Das Leid der Menschen in der Ukraine und die Betreuung der Flüchtlinge rufen immer wieder engagierte Menschen auf den Plan. So hat sich auch im Saarland eine Gruppe von engagierten Unternehmen und Vereinen unter dem Stichwort gemeinsamhelfen.eu zusammengetan.
Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat weltweit Entsetzen ausgelöst. Angesichts dieser greifbaren Bedrohung haben sich viele Staaten, Politikerinnen und Politiker, Hilfsorganisationen und Privatpersonen auf den Weg gemacht, das ukrainische Volk in seinem Widerstandskampf zu unterstützen.
Auch eine Gruppe von engagierten Unternehmen und Vereinen aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz hat sich angesichts der humanitären Katastrophe unter dem Stichwort „gemeinsamhelfen.eu" zusammengetan, um den Kriegsflüchtlingen und den Menschen vor Ort schnell und unkompliziert zur Seite zu stehen.
„Zusätzlichen Ansporn erhalten wir von unseren ukrainischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich um die eigene Familie, Freunde und Nachbarn in der Ukraine sorgen", erzählt Michael Zimmer, Chef-Koordinator von gemeinsamhelfen.eu. „Von ihnen erfahren wir aus erster Hand, wie sich die Lebenssituation in der Ukraine von Tag zu Tag zuspitzt."
„Ständig hörte ich übers Telefon Sirenen"
So hat ihre ukrainische Mitarbeiterin Lena Shteyner am Morgen des 24. Februar sofort alle ihre Verwandten in der Ukraine angerufen. „Was sie mir erzählten, war erschreckend", so Lena Shteyner. „Ständig hörte ich übers Telefon Sirenen in den Städten Kiew, Cherson, Nezhin oder Odessa. Meine Verwandten erzählten mir, dass alle Fabriken und Unternehmen geschlossen seien, dass sich die Menschen in den Kellern verstecken, dass keiner mehr arbeitet, dass die Geschäfte und Märkte geschlossen blieben. Als Folge wurden die Lebensmittel knapp, es gab kein Brot. Zunächst haben meine Verwandten gehofft, dass der Horror schnell ein Ende findet. Als die Angriffe immer näher kamen, flohen meine Verwandten. Sie haben über 60 Stunden gebraucht, um mit dem Bus über Moldawien, Rumänien, Ungarn und Österreich nach Deutschland zu kommen. An der ukrainischen Grenze gab es lange Staus, die Städte in Moldawien waren überfüllt mit Flüchtlingen. Ich war sehr erleichtert, als sie endlich in Sicherheit waren."
„Sofort mit Kriegsbeginn haben wir nach Mitstreitern gesucht, um unsere Hilfe auf eine breite Basis zu stellen", sagt Michael Zimmer. Am 11. März war es dann soweit. „Der erste Hilfskonvoi mit Lebensmitteln, Kleidung, Medikamenten, Trinkwasser und Hygieneartikeln startete Richtung Polen." Gemeinsam mit der Bürgerinitiative Ukraine-Hilfe Koblenz und dem Busunternehmen Lambrecht ging es über Breslau nach Kattowitz. „Dort angekommen waren wir überwältigt von der Vielzahl von Helfern aus ganz Europa und der großen Solidarität, die den Ukrainern in ihrem Freiheitskampf entgegenschlug." In Kattowitz wurden die ersten Hilfsgüter umgeladen. Per Zug gelangten sie nach Kiew, wo sie von der Familie von Lena Shteyner in Empfang genommen und mit Bussen in ein Waisenhaus in Nezhin gebracht wurden. „Von der schwierigen Situation, in der das Waisenhaus ist, hatten wir durch Lenas Familie erfahren. Bis zu 100 Kinder und Jugendliche, zum Teil behindert und schwerstkrank, leben in dieser Einrichtung. Etwa 30 werden palliativ betreut. Eine Evakuierung war deshalb nicht möglich. Die Kinder und Jugendlichen drohten zu verhungern, da sie von einer Lebensmittelversorgung abgeschnitten waren.
„Die vielen Kontrollpunkte, Schießereien und gesperrten Straßen erschwerten den Transport so sehr, dass die Helfer für die knapp 130 Kilomter rund fünf Stunden Fahrtzeit brauchten und erst kurz vor der Sperrstunde ankamen."
Dankbar für die Hilfe schrieb die Mitarbeiterin des Waisenhauses: „Ihr habt das Leben so vieler Kinder verlängert. Ich habe auf sie geschaut und Tränen standen in ihren Augen. Wir haben Probleme mit Licht und Wasser, es gibt Kämpfe und sie zerstören die Leitungen. Wir warten, bis sie repariert sind, und dann sind wir wieder in der Zivilisation, bei uns ist alles in Ordnung. Wir haben uns mit Geduld bewaffnet und warten darauf, dass alles vorbei ist. Ich habe so viele Worte des Dankes und der Wertschätzung für Eure Hilfe erhalten, es ist sehr motivierend und inspirierend und gibt Kraft, weiterzumachen und weiterzuleben."
