Die EU regelt die Vorgaben für Internetgiganten wie Apple, Facebook oder Amazon, die auf europäischem Boden aktiv sein wollen. Das soll den Wettbewerb ankurbeln und die Verbraucher schützen. Dabei hat die Union auch ihre eigene digitale Strategie im Blick.
Ein erster Schritt zur Regulierung ist getan: Das EU-Parlament hat strengere Vorgaben für Internetgiganten, die in der EU operieren, verabschiedet. Der „Digital Service Act" konzentriert sich dabei vor allem auf die Verbraucher und die Inhalte von Webseiten und Social-Media-Angeboten. Den Anbietern werden neue Pflichten auferlegt, die Verbraucher schützen sollen. Darunter fallen auch Hassrede und Desinformation, die schneller aus dem Netz genommen werden sollen. Der „Digital Markets Act" regelt dagegen den Wettbewerb. Im Grunde verbietet dieses Gesetz großen Internetkonzernen, Daten von Nutzern ohne deren Einwilligung aus unterschiedlichen Quellen zusammenzuführen, zum Beispiel, um gezielt Werbung zu schalten. Eine der einschneidendsten Pflichten für Anbieter: Sie müssen künftig ihre Empfehlungsalgorithmen, den Kern ihres Geschäftsmodells, gegenüber der Europäischen Union offenlegen. Zudem müssen Messengerdienste wie Whatsapp künftig auch Nachrichten anderer Dienste empfangen, kurz interoperabel sein.
Strengere EU-Vorgaben
Der deutsche IT-Verband Bitkom begrüßte diese beiden regulatorischen Schritte ausdrücklich. „Was offline illegal ist, muss auch online illegal sein und entsprechend geahndet werden", so Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. „Faire Wettbewerbsbedingungen und ein einfacherer Marktzugang auch für kleine und mittelständische Unternehmen sind für Innovationen unerlässlich. Wichtig bleibt dabei, das Wachstum europäischer Digitalunternehmen gezielt zu fördern, Investitionen zu steigern und dem Fachkräftemangel und der -abwanderung vorzubeugen."
Ein erster Schritt der EU, um nicht nur die Macht der vor allem in den USA beheimateten Tech-Giganten zu begrenzen, sondern auch, um den eigenen digitalen Markt anzukurbeln. Denn nicht nur grüner, auch digitaler soll sie werden, die neue Europäische Union, die sich neben dem Green Deal auch eine Digitalstrategie verordnet hat. Der europäische Gemeinschaftshaushalt für das kommende Jahr soll nach einem ersten Entwurf der EU-Kommission rund 185,6 Milliarden Euro umfassen. Dazu kommen voraussichtlich 113,9 Milliarden Euro an Zuschüssen aus dem Corona-Aufbaufonds, wie die Kommission Anfang Juni mitteilte. Priorität haben der Mitteilung zufolge Ausgaben für die Energiewende und die Digitalisierung sowie für dringende Bedürfnisse wegen der jüngsten Krisen. „Wir stellen weiterhin außerordentliche Mittel zur Verfügung, um den Aufschwung in Europa zu unterstützen und die aktuellen und künftigen Herausforderungen zu meistern", sagte Haushaltskommissar Johannes Hahn. Darin enthalten sind 4,8 Milliarden Euro für europäische strategische Investitionen, davon 341 Millionen für Schlüsselprioritäten wie Forschung und Innovation, ökologischer und digitaler Wandel, Gesundheitswesen und strategische Technologien, 2,9 Milliarden zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Infrastruktur und 1,3 Milliarden Euro für das Programm „Digitales Europa" zur Gestaltung der digitalen Zukunft der Union. Über den Haushaltsentwurf der Kommission werden nun die EU-Staaten und das Europaparlament beraten. Grundlage ist der mehrjährige Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027.
In einem digitalen Europa wägt die Union zwischen unterschiedlichen Gütern ab: wirtschaftlichen Interessen, Daten- und Verbraucherschutz, Informationsfreiheit, Cybersicherheit. In Europa existieren keine Digitalmultis wie Meta, Alphabet oder Amazon, die mittlerweile den Markt dominieren; ihr Marktverhalten und ihre Marktmacht setzt die EU unter Zugzwang. Das Ziel: Datenschutz und Sicherheit verbessern und Fake News entgegenwirken.
