Deutschlands Privatschulden werden überwiegend ordnungsgemäß bedient – trotz Corona. Dennoch steigt die Zahl der Schuldenberatungsgespräche. Die Inflation ändert an der Höhe der privaten Schulden zwar nichts, größere Anschaffungen aber würden zurückgestellt, so die Schufa.
Ratenkredite für Haus, Auto oder das Smartphone – nichts ungewöhnliches in Deutschland. Die Corona-Krise hatte jedoch Befürchtungen geweckt, dass die deutschen Privatschulden und Kredite vermehrt nicht mehr bedient werden können. Dem ist jedoch nicht so, fand eine aktuelle Studie nun heraus.
Erstmals seit vier Jahren haben die Deutschen wieder mehr Kredite aufgenommen. Gefragt waren 2021 vor allem kleinere Summen, insbesondere von jungen Leuten. Größere Anschaffungen wurden dagegen verschoben, wie aus dem Risiko- und Kreditkompass der Auskunftei Schufa hervorgeht. Zugleich erwiesen sich die Verbraucherinnen und Verbraucher als zuverlässig: Sie zahlten ihre Ratenkredite auch im zweiten Corona-Jahr zurück. Wie in den beiden Vorjahren wurden demnach 97,9 Prozent aller aufgenommenen Ratenkredite vertragsgemäß bedient. Die Pandemie habe auch 2021 keine negativen Auswirkungen auf die Ver- und Überschuldung der Menschen in Deutschland gehabt, hieß es in der Studie. Dass die Schuldner bislang so zuverlässig zahlen, wie die Schufa ermittelt hat, hatte offenbar auch mit Druck zu tun: Gläubiger wie Banken und Inkassobüros drohen häufig mit Lohn- und Eigentumspfändung oder mit einem Schufa-Eintrag, so Schuldnerberatungsstellen.
Trotzdem könnte nun die Inflation Auswirkungen auf private Schuldner haben. Die Geldentwertung von derzeit fast acht Prozent senkt zwar den Schuldenstand kaum, dafür wären Inflationsraten in doppelter Höhe notwendig. Sie senkt jedoch die Bereitschaft, mehr Geld für teurere Anschaffungen auszugeben. Dass ärmere Haushalte sich im Augenblick weniger leisten können, spüren zudem Deutschlands Schuldnerberatungen.
Bereitschaft zum Geldausgeben sinkt
Im Frühjahr dieses Jahres haben die gemeinnützigen Schuldnerberatungsstellen in Deutschland im Vergleich zum Spätsommer 2021 einen deutlichen Anstieg bei der Nachfrage nach Beratung verzeichnet. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV), die kürzlich zum Abschluss der Aktionswoche Schuldnerberatung veröffentlicht wurde. Gleichzeitig machte das Bündnis klar, dass ein Ausbau der Schuldnerberatung vor allem hinsichtlich eines gesetzlichen Anspruches darauf, ihre auskömmliche Finanzierung sowie Investitionen in die Digitalisierung der sozialen Schuldnerberatung dringend notwendig seien, damit überschuldete Menschen Unterstützung erfahren.
Der Schuldenstand der Privathaushalte in Deutschland beträgt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes etwa 202 Milliarden Euro. Im Schnitt tragen Schuldner eine Last von knapp 29.000 Euro pro Kopf. Im vergangenen Jahr zählte die Schufa rund 6,9 Millionen neu abgeschlossene Ratenkredite. Das waren etwa 4,5 Prozent mehr als 2020. Besonders stark legte die Nachfrage nach Krediten unter 1.000 Euro zu. Ihr Anteil an allen neu abgeschlossenen Verträge stieg von 19,9 Prozent 2020 auf nunmehr 29,5 Prozent. Die Anteile mittlerer (1.000 bis 10.000 Euro) und großer Ratenkredite (ab 10.000 Euro) waren hingegen rückläufig.
Der Grund: die Inflation. „Die Deutschen stellen größere Anschaffungen zurück", sagt auch Schufa-Vorstand Ole Schröder gegenüber der Presse. In einer Befragung im Mai hatten 57 Prozent der Menschen angegeben, dass sie größere Investitionen aufschieben. Bereits im vergangenen Jahr trieben Energiepreise die Verbraucherpreise nach oben. Weitere Energiepreissprünge infolge des Ukraine-Krieges verschärfen die Entwicklung in diesem Jahr. Der große Gewinner aber sind Kleinkredite. Den Schufa-Angaben zufolge waren niedrigere Kreditsummen im vergangenen Jahr vor allem bei jüngeren Menschen beliebt. „Der hohe Anteil von niedrigen Kreditsummen vor allem in jüngeren, internetaffinen Zielgruppen lässt sich offensichtlich auf sogenannte Buy-Now-Pay-Later-Angebote zurückführen, die zunehmend nachgefragt werden", erläuterte Schröder.
Aufschub nicht immer kostenlos
Dabei handelt es sich um den Kauf auf Pump mittels Online-Bezahldiensten. Bei manchen Bezahldiensten können Verbraucher nach Angaben der Finanzaufsicht Bafin im Nachhinein das Zahlungsziel auf einen späteren Zeitpunkt verschieben oder den offenen Rechnungsbetrag in Ratenzahlung umwandeln. Bei anderen Bezahldiensten werden offene Rechnungen, die ein Kunde bei einem Händler hat, über einen bestimmten Zeitraum zusammengefasst und erst später fällig gestellt. „Diese vermeintlich praktischen Bezahllösungen können sich für junge Menschen schnell als Schuldenfalle entpuppen", warnt Schröder. Auch die Bafin mahnte jüngst, dass leicht der Überblick verloren gehen könne. „Wer solche Möglichkeiten öfter nutzt, braucht viel Disziplin, um den Überblick zu behalten. Wie hoch sind meine Ausgaben und wann muss ich was zahlen? Wer sich das nicht aufschreibt oder in einer App organisiert, hat am Ende mehr Schulden, als er bezahlen kann", so die Bafin. Zudem sei das Aufschieben der Zahlung nicht immer kostenlos, sondern könne mit Zinsen und Gebühren zu Buche schlagen. Verbraucherschützer kritisieren, dass es bei dieser Finanzierungsform häufig keine Kreditwürdigkeitsprüfung gebe und die Informationen vor Vortragsabschluss teilweise unzureichend seien. Dadurch könnten Verbraucher nur schlecht abschätzen, worauf sie sich einließen.