammenarbeit zwischen dem Saarland, Lothringen und Luxemburg soll dies gelingen, sagt Ministerpräsidentin Anke Rehlinger.
Frau Rehlinger, das Thema Energie bestimmt nicht erst seit dem Ukraine-Krieg die Schlagzeilen. Der inzwischen auch hierzulande spürbare Klimawandel erfordert eine noch schnellere Energiewende. Wie geht es beim Zukunftsthema Wasserstoff weiter?
Wir müssen uns so schnell es geht von fossilen Energieressourcen unabhängig machen. Dafür muss der Einsatz regenerativer Energien aus Sonne und Wind massiv beschleunigt werden.
Ein weiteres wichtiges Zukunftsthema ist die Nutzung von grünem Wasserstoff im großregionalen Kontext. Ich bin überzeugt, dass wir in der Großregion zu einer Modellregion für die Wasserstoffnutzung werden können. Die Voraussetzungen sind vorhanden: Es gibt ein grenzüberschreitendes Leitungsnetz, das für den Transport von Wasserstoff genutzt werden kann. Die beiden Netzbetreiber Creos Deutschland und GRTgaz arbeiten an der Machbarkeit des Infrastrukturprojekts „mosaHYc" (Moselle Sarre Hydrogen Conversion) zum Transport von Wasserstoff. Die vorhandenen Leitungen reichen bis Luxemburg und bieten Anschluss an das südeuropäische Netz.
Die Stahlholding Saar sowie Steag entwickeln ebenfalls vielversprechende Wasserstofftechnologien. Zur Herstellung von Wasserstoff gibt es sowohl bei St. Avold als auch in Völklingen-Fenne geeignete Standorte, mit Elektrolyseuren Wasserstoff im großtechnischen Stil zu erzeugen.
Des Weiteren müssen wir sprichwörtlich Gas geben beim Ausbau eines Wasserstoff-Tankstellennetzes für Nutzfahrzeuge. Auch das macht nur Sinn, wenn wir das in der Großregion forcieren.
Dazu braucht es potenzielle Kunden und hohe finanzielle Hilfen. Was ist Stand der Dinge?
Großvolumige Wasserstoffanwendungen sind derzeit noch begrenzt und kommen ohne staatliche Förderung nicht aus, aber das Potenzial ist riesig und zahlreiche Projekte sind in der Pipeline oder bereits auf den Weg gebracht. Das Bundeswirtschaftsministerium stellt dafür im Rahmen der nationalen Wasserstoffstrategie die entsprechenden Fördertöpfe bereit.
Im Saarland geht es bei der industriellen Wasserstoffnutzung vorrangig um die Herstellung von grünem Stahl. Saarstahl formuliert derzeit den Antrag, um Investitionsbeihilfen zu bekommen, die außerdem von der EU-Kommission auf Beihilfekonformität überprüft werden müssen. Da es bei der Umstellung auf Wasserstoffnutzung für die Unternehmen um Investitionen in Milliardenhöhe geht, kommen eventuell auch Betriebsbeihilfen infrage, die ebenfalls rechtlich zu prüfen sind. Allen handelnden Personen ist durchaus bewusst, dass die Zeit drängt und akuter Handlungsbedarf besteht. Ich bin optimistisch, dass wir in wenigen Monaten Ergebnisse haben.
Wie soll das Thema Wasserstoff an die Gesellschaft herangeführt werden?
Das Saarland beteiligt sich zum Beispiel an der Woche des Wasserstoffs vom 25. Juni bis 3. Juli mit verschiedenen Veranstaltungen, mit Infoständen und Aktionstagen bei saarländischen Unternehmen, um den Bürgerinnen und Bürgern die Wasserstofftechnologie und deren Zukunftspotenzial näherzubringen. Außerdem findet der erste Wasserstoffkongress der Großregion in Zusammenarbeit mit dem Luxemburger Energieministerium in Saarbrücken statt.
Frankreich verfolgt eine völlig andere Energiestrategie als Deutschland und setzt bei der Stromerzeugung verstärkt auf Atomenergie. Außerdem wurden vielversprechende Projekte wie der Bau einer Mittelspannungsleitung zwischen dem Saarland und Lothringen auf Eis gelegt. Woran liegt’s?
Die Politik setzt Rahmenbedingungen, kann Projekte anstoßen und finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Ob Projekte machbar sind, geplant und realisiert werden können, entscheiden die beteiligten Unternehmen.
Die Nutzung von Atomenergie zur Stromerzeugung hat in Frankreich in der breiten Öffentlichkeit einen anderen Stellenwert und wird nur von wenigen infrage gestellt. Was das Atomkraftwerk Cattenom in unmittelbarer Nachbarschaft betrifft, so stehen wir in der Großregion gemeinsam mit Luxemburg und Rheinland-Pfalz dem Atomkraftwerk Cattenom nach wie vor kritisch gegenüber. Letztendlich bleibt die Zukunft Cattenoms eine souveräne Entscheidung Frankreichs. Gegenüber unseren französischen Freunden werden wir aber unsere Bedenken weiter offen äußern.
Energie für den Elektroantrieb soll künftig ebenfalls aus dem Saarland kommen. Die SVolt-Ansiedlung soll noch in diesem Jahr in trockene Tücher. Was passiert, wenn das so groß angekündigte Projekt doch noch scheitert?
Warum sollte das Projekt scheitern? Wir liegen an den beiden Standorten in Überherrn und Heusweiler-Eiweiler im Plan. Das Vorhaben ist transparent, offengelegt und nachvollziehbar, und die Bürgerinnen und Bürger können ihre Einwände vorbringen. Dass es Proteste und Bedenken der Anwohner gegen Ansiedlungen dieser Größenordnung gibt, gehört zu dem Prozess mittlerweile dazu. Es geht aber auch um die Zukunft des Industrielands Saarland, um Erhalt und Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze in diesem Land.