Während die Hilfsgüter zum Waisenhaus unterwegs waren, fuhren die Helfer weiter nach Warschau. In der Eishalle warteten einige ukrainische Familien, die nach Deutschland flüchten wollten. Die Entscheidung war ihnen nicht leicht gefallen. Sie gingen in die Ungewissheit, in ein unbekanntes Land. In Polen konnten sie sich zumindest halbwegs verständigen und waren in der Nähe zur Ukraine. „Während der Rückfahrt im Bus merkten wir den Frauen und Kindern ihre Erschöpfung deutlich an", so Michael Zimmer weiter. „Kaum eine sprach. Die Kinder schliefen schnell ein. Rund 50 Personen kamen bei dieser Tour nach Deutschland, 40 davon ins Saarland", schildert Zimmer das glückliche Ende des ersten Hilfskonvois.
„Viele Krankenhäuser sind zerstört"
Im Saarland fokussiert sich gemeinsamhelfen.eu auf die Vermittlung von Wohnraum und die Ausstattung mit dem Nötigsten, denn der Bedarf ist riesig, und die Erfahrungen in der Landesaufnahmestelle Lebach waren ernüchternd.
Liliana Amendola, Mitglied bei gemeinsamhelfen.eu, empfand die Situation in Lebach als schwierig: „Die Helfer waren sehr bemüht, allerdings an vielen Stellen überlastet. Aufgrund der Situation in Lebach haben wir der Landesaufnahmestelle unsere Unterstützung angeboten. Wir wurden daraufhin an die Hilfsorganisationen vor Ort weiterverwiesen, die wiederum keine Auskunft geben konnten, wie konkret geholfen werden kann. Daher haben wir uns über ukrainisch-sprachige Helfer direkt an die Flüchtlinge gewandt und mit Sachspenden geholfen. Aus diesen Gründen entschieden wir uns letztendlich", so Michael Zimmer, „die von uns nach Deutschland gebrachten ukrainischen Flüchtlinge lieber in eigens von uns organisierten Wohnungen unterzubringen und mit freiwilligen Helfern zu betreuen." So haben zum Beispiel drei Familien eine neue Bleibe in der firmeneigenen Villa in Quierschied gefunden. Die Villa wurde zu Corona-Zeiten erworben und dient zukünftig als Coworkingspace für die m&r Kreativ GmbH. „Da derzeit noch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freiwillig im Homeoffice sind, konnten wir die oberen Räume für die Flüchtlinge innerhalb von wenigen Tagen wohnlich einrichten. Viele ukrainische Frauen und Kinder, die wir mitgenommen haben, haben eine schwere Zeit hinter sich und sind zum Teil traumatisiert durch die Kriegserlebnisse. Aus diesem Grund organisieren wir gemeinsame Treffen oder zum Beispiel Zoobesuche, um ihnen ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit zu vermitteln." Erschreckende Bilder aus der Geburtsklinik in Nezhin führten dazu, dass die Hilfsorganisation eine langfristige Partnerschaft für die Grundversorgung für diese Mütter und ihre Babys eingegangen ist. „Hierzu fragen wir regelmäßig den Bedarf an Kleidung, Hygieneartikeln, Nahrungsmitteln und Medikamenten ab, um so auch kurzfristig bedarfsgerechte Hilfspakete auf den Weg zu bringen, die wir bis zu deren Ankunft vor Ort verfolgen. Durch unseren Kontakt zum Präsidenten von Rotary Kiew tauschen wir uns mit der Ärztekommission aus Kiew aus. Viele Krankenhäuser sind zerstört und es fehlt an Allem. Gebraucht werden wichtige Medikamente aber auch Geräte wie Herz-Lungenmaschine, Ultraschallgeräte und so weiter."
Durch Mund-zu-Mund-Propaganda hat sich das Hilfsnetzwerk schnell vergrößert, Geld- und Sachspenden kamen durch Benefizkonzerte und Spendenaufrufe zusammen. Auch die Schar der Ansprechpartner vor Ort wächst. Gesucht und gebraucht werden weiterhin ukrainisch und russisch sprechende Helfer, welche die Menschen hier vor Ort betreuen beziehungsweise Helfer, die beispielsweise bei der Wohnungseinrichtung und dem Transport von Möbeln und Sachspenden unterstützen. Weitere Hilfstransporte hauptsächlich mit Lebensmitteln und Medikamenten sind auch fest eingeplant.