Leo Schönhofen betreibt das Filmtheater in Heusweiler. Kinofans erleben hier anspruchsvolle Unterhaltung. Ein Blick auf90 Jahre Kinogeschichte im letzten privaten Filmhaus des Regionalverbandes Saarbrücken.
An die Zeiten, als Kinos noch als Lichtspiele oder als Kinematographen-Theater bezeichnet wurden, Trailer noch Vorfilme hießen oder die Damen nicht alleine in ein Filmtheater gehen durften, kann sich Leo Schönhofen noch gut erinnern. „Früher gab es Platzanweiserinnen, Loge und Sperrsitz, heute ist freie Platzwahl, und es gibt einen Einheitspreis für alle Tickets“, erzählt der 82-jährige Betreiber des „Filmtheaters Heusweiler“. Die kleineren Kinos haben heute keinen leichten Stand gegenüber den großen Kinokomplexen mit 3D-Effekten und Hollywood-Filmpremieren. Erst kürzlich hat das Neunkircher Traditionskino Eden nach 60 Jahren seinen Betrieb wegen Brandschutzauflagen und sinkender Besucherzahlen eingestellt. Auch das Heusweiler Filmtheater hat eine wechselvolle Geschichte. Schönhofens Herzensanliegen ist geblieben: anspruchsvolle Kinofilme zu zeigen. Das Filmtheater ist seine Leidenschaft, sein Leben, das er sich ohne Kino nicht vorstellen kann.
Im Dez
ember 1952, gerade 18 Jahre alt geworden, übertrugen ihm seine Eltern Nikolaus und Paula Schönhofen die Programmgestaltung des Kinos. Er war damit „der Benjamin in der Kinobranche“ wie er heute rückblickend resümiert. Bereits seine Großeltern Alois und Anna Raber betrieben in ihrem Gasthaus, unterhalb des heutigen Kinos, seit 1927 in einem Veranstaltungsraum das „Zentral-Kino“ mit 200 Plätzen. Danach folgte ein „richtiger“ Kinosaal mit 400 Plätzen, der heutige Saal des Filmtheaters wurde 1949 errichtet und hat seit dieser Zeit einige Modernisierungen, vor allem im Bereich der technischen Ausstattung, erfahren.
Schon als Kind hat er im Kino mitgearbeitet, an der Kasse, im Vorführraum, hat das „Kino machen“ von der Pike auf gelernt. Doch Kino war nicht nur im elterlichen Zuhause sein Leben. In den 50er-Jahren hatte die US-amerikanische Filmproduktions- und Filmverleihgesellschaft Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) in Saarbrücken in der Bismarckstraße 59 eine Dependance der Filiale Frankfurt. Hier absolvierte Leo Schönhofen eine kaufmännische Lehre und war neben dem Filmversand auch schlicht „Mädchen für alles“. Nach zwei Jahren wechselte er zur Saarfilm-Union, zunächst mit Sitz in der Eisenbahnstraße, danach in den Gloria-Filmpalast, der von der Saarfilm-Union betrieben wurde. Nach zwölf Jahren bei der Saarfilm-Union verabschiedete er sich aus dem Kinoverleih-Fach und war freier Handelsvertreter im Außendienst bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1999.
Die Geschichte der saarländischen Kinos, und damit auch die Historie des Heusweiler Filmtheaters, sind eng verknüpft mit der politischen Situation an der Saar. Anfang der 50er-Jahre gab es in Saarbrücken zehn Lichtspielhäuser, darunter Kinos wie das 1951 in Saarbrücken wiedereröffnete Gloria-Kