Die einen sehen die EU als undemokratisches Monstrum, die anderen bewerten den Ist-Zustand und die Debatten um Europas Weiterentwicklung als sehr positiv. Wie demokratisch ist die EU? Und welche Sichtweise trifft nun eher zu?
Spricht man von der europäischen Demokratie, dann sind drei Institutionen und ihre Beziehung zueinander von ganz besonderer Bedeutung: das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und der Rat der Europäischen Union.
Anders als in nationalen und ebenfalls regelmäßig gewählten Parlamenten hat das Europäische Parlament gewisse Einschränkungen. So kann es nur über Themengebiete beratschlagen, mit denen es durch die europäischen Verträge, quasi der Verfassung der EU, betraut ist. Das bedeutet zum Beispiel, dass Themenfelder wie eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik bisher nicht zum Arbeitsbereich des Parlaments gehören. Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist, dass das Parlament auf der Ebene der EU kein Initiativrecht besitzt. Das bedeutet, dass das Parlament keine eigenen Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen darf. Dieses Recht obliegt in der EU der Kommission sowie in begrenztem Umfang dem Rat der europäischen Union. Auch werden bis heute einige Entscheidungen zu relevanten Themen am Parlament vorbei durch die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten getroffen, auch wenn diese Fälle in den letzten Jahren zunehmend weniger wurden.
Ein dramatischer Unterschied im Vergleich zur nationalen Ebene ist außerdem, dass das Amt des Kommissionspräsidenten weder durch die europäische Bevölkerung direkt noch durch das Parlament selbst bestimmt wird. Das Parlament kann hier nur den Vorschlag der Staats- und Regierungschefs für den einflussreichen Posten bestätigen oder ablehnen. In einer funktionierenden Demokratie undenkbar auf nationaler Ebene.
EU ist ein sich wandelndes Gebilde
Was auf den ersten Blick immer sehr verwirrend wirkt ist, dass auf der EU-Ebene auch immer der Rat der Europäischen Union bei den Gesetzgebungsverfahren mit involviert ist. Er besteht aus den Fachministern der jeweiligen Mitgliedsstaaten und hat mehrfach im Prozess für ein neues Gesetz die Möglichkeit, dieses entweder zu billigen oder aber Änderungen einzubringen, die dann zurück ans Parlament gehen. Hier sind alle Mitglieder demokratisch legitimiert, wenn auch nicht über die europäische Ebene selber, so doch über die Wahlen in den jeweiligen Mitgliedsstaaten.
Schon an der etwas umständlichen Beschreibung wird klar, es gibt durchaus Verbesserungspotenzial für die Europäische Union, um transparenter und auch demokratischer zu werden. Was man sich jedoch bei aller Kritik immer vor Augen halten sollte ist, dass die EU ein über Jahre gewachsenes und sich immer noch wandelndes Gebilde ist, bei dem nicht alles in Stein gemeißelt ist. Die besonderen Befugnisse der Länder sollten immer auch als ein Ausgleich verstanden werden für die vielen Bereiche, in denen die Mitglieder ihre Gestaltungsautonomie für die EU aufgeben.
Gleichzeitig ist den meisten europäischen Akteuren aber bewusst, dass es damit nicht getan ist. Sowohl was das Initiativrecht des Parlaments als auch die Wahl des Kommissionspräsidenten angeht, mehren sich die Stimmen, die das Parlament weiter gestärkt sehen wollen. So ist es, wenn man sich in Brüssel umhört, nicht auszuschließen, dass es hier in den kommenden Jahren noch zu wegweisenden Veränderungen in Richtung mehr Demokratie in der EU geben könnte.