Uwe Koschinat geht in die zweite Spielzeit beim 1. FC Saarbrücken. Vor dem Auftakt gegen den SC Verl sprach der 50-Jährige über die Ziele der Blau-Schwarzen und die Erfahrungen der Vorsaison.
Herr Koschinat, der FCS hat seine Hausaufgaben früh gemacht, hat die Kaderplanung sehr zügig vorangetrieben. Wie zufrieden sind Sie?
Wir haben uns im Rahmen unserer Möglichkeiten gut verstärkt. Wir haben Wert darauf gelegt, die Breite des Kaders zu verbessern, haben viel Qualität dazugewonnen. Daraus gilt es eine Einheit zu formen. Wir hatten sicherlich den Vorteil, dass wir im zweiten Jahr in dieser Konstellation eingespielt waren. Sportdirektor Jürgen Luginger sowie das gesamte Trainerteam haben sich gefunden. Wir diskutieren auch mal kontrovers, aber sind in uns geschlossen. Daher hatten wir auch einen gewissen Vorlauf.
„Wir hatten einen gewissen Vorlauf"
Es gibt Vereine, die lassen sich mehr Zeit. Waldhof Mannheim gehört dazu. Sportchef Tim Schork hat neulich erklärt, er sehe keinen Grund zur Eile. Schließlich sei das Transferfenster bis Ende August offen. Können Sie das nachvollziehen?
Ja, natürlich. Es gibt Spieler, die schielen auf ein Engagement in der Zweiten Liga. Wenn Du die im April fragst, ob sie nach Saarbrücken kommen, winken sie ab. Es kann sicher die Situation entstehen, dass wir irgendwann feststellen, dass ein Konkurrent einen starken Spieler verpflichtet, der erst spät auf den Markt kommt. Es ist eine Abwägungsfrage. Auf der anderen Seite hatten wir viel Zeit, um uns Grundlagen zu erarbeiten. Das sollte man auch nicht unterschätzen. Wir sind derzeit eher defensiv auf dem Transfermarkt unterwegs. Aber wir könnten im Bedarfsfall noch was machen.
Spektakulärster Neuzugang ist sicherlich Mike Frantz. Er kehrt mit fast 36 Jahren zu seinem Heimatverein zurück. Was erwarten Sie von ihm?
Mike hat in seiner Karriere viel erlebt. Man muss natürlich berücksichtigen, dass er zwei Jahre wenig gespielt hat. Die Vorbereitung war auch nicht ganz störungsfrei. Aber er ist bereit sich zu quälen, lebt eine unglaublich positive Energie vor. Es gibt Typen, die kommen irgendwann zurück und wollen noch ein Jahr mitspielen, gewisse Dinge moderieren und wollen die Nachkarriere-Phase einläuten. Das kann durchaus auch funktionieren. Dann gibt es Typen wie Mike, die sich noch einmal beweisen wollen. Mike brennt darauf, mit dem FCS im Ludwigspark erfolgreich zu sein. Er ist brutal heiß.
Während sich die Karriere von Frantz dem Ende entgegen neigt, steht die von Luca Kerber noch am Anfang. Nun haben sie mit Richard Neudecker einen Spieler verpflichtet, der von sich sagt, er sei für die Position im defensiven Mittelfeld verpflichtet worden. Ist da überhaupt noch Platz für Kerber?
Da muss ich vehement widersprechen. Luca hat in allen Trainingseinheiten bewiesen, dass er die Form von vor seiner Verletzung erreicht hat. Die Tendenz geht dahin, dass wir mit drei zentralen Mittelfeldspielern agieren werden. Ganz ehrlich, mir fehlt da derzeit die Vorstellung, dass Luca nicht spielen wird. Ich habe ihn übrigens auch als Vertreter der jungen Spieler in den Mannschaftsrat berufen. Das zeigt doch die Wertschätzung, die der Spieler bei mir genießt.
Ein Spieler, der gegen Saisonende unzufrieden wirkte, war Sebastian Jacob. Welche Rolle wird er spielen? Seine Quote war ja trotz allem relativ gut.
Ich verstehe die Diskussion nicht so ganz. Sebi hat immer gespielt, sobald er geradeaus laufen konnte. Ich fahre total auf diesen Spieler ab, er ist unglaublich spielintelligent. Sein Problem war natürlich, dass mit Adriano Grimaldi ein zentraler Mittelstürmer weggebrochen ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass Sebi ein Mann für 15 Tore ist, wenn er um einen zentralen Stürmer herum agieren kann. Ich kann seine Situation ein Stück weit verstehen. Er ist ein Spieler, der dazu neigt, sich fallen zu lassen und Bälle zu fordern, wenn er nicht richtig ins Spiel findet. Ich lege aber Wert darauf, dass die Box besetzt ist. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er ein unumstrittener Startelf-Kandidat ist.
Lob für Grimaldi-Jacob-Doppelspitze
Adriano Grimaldi ist nach langer Verletzung wieder auf dem Weg zurück. Für den Saisonstart wird es wohl noch nicht reichen. Im Vorjahr haben Sie immer wieder betont, dass eine Doppelspitze Jacob/Grimaldi eine Wunschkonstellation für Sie ist. Bleibt es dabei?
Absolut. In der vergangenen Saison haben wir in Halle oder in Duisburg mit dieser Doppelspitze überragende Spiele gemacht. Zudem kommt mit Marvin Cuni ein Angreifer hinzu, der sich gut mit einem der beiden anderen ergänzen kann. Ich glaube, dass wir eine Konstellation gefunden haben, von der Sebastian sehr profitieren kann.
Sie gelten als Trainer, der sehr gerne mit Spielern zusammenarbeitet, die Sie kennen oder deren Verpflichtung Sie forciert haben. Das hat teilweise funktioniert. Teilweise haben Sie sich aber auch Kritik eingehandelt. Beispielsweise bei Dave Gnaase oder Robin Scheu. Welche Schlüsse haben Sie daraus gezogen?
Bei Scheu habe ich den großen Fehler gemacht, dass ich die Ansprüche an ihn sehr offensiv formuliert habe. Es gibt Spieler, da funktioniert es. In dem Fall wären wir sicher mit einer defensiveren Kommunikation besser gefahren. Er war körperlich eigentlich nie in Topform, aber da muss er sich auch hinterfragen. Zur Wahrheit gehört es aber auch, dass man ihm den Willen nicht absprechen kann. Ich sehe ihn als gefühlten Neuzugang, auch wenn ich einige Spiele nicht so schlecht gesehen habe wie beispielsweise Medien oder Fans. Aber klar ist auch, dass er jetzt liefern muss. Bei Dave Gnaase sehe ich es ein Stück weit anders. Er ist immer positiv, ein absoluter Profi. Seine Formkurve ging nach oben. Wir wollten alle Positionen doppelt besetzt haben, das ist uns gelungen. Im Zentrum gehören wir sicherlich zur Liga-Spitze.
Wenn man den Kader durchgeht, findet man vor allem in der Offensive ein Überangebot an Qualitätsspielern. Wie wollen Sie Unzufriedenheit verhindern?
Ein Schlüssel wird sicherlich meine Rolle als Kommunikator sein. Wir haben aber sicherlich auch die Situation, dass wir doch einige Spieler mit einer körperlichen Vorgeschichte haben. Daher war es unser Anspruch, dass wir nahezu alle Positionen ohne Qualitätsverlust besetzen können.
Wir können mehrere Systeme spielen, sind flexibel. Auf der anderen Seite muss man auch sagen, dass im letzten Jahr kaum jemand vom Grimaldi-Transfer begeistert war. Viele, Sie eingeschlossen, haben mich doch ausgelacht. Heute gilt Adi quasi als Heilsbringer, man fiebert seiner Rückkehr entgegen. Einen ähnlichen Werdegang erhoffe ich mir von Julius Biada. Aber wir haben wirklich den Vorteil, dass wir niemanden mehr von null auf hundert in den Wettkampf werfen müssen.
Neben Luca Kerber wachsen mit Andy Breuer und Tim Walle weitere Talente heran. Haben Sie im Alltag überhaupt Zeit, um solche Spieler zu entwickeln.
Diese Zeit nehme ich mir. Das Nachwuchsleistungszentrum mit Karsten Specht und Nico Weißmann hat tolle Arbeit geleistet. Es muss unser Ziel sein, dass wir künftig nicht mehr durch die Republik touren müssen, um U23-Spieler zu holen. Die Jungs haben gesehen, dass sie beim FCS Profi werden können. Also zeigen wir ihnen eine ganz klare Perspektive. Gerade aus dem U17-Jahrgang, der jetzt aufgestiegen ist, drängen sich Spieler auf, nicht nur Breuer oder Walle. Ich denke da auch an Kapitän Felix Jubelius, der ein total spannendes Profil hat oder Verteidiger Abdennour Rhani, der ein richtiger Straßenfußballer ist.
Mit Tim Paterok wurde ein starker Torwart verpflichtet. Ist er eine Konkurrenz für Daniel Batz, oder bleibt es beim alten Kräfteverhältnis?
Wir hatten im Vorjahr den Wunsch, hinter Batz mit Marcel Johnen und Jonas Hupe zwei junge Torhüter zu entwickeln, die sich selbst Konkurrenz machen. Das hat nicht ganz funktioniert. Beide hatten ihre Problemchen, es war dann zu viel Unruhe drin. Tim Paterok ist ein gestandener Keeper, aber es ist klar, dass wir mit Batz als Nummer Eins starten werden. Die Position muss er dann verteidigen. Das ist so auch kommuniziert.
In einer Umfrage haben nur drei Ihrer Kollegen den FCS als Aufstiegskandidaten genannt. Das Umfeld sieht dies etwas anders. Wie bewerten Sie solche Umfragen?
Die gehören dazu, aber man sollte das nicht überbewerten. Der Verein hat in den vergangenen beiden Jahren 59 Punkte geholt. Unser Ziel ist es, den nächsten Schritt zu machen. Wir haben das Potenzial, die Marke von 60 Zählern zu überspringen. Damit ist man vorne dabei. Um aufzusteigen, benötigt man 70 Punkte und mehr. Um das zu erreichen, muss vieles passen. Unser Ziel ist es, ganz vorne mitzuspielen. Aber dieses Ziel haben sieben, acht andere Mannschaften auch. Es wird eine hochspannende Saison.