Alba Berlin strahlt im deutschen Basketball fast schon wieder so eine Dominanz aus wie zur Jahrtausendwende. Doch der Erfolg muss immer wieder hart erarbeitet werden. Auch in diesem Sommer steht ein Umbruch bevor.
Nicht wenige behaupten, ohne Marco Baldi würde es Alba Berlin gar nicht geben. Zumindest war er 1990 schon Geschäftsführer von Vorgängerclub DTV Charlottenburg. Und als einer der ersten Manager überhaupt versuchte er, professionelle Strukturen im deutschen Basketball aufzubauen. Ihm gelang es, das Entsorgungsunternehmen Alba als Namenssponsor an Land zu ziehen –
und mit den dadurch deutlich gestiegenen finanziellen Mitteln baute Baldi mit ein paar Jahren Anlauf ein Meisterteam auf. Nicht nur das: Alba dominierte den deutschen Basketball mit sieben Meistertiteln in Serie – von 1997 bis 2003.
Als die Berliner im diesjährigen BBL-Finale ihrem Erzrivalen Bayern München keine Chance ließen und mit 3:1 nach Siegen dominierten, fühlten sich manche an die glorreiche Zeit von damals zurückerinnert. Mit drei gewonnenen Meisterschaften in Folge prägt der Club wieder eine kleine Ära, doch wirkliche Parallelen sieht Baldi nicht. „Man muss heute viel mehr aufbringen an Kreativität und Können als vor 20 Jahren", sagte er und fügte hinzu: „Damals war die Ausgeglichenheit in der Spitze noch nicht so groß. Das ist ein großer Unterschied."
Dominanz war umso beeindruckender
Deswegen war die Dominanz, die Alba in den Play-offs mit insgesamt 9:1 Siegen ausgestrahlt hat, auch umso beeindruckender. Zumal auf dem Papier nicht Berlin, sondern München den höchsten Etat aufwies. Doch Alba nahm München bis auf das völlig verpatzte dritte Spiel zu Hause (60:90) förmlich auseinander. „Es war eine unglaubliche Saison", schwärmte Nationalspieler Johannes Thiemann: „Ich freue mich unglaublich, dass wir es geschafft haben."
Und das wurde ausgiebig gefeiert. Zuerst in der Münchener Arena beim entscheidenden dritten Sieg (96:81), dann im Party-Bus und schließlich bei der Saisonabschlussfeier mit den eigenen Fans. „Wir haben alle ein Lächeln auf dem Gesicht, das ein bisschen eingefroren ist", sagte Baldi, der die unbändige Feierlaune der Spieler gut erklären konnte: „Wenn sich Teams auf dem Feld gut verstehen, befruchtet sich das auch außerhalb des Spielfelds. Das merkt man auch beim Feiern." Es sei nicht nur sehr intensiv, sondern „auch mit einer wahnsinnigen Herzlichkeit und Euphorie" verbunden gewesen.
Dass diese Euphorie mit jedem Tag nachlässt und die Arbeit für die kommende Saison immer stärker in den Fokus rückt, liegt in der Natur der Sache. Baldi wälzt längst schon wieder Verträge, spricht mit potenziellen Neuzugängen und verhandelt mit anderen Vereinen. Auch in diesem Sommer steht dem Meister ein Umbruch bevor, nicht jeden Leistungsträger wird der Club halten können. Power Forward Oscar da Silva zum Beispiel soll sich spanischen Medien zufolge mit dem FC Barcelona über einen Wechsel einig sein. Der 23 Jahre alte Münchener hat sich nach seinem Wechsel im vergangenen Sommer aus Ludwigsburg schnell in Berlin eingelebt, eine beeindruckende Konstanz gezeigt und sich für internationale Topclubs interessant gemacht. So wie viele andere vor ihm. „Das Thema haben wir seit Jahren, es ist auch nicht so wahnsinnig dramatisch", meinte Baldi: „Alle, die gehen, gehen mit einem weinenden Auge und vor allem gehen sie als Botschafter des Vereins." Denn Profis, die von Alba ins Ausland wechseln, seien zuvor hier „individuell besser geworden, haben eine gute Zeit gehabt und in der Regel ihren Marktwert erhöht". Das spricht sich in der Szene herum. „Wir kommen an Spieler heran, die sehr talentiert sind, eine hohe Qualität haben", erklärte Baldi. Die „ganz Großen mit den ganz dicken Brieftaschen" hätten bei Spielern wie da Silva vor einem Jahr das Risiko gescheut, Alba ging es ein. „Das sind genau die Spieler, die wir besser machen und die uns besser machen", sagte er.
„Sie spielen wirklich einen tollen Ball", schwärmte auch Magentasport-Experte Denis Wucherer über Alba. Der ehemalige Nationalspieler und heutige Trainer ist vom ganzheitlichen Konzept des neuen und alten Deutschen Meisters angetan. „Wir lieben alle die Offensive von Berlin, aber wir dürfen nicht vergessen, dass sie auch die beste Verteidigung der Liga stellen", betonte Wucherer: „Sie rotieren sehr konsequent, helfen sich gegenseitig und haben von Position drei bis fünf eine sehr große Länge, sodass es den Bayern-Spielern schwerfiel, in Korbnähe abzuschließen." Doch Baldi betonte: „Wir in Berlin spielen nicht nur schön, sondern Gott sei Dank auch erfolgreich."
Vor allem beim Sieg in Spiel zwei in München dominierte Alba nach Belieben. Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeneß, der einst in den Aufbau der Basketballabteilung viel Herzblut gesteckt hat und bekennender Fan der Sportart ist, sah auf der Tribüne überhaupt nicht glücklich aus. Zwischenzeitlich waren die Berliner 17 Punkte enteilt, es hatte Züge eines Trainingsspiels. „Das war Schach, was die Bayern gespielt haben", kritisierte Wucherer: „Sie sind nie in einen Flow gekommen." Anders die Berliner. „Wir haben sehr gut gespielt", schwärmte da Silva hinterher, und auch Trainer Israel González hatte diesmal (fast) nichts zu meckern: „Das war sehr wichtig, dass wir unter den Körben dominiert haben. Das war der Schlüssel."
„Alle entwickeln sich prächtig"
Ein großes Erfolgsrezept ist zweifelsohne der ausgeglichene Kader, der es Alba erlaubte, die Kräfte seiner Topspieler zu schonen, ohne dass die Bankspieler zu einem spürbaren Qualitätsverlust beitrugen. „Wir haben keinen Spieler, der 35 Minuten spielt", zeigte González auf: „Wir haben 14 Spieler, die wir fast die komplette Saison einsetzen." Bei den Bayern war die Verantwortung dagegen auf einige wenige Schultern verteilt. Die erfolgreiche, aber auch kräftezehrende Euroleague-Saison, in der man im Viertelfinale den großen FC Barcelona fast zum Scheitern gebracht hatte, zog manchen Spielern den Stecker. Fast alle Leistungsträger steckten danach im Leistungstief, hinzu kam großes Verletzungspech. So fielen gegen Berlin nicht nur die verletzten Darrun Hilliard (Schlüsselbeinbruch) und Corey Walden (muskuläre Probleme) aus, sondern auch der eigentlich unersetzbare Vladimir Lucic wegen muskulärer Probleme.
Deutsche Spieler von hoher Spielqualität, die in solchen Situationen in die Bresche springen, hat München nicht. Auch in diesem Punkt sind ihnen die Berliner um Längen voraus. „Das ist das Alba-System. Hier werden junge Spieler herangeführt und deutsche Spieler geholt, so wie Olinde, Thiemann, da Silva oder Lo", erklärte Wucherer: „Alle entwickeln sich prächtig, sie dürfen auch Fehler machen. Das macht sich bemerkbar, deswegen ist Alba zurzeit national spitze."
Die Statistik belegt dies: Vor dem dritten Finalspiel waren deutsche Alba-Profis auf 43,4 Prozent der Gesamteinsatzzeit gekommen, während die Zahl bei Bayern lediglich 16,4 Prozent betrug.
Alba setzt diesen Weg konsequent fort. Jüngstes Beispiel: die auf der Saisonabschlussfeier verkündete und von den Fans bejubelte Vertragsverlängerung mit Tim Schneider. Der Flügel- und Center-Spieler ist seit über zehn Jahren im Verein, er war an drei Titeln beteiligt. In der abgelaufenen Saison erzielte er seinen Karriere-Höchstwert von durchschnittlich 7,8 Punkten pro Spiel. „Er passt bestens in unser System und verkörpert darüber hinaus die Philosophie des Vereins", meinte Sportdirektor Himar Ojeda.