Kawaii Fashion ist eine Moderichtung für all jene, die es extra verspielt und niedlich mögen. Rüschen, Buttons, Schleifen, Comic-Helden und haufenweise Accessoires zeichnen den typischen Look aus. Der ist hierzulande eher selten anzutreffen, doch wenn, dann fällt er einem sofort ins Auge.
Der japanische Ausdruck für niedlich oder süß ist „kawaii". Inzwischen steht der Begriff für eine ganz eigene kulturelle Bewegung, ein ästhetisches Konzept, dass viele Facetten umfasst. Hier geht es nicht einfach nur um Mode, es verbirgt sich ein ganzer Lifestyle dahinter. Man isst Kawaii, trägt Kawaii, lebt Kawaii und verbringt seine Freizeit ebenso. Begonnen hat die Liebe zum Kindlichen in den 1970er-Jahren. Zu dieser Zeit entdeckten überwiegend junge Japanerinnen ihren Hang zu Comic-Charakteren, einer schnörkeligen Handschrift und sehr mädchenhafter Kleidung. Sie bildeten eine eigene Gruppe, eine Peer-Group innerhalb der Gesellschaft. Doch anders als die Punk-Bewegung wurde Kawaii als Konstrukt akzeptiert und toleriert. Es setzte sich sogar als Werbemittel für das Militär, große Unternehmen und Fluglinien durch. Plötzlich ersetzten zum Beispiel bei Japan Airlines niedliche Zeichentrick-Flieger auf rosafarbenen Frotteehandtüchern die Standard-Flugzeuge auf weißem Grund. Damit warb man für guten Service und zufriedene Gäste. Mit Erfolg. Da wundert es nicht weiter, dass das Thema bald auch in Südostasien angekommen war und sich dort verbreitete. Ein Siegeszug begann, der selbst vor Europa nicht haltmachen sollte. Hier fanden sich erste Anhänger dieser Bewegung zur Jahrtausendwende. Und sie haben sogar ihre eigenen Superhelden, allen voran Hello Kitty und Pikachu, niedliche japanische Comic-Figuren, die sich längst auch in deutschen Geschäften und Online-Stores einfach überall in den Auslagen tummeln. Wer möchte, der schleppt ein Plüschtier als Accessoire mit sich herum, hängt es sich als Rucksack über die Schultern oder wählt Shirts und Kleider mit entsprechendem Aufdruck. Überhaupt sind solche Figuren eines der Aushängeschilder für diesen außergewöhnlichen Modestil.
Kawaii heißt „süß" und steht für ein ästhetisches Konzept
Neben bunten Prints in allerlei Ausprägungen geht es auch um die Form. Hier dürfen Rüschen, Schleifen und Buttons einfach nirgendwo fehlen. Klassische Farben sind Rosa, Pink, Pastelltöne und Weiß. Am schönsten wirkt ein Look, wenn alle Töne harmonieren, aber dennoch auch Kontraste erkennen lassen. Die Schnitte der Kleider und Röcke sind eher sehr körperbetont und kurz. Unter den Miniröcken tragen Kawaii-Fans bunte Kniestrümpfe oder Netzstrümpfe mit Halter. Über den Röcken oder Kleidern kommen Shirts mit niedlichen Prints, Volantblusen, Crop-Tops oder kurze Hemden. Darüber taillierte Strickjacken oder Lederjacken, falls es etwas kühler werden sollte. An die Füße kommen rosafarbene hohe Riemchensandalen, Plateauschuhe oder bequeme Chucks, ganz nach eigenem Empfinden, solange Stil und Farbe zum Rest passen und bloß nicht zu brav und bieder ausfallen. Was nun noch fehlt, sind die Accessoires und an denen spart kein Kawaii-Anhänger. Kunterbunte XXL-Sonnenbrillen, Ketten mit Kunststoffperlen, bunte Armreifen, Broschen, Haarspangen, Taschen oder Rucksäcke, die aussehen, wie aus der Kinderabteilung entnommen sind nur einige der unzähligen Möglichkeiten, seinem Style Ausdruck zu verleihen und die Einzigartigkeit zu unterstreichen. Gleiches gilt natürlich auch für die Wahl der passenden Frisur. Braver Pony zu wildem Pferdeschwanz ist ebenso typisch wie Seitenzöpfe und in Locken gedrehte Haare, die mit kunterbunten Clips oder Plüsch-Haarreifen im Zaum gehalten werden. Dazu darf das passende Make-up nicht fehlen. Lippen in Rosa oder Pink zu großgeschminkten Augen. Ein Trend, der sich nicht nur in Japan einer breiten Anhängerschaft erfreut. Da viele Asiatinnen eine eher mandelförmige Augenform haben, behelfen sie sich mit optischen Tricks und Kontaktlinsen, um den gewünschten unschuldigen Kleinkind-Augenaufschlag zu imitieren. Wer das auch lernen möchte, kann sich entsprechende Tutorials in den sozialen Netzwerken wie Youtube oder Tik-Tok ansehen.
