Die täglichen Meldungen zum Ukraine-Krieg sind bekannt. Was hinter den Ereignissen steht, konnten Schüler an einem intensiven Schultag am Europa-Institut erfahren und diskutieren: Sanktionen, Flucht, Völkerrecht, EU-Beitritt. Ihr Fazit: „Interessant und teilweise erschreckend".
Kaffee und etwas Kleines zum Essen stehen bereit. Pausentreiben im Eingangsbereich des Europa-Instituts an der Uni. An diesem Vormittag bevölkern vor allem rund 50 Schülerinnen und Schüler das Institut. Sie kommen aus unterschiedlichen Ecken des Landes und besuchen eigentlich das Berufsbildungszentrum Sulzbach und Merzig. Für sie ist der Tag am „Jean-Monnet-Lehrstuhl" Abwechslung vom Schulalltag – aber alles andere als ein lauschiger Ausflug auf dem Campus der Saarbrücker Uni. „Der Ukraine-Krieg und die EU" ist nun mal „kein Feel-Good-Thema", wird Sebastian später sagen. Mit ihm und einigen anderen Teilnehmenden des „Schultags" nutzen wir die Pause, tauschen auf den Treppenstufen zum Europa-Institut erste Erfahrungen und Eindrücke aus. Insgesamt vier Workshops standen zur Auswahl, aus zwei, nämlich „Flucht" und „Sanktionen" berichten uns Schülerinnen und Schüler.
„Ernstes Thema – so fühlt man sich auch"
Dass Menschen, die vor dem Krieg in ihrer Heimat fliehen, bei uns aufgenommen werden, steht außer Frage. Aber es ist nun mal „nicht einfach, für Geflüchtete, in ein Land zu kommen und dort Asyl zu bekommen", sagt Juliane (21). Für die Menschen aus der Ukraine geht es um die Aufnahme als Kriegsflüchtlinge. Die rechtliche Materie ist nicht so einfach. Und es wird noch schwieriger, wenn es um Fluchtursachen geht. „Natürlich hört man jetzt viel vom Krieg, aber dass Menschen auch fliehen aus Ländern mit Naturkatastrophen oder Hungersnöten, darüber habe ich noch nicht so richtig nachgedacht", gesteht Lena (19). An diesem Tag ging es nicht so sehr darum, wie Geflüchtete aufgenommen werden, sondern um die rechtlichen Aspekte, betont Mert (19), und spricht auch für die anderen, wenn er sagt: „Vieles hat man nicht gewusst". Wie eben die Fragen nach den Gründen und welche Rechte und Möglichkeiten sich daraus herleiten. Alleine darüber mehr zu erfahren, sehen die Schülerinnen und Schüler als Bereicherung. Aber es geht auch um ein Stück mehr, wie es Lena (19) beschreibt: „Vieles hat man aus den Medien mitbekommen, aber nichts, was mir so wirklich nahe gegangen wäre. Ich wusste ja, dass es schlimm ist, aber dass es viele Gründe gibt, darüber habe ich noch nie nachgedacht. Jetzt denke ich schon darüber nach, wie man helfen kann. Auf jeden Fall sehe ich es jetzt mit anderen Augen".
Mit anderen Augen sehen, das gilt auch für den zweiten großen Teil, der an diesem Tag diskutiert worden ist, nämlich im Workshop „Sanktionen". Die sind „viel umfangreicher, als man das gedacht und mitbekommen hat", meint Laurentz (19), und Sebastian stimmt zu: „Man bekommt sehr viel mit in den Nachrichten, da war es interessant, mehr darüber zu erfahren und zu vertiefen". Und natürlich über eine der dabei zentralen Fragen zu diskutieren: „Es gibt viele Beispiele, wo Sanktionen nicht den gewünschten Erfolg haben, es gibt aber immer wieder auch Beispiele, wo die Sanktionen greifen".
Sind die massiven Sanktionen gegen Russland also zielführend – oder werden sie am Ende gar Putin stärken? Laurentz beobachtet: „Im Moment nutzt es Russland für die eigene Meinungsmache, um eine Entfremdung in der eigenen Bevölkerung gegen den Westen herbeizuführen". Jedenfalls sei es „wichtig, dass die Sanktionen die Machthaber treffen und dass keine Sanktionen verhängt werden, die die Bevölkerung treffen". Aber natürlich ist den Schülern auch klar, dass das in der Praxis nicht wirklich zu trennen ist.
In einem sind sie sich aber unzweifelhaft einig. „Die Sanktionen sind nötig, um ein Statement zu setzen, dass man sich von Russland distanziert. Es ist auch sehr wichtig, weil man nicht gleich mit militärischen Mitteln vorgehen sollte. Und dann sind Sanktionen die einzige Alternative, die bleibt". Ob sie aber auch ihr Ziel erreichen? Wenn ein Ziel sein sollte, dass sich die Bevölkerung gegen Putin wendet, gibt Sebastian zu bedenken: „Sehr schwierig, weil dort eine überwiegende Mehrheit für Putin ist. Die jüngere Bevölkerung ist vielleicht eher gegen einen Krieg, aber die ältere ist doch sehr mit Putin verbunden. Bei den Sanktionen ist es so, dass es vielfach die Bevölkerung trifft, weil die Wirtschaft gekappt wird. Dann stehen Jobs auf dem Spiel." Und wie dann Reaktionen ausfallen, ist wohl ungewiss. Sebastian weist darauf hin: „Das Problem ist, dass man in Russland keine freien Medien mehr hat. Was man im Fernsehen sieht, ist im Grunde Staatspropaganda. Und dann ist es immer schwierig, sich eine richtige Meinung zu bilden". Schwierig deshalb auch, die wirkliche Stimmungslage in Russland einzuschätzen. „Nicht alle stehen zu Putin, aber viele haben Angst, ins Gefängnis zu gehen." Das droht, wenn sie das offen sagen würden.
Auf die klassische Reporterfrage („Macht die Bundesregierung derzeit einen guten Job?") fällt die Antwort knapp aus: „Gute und schwierige Frage." In einer anderen Frage gibt es deutlich mehr zu sagen. Nämlich was dieser Tag zum Thema Ukraine am Europa-Institut gebracht hat. „Viel draus gelernt." „Wichtig, dass man aufklärt und den Leuten sowas anbietet". Der Tag hat die jungen Leute mit ernsten Mienen zurückgelassen. „Sehr interessant, teilweise sehr erschreckend, Dinge aus anderem Blickwinkel zu sehen, die man vorher nicht wusste und auch nicht wissen konnte". „Krieg – da werden Leben vernichtet, Existenzen vernichtet, Menschen sind auf der Flucht. Ein ernstes Thema – und entsprechend fühlt man sich auch."