Facebook und Twitter haben nun kürzlich zugestimmt, ihren Kampf gegen Falschinformationen auf Drängen der EU auszuweiten. „Dieser neue Kodex gegen Desinformation kommt zu einer Zeit, in der Russland Desinformation als Waffe im Rahmen seiner militärischen Aggression gegen die Ukraine einsetzt", so Kommissionsvize Vera Jourova bei der Veröffentlichung des neuen Kodexes in Brüssel.
Konkret sollen Verbreiter von Falschnachrichten keine Werbeeinnahmen bekommen, Nutzer entsprechende Inhalte einfacher melden und Forschende besseren Zugang zu Daten bekommen, hieß es. Auch Faktenchecks sollen künftig eine immer bedeutendere Rolle spielen.
Der Verhaltenskodex im Kampf gegen Desinformation besteht seit 2018. Die nun überarbeitete Version haben mittlerweile 34 Beteiligte unterzeichnet – darunter etwa der Facebook-Mutterkonzern Meta, Google, Twitter, Tiktok und Microsoft. Aber auch kleinere Plattformen und zivile Fachleute beteiligten sich daran.
Online-Plattformen müssten nun viel energischer gegen Desinformation vorgehen, sagte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Niemand solle für die Verbreitung von Desinformation nur einen einzigen Euro bekommen. „Sehr große Plattformen, die wiederholt gegen den Kodex verstoßen und keine angemessenen Risikominderungsmaßnahmen ergreifen, riskieren Geldbußen von bis zu sechs Prozent ihres weltweiten Umsatzes", so Breton.
Fairer Wettbewerb
Zwar drohte Facebook noch zu Jahresbeginn, den europäischen Markt zu verlassen, wenn die EU weiter auf dem strengeren Datenschutz bestehe. Davon ließen sich die zuständigen Wirtschaftsminister der Länder nicht beeindrucken – klar ist, dass ein Markt aus über 400 Millionen potenziellen Nutzern nicht so einfach zu ignorieren ist. Um weiter agieren zu können, müssen die digitalen Multis aber wohl künftig Einblicke in den Kern ihres Geschäftsgeheimnisses gewähren: den Algorithmus. Mit ihm steht und fällt nicht nur, wie etwa Twitter funktioniert, sondern auch, welche Sicherheitsmaßnahmen im Sinne der Verbraucher getroffen werden.
Dabei könnte es auch anders gehen, transparenter, quelloffen. Wie, zeigen zwei EU-Schaufenster-Projekte, EUVoice und EUVideo. Sie sind jedoch nicht dafür bestimmt, Platzhirschen wie YouTube Konkurrenz zu machen. Dafür sind sie zu unbekannt, es gibt kein Marketing, die bisherigen Inhalte beschränken sich auf EU-Videos und schlecht abgefilmte Powerpoint-Präsentationen. Dort jedoch wird deutlich, was durch quelloffene Technologie und im Einklang mit dem europäischen Datenschutz möglich wäre. Denn beide laufen mit der Open-Source-Software Mastodon für soziale Netzwerke beziehungsweise PeerTube für die Videoplattform.
Dass die US-Riesen nun auf quelloffene Algorithmen umsteigen, ist nicht zu erwarten. Aber sie müssen ihre eigenen Algorithmen zumindest gegenüber den Behörden offenlegen. Die neuen Gesetze sollen der EU erlauben, rascher auf die sprunghaften, disruptiven Veränderungen in der Technologie reagieren zu können. Zuvor war sie auch in kartellrechtlichen Verfahren, die beispielsweise Google Milliarden kosteten, der Entwicklung hinterhergehinkt. Das soll sich nun ändern. Und es soll der europäischen Wirtschaft, die in digitaler Hinsicht mittelständisch geprägt ist, erlauben, fairer und mit geringeren Einstiegshürden auf dem Markt mitzumischen, hofft die EU. Ob dies tatsächlich gelingt, bleibt abzuwarten.