Tutorials auf Youtube und Tik-Tok
Fehlen nur noch konturierte Stupsnasen und pinkes Rouge auf den Wangen. Wer mag, der zaubert kleine Kunstwerke dazu oder klebt sich Gesichtstattoos (Amazon, Shein, Rossmann unter anderem) auf. Hier sollte vorher unbedingt ein Test stattfinden, ob der Kleber gut vertragen wird. Wer noch auf der Suche ist nach passender Kleidung, der sollte sich bei Swankiss, Wego, Ropé Picnic, Vis oder Olive des Olive einmal näher umsehen. Die Auswahl ist sehr gut, die meisten Brands liefern auch nach Deutschland und sie bieten wirklich schöne Sets und Einzelstücke, die ein echtes Fan-Herz zum Schmelzen bringen. Mit etwas Kreativität lassen sich ausgewählte Stücke natürlich genauso selbst nähen. Dann passen Schnitt, Stoff und Motivwahl am besten zum eigenen Geschmack. Entsprechende Näh-Anleitungen finden sich mittlerweile zuhauf im Internet. Alternativ dazu können auch handelsübliche Röcke oder Kleider entsprechend aufgehübscht werden, indem sie zum Beispiel einen neuen Volant-Saum erhalten, einen Schmuck aus Schleifen oder Buttons aufgesetzt bekommen oder mithilfe von Bügelbildern zum echten Hingucker mutieren. Wichtig ist, es muss bunt, sehr kindlich und niedlich sein, der Rest obliegt dem eigenen Geschmack und der individuellen Gestaltungsfreude. Wer Kawaii zum Lebensmotto erklärt hat, richtet sich nicht nach sturen gesellschaftlichen Konventionen oder den allgemeinen Mode-Trends der großen Designer. Man lebt vielmehr im eigenen kleinen Universum, gern mit Gleichgesinnten.
Und weil die Auswahl der Möglichkeiten nahezu unbegrenzt ist, hat sich die Mode-Richtung selbst in viele Unterbereiche aufgeteilt. Deren bekannteste sind Lolita-Fashion, Harajuku und Yami Kawaii. Der Lolita-Style konzentriert sich verstärkt auf die sexy-verspielte Seite der Kleidung. Extrem kurze Röcke, haut- enge Jumpsuits, bauchfreie Tops mit Underboobs und vieles mehr sind typische Elemente dieser Kawaii-Richtung. Sexy und verspielt kann auch an einen Fetisch angelehnt sein und erinnert ein bisschen an Barbie-Puppen. Anhängerinnen des Lolita-Looks zeigen gerne, was sie haben und tragen dies zur Schau. Etwas spezieller ist Yami Kawaii. Hier verbinden Fans düstere und niedliche Elemente und kreieren daraus einen spannenden Mischmasch. Neben Totenköpfen finden sich vermehrt medizinische Themen auf der Kleidung oder in Form von ausgefallenen Accessoires wie Spritzen zum Umhängen, Medikamentendosen als Handtaschen oder Arztkitteln als Jackenersatz. Dazu gesellen sich dann die typischen Mädchenfarben in zartem Pastell. Ein Look, der sehr eigensinnig ist, aber vielleicht gerade deshalb auch immer mehr in seiner Beliebtheit steigt. Etwas verbreiteter ist Harajuku Fashion. Der Begriff umschreibt dabei weniger eine bestimmte Kleiderwahl als einen Lifestyle. Benannt wurde die Kawaii-Richtung nach dem bekannten Street-Style und Art Bezirk in Tokio.
Ausdruck von Einzigartigkeit
Hier tummelt sich alles, was Kunst und Mode mag und wählt aus den unterschiedlichsten Szene-Boutiquen die tollsten Stücke aus. Auch das kann Ausdruck von Einzigartigkeit sein und trotzdem ausgesprochen niedlich aussehen. Schade daran ist eigentlich nur, dass echte Harajuku Fashion einen Bummel durch eben jenen berühmten Bezirk nötig macht – eine Aufgabe, die für europäische Kawaii-Fans eine lange Reise und hohe Kosten mit sich bringen würde. Wie gut, dass viele der Läden sich inzwischen auch einen Online-Store aufgebaut haben, in dem sich die tollsten Teile einfach bestellen lassen. Die Lieferung kann zwar ein bis zwei Wochen dauern und ist nicht ganz billig, doch bei einem Großeinkauf lohnt es sich. Zu beachten ist lediglich, dass Japanerinnen in der Regel kleiner und schmaler gebaut sind als Europäerinnen. Hier kann es sinnvoll sein, die neuen Lieblingsstücke besser eine Nummer größer zu ordern, damit auch alles passt. Ansonsten gibt es nichts weiter zu beachten, als Spaß zu haben, kreativ zu sein und seiner kindlichen Lebensfreude mit einem einzigartigen Begriff Ausdruck zu verleihen: Kawaii.