Investitionen in Wasserstofftechnologie verschlingen Milliarden. Und grenzüberschreitende Projekte bedürfen einer stetigen Abstimmung. Das zeigt auch das Beispiel des Saarlandes, das mit Luxemburg und Frankreich die Region versorgen will.
Der Energieträger Wasserstoff gilt in der westlichen Welt als das neue Öl des 21. Jahrhunderts. Er soll unseren wirtschaftlichen Wohlstand sichern und uns unabhängig von fossilen Rohstoffen machen. Die Anwendungsfelder im großtechnischen Stil reichen von der Stahlindustrie über das Transportwesen bis hin zur Wärmeversorgung mittels Brennstoffzellen und zur Herstellung von E-Fuels. Doch wie kommen Produktion und Verbrauch von Wasserstoff zusammen, dass es sich rechnet? Denn zur Herstellung dieses neuen „Schmierstoffs" für die Wirtschaft braucht es Unmengen an Strom, wenn Wasser per Elektrolyse in seine Komponenten Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird.
Ohne Förderung keine Infrastruktur
Und da scheiden sich die Geister, denn besonders in der Großregion prallen die unterschiedlichen Energiestrategien der drei Länder Deutschland, Frankreich und Luxemburg sichtbar aufeinander. Ist die Wasserstoff-Zukunft in der Großregion eher grün oder pink? Während sich das Saarland und das Großherzogtum bei der Produktion von Wasserstoff für die Nutzung regenerativer Energien, sprich grün, aussprechen, setzt Frankreich dank einer starken Atomlobby im eigenen Land unbeirrt auf Atomenergie. Zwar entsteht auch hier kein klimaschädliches Kohlendioxid, aber eben nuklearer Abfall. Die Fachwelt spricht von pinkem Wasserstoff. Doch allmählich dämmert es bei unseren französischen Nachbarn, dass Atomenergie trotz grünen Etiketts bei der EU-Taxonomie nicht unbedingt in den gewünschten Mengen zur Verfügung steht. Von den rund 60 französischen Meilern steht ein Drittel derzeit still aufgrund niedriger Wasserstände an den Flüssen und wegen sicherheitstechnischer Bedenken. Hinzu kommt die nicht geklärte Endlagerung ausgedienter Brennstäbe. Doch anders als die Politik in Paris würden Netzbetreiber wie die GRT Gaz lieber heute als morgen ihre Gasnetze für den Transport von Wasserstoff fit machen und zwar grenzüberschreitend, wohlwissend, dass die Energie-Zukunft Europas und damit die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern mehr denn je beim Wasserstoff liegt.

Wasserstoffprojekte in der Großregion von der Herstellung über den Transport bis zur Anwendung sind reichlich in der Pipeline. Das hat der erste Wasserstoffkongress in der Großregion Ende Juni in Saarbrücken eindrucksvoll gezeigt. Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden diskutierten über Möglichkeiten, wie mehr Druck beim Aufbau einer grenzüberschreitenden Wasserstoff-Infrastruktur gemacht werden könnte. Um von einer auf dem Papier existierenden Modellregion zu einer vorzeigbaren Beispielregion für Wasserstoff zu werden, ist es noch ein langer Weg. Der könne nur europäisch sein, sagt die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger. „Zur Gestaltung des europäischen Transformationsprozesses beim Wasserstoff brauchen wir endlich den Startschuss aus Brüssel." Wie so oft in Europa gebe es ein Geschwindigkeitsproblem bei der Transformation, so Luxemburgs Energieminister Claude Turmes. „Bürokratie und langwierige Genehmigungsverfahren stehen im Weg, wenn es darum geht, die vielen guten Projekte endlich auf den Weg zu bringen." Selbst ein Paradigmenwechsel beim EU-Wettbewerbsrecht bezüglich Beihilfen sei notwendig, um das Zukunftsthema Wasserstoff voranzubringen. „Wir könnten sofort loslegen", erklärt Dr. Claude Seywert, CEO der Encevo Gruppe, zu der auch Creos gehört. Der saarländische Netzbetreiber will gemeinsam mit GRT Gaz ein bis zu 130 Kilometer langes grenzüberschreitendes Wasserstoffnetz mit Anbindung an die überregionalen Pipelines bauen. Dieses ehrgeizige Projekt „mosaHYC" soll bis 2026 Wasserstoff zu großen Endverbrauchern wie Saarstahl liefern. Eingespeist würde der mittels Elektrolyseuren erzeugte Wasserstoff an den Standorten Fenne mit einer 50-Megawatt-Anlage und in St. Avold, jenseits der Grenze, mit 400 Megawatt.
Doch das alles verschlingt Milliarden, die sich Bund, Land, Unternehmen und potenzielle Investoren teilen sollen. Doch Investoren geben kein Geld, wenn keine Kunden da sind oder das Kundenpotenzial als zu niedrig eingestuft wird. Und Unternehmen investieren nicht in Netze, wenn von vornherein Verluste drohen. Ohne staatliche Hilfen läuft da nichts. „Wir müssen davon ausgehen, dass der Aufbau einer europäischen Wasserstoff-Infrastruktur zu Beginn finanziell wenig lukrativ ist", erklärt Bert Kiewiet, Manager Hydrogen Germany des niederländischen Gasnetzbetreibers Gasunie. Erst im Laufe der Jahre werde das Netz mit immer mehr Kunden attraktiv. „Wir brauchen mehr Tempo, Kreativität und pragmatische Vorgehensweisen beim Aufbau eines europäischen Wasserstoff-Netzes, um anfängliche Risiken für alle Beteiligten abzufedern und aufzuteilen." Trotz dieser Schwierigkeiten sieht Daniel Muthmann, Vorsitzender European Hydrogen Backbone, die globalen Versorgungswege im Aufbau. Die Nutzung von Solarenergie im Süden Europas sowie Wind in Ländern wie Norwegen oder Dänemark böten ideale Voraussetzungen für die Herstellung grünen Wasserstoffs, der per Pipeline in die Großregion transportiert werden könnte. Denn so viele Windkraft- und Photovoltaikanlagen wie benötigt könnten hierzulande gar nicht gebaut werden, um grünen Wasserstoff herzustellen.
Hindernisse durch die Bürokratie
Schätzungen zufolge braucht das Saarland bis 2030 rund 20 Millionen Tonnen Wasserstoff, von denen gerade mal die Hälfte hier hergestellt würde. An einem Aufbau einer europäischen Wasserstoff-Infrastruktur führt demnach kein Weg vorbei, zumal rund 80 Prozent des vorhandenen Erdgas-Leitungsnetzes genutzt werden könnte, was deutlich günstiger wäre als ein Neubau. Außerdem verfügen die Netzbetreiber über eine jahrzehntelange Expertise beim Netzbetrieb. Ein neuer Wasserstoff-Markt mit einer Leitungslänge von rund 28.000 Kilometern in Europa hätte den Charme, in seiner Umsetzung finanztechnisch betrachtet komplett in Euro statt in Dollar gestaltet zu werden. Luxemburgs Energieminister sieht sogar gute Chancen für die Großregion, zum Zentrum in Europa zu werden, wo sich die großen Wasserstoff-Pipelines kreuzen.
Mut für eine Energie-Zukunft mit Wasserstoff machen zudem die vielen kleinen Beispiele aus der Großregion. So begleitet das Institut für Zukunfts-Energie-Systeme (IZES) aus Saarbrücken seit vielen Jahren das Thema Wasserstoff wissenschaftlich und mit eigenen Versuchsreihen. Schäfer Stahlbau-Industriemontagen aus Dillingen baute bei Saarstahl versuchsweise die Einspritzdüsen für Wasserstoff in die Hochöfen ein. Das Unternehmen MHA Zentgraf aus Merzig ist spezialisiert auf Wasserstoff-Transport- und Tankventile bis zu 1.000 bar Druck. Das Start-up GPSS aus dem luxemburgischen Wecker setzt auf kleine kompakte Lösungen zur Herstellung von grünem Wasserstoff vor Ort. Das aus Belgien stammende Unternehmen John Cockerill Hydrogen gilt international bereits als hochspezialisiert beim Bau von Elektrolyseuren bis fünf Megawatt Leistung. Bis Ende 2023 sollen die ersten Elektrolyseure aus dem elsässischen Werk in Aspach kommen. Boson Energy aus Luxemburg untersucht die Gewinnung von Wasserstoff aus Abfällen. Bosch erprobt am Standort Homburg den gesamten Wasserstoff-Kreislauf von der Herstellung über die Verteilung bis hin zur Anwendung wie Brennstoffzelle oder Betankung von Fahrzeugen. Doch der Aufbau einer europaweiten Wasserstoff-Infrastruktur verschlingt nicht nur Geld, es bedarf auch vieler Fachkräfte. Die Universität Luxemburg hat mit Unterstützung des Industrieanlagenbauers Paul Wurth Geprolux einen Lehrstuhl geschaffen, der neben der Forschung Module zur Weiterbildung im Bereich Wasserstoff-Anwendungen entwickeln soll. Klar ist also eines: Es geht voran in Sachen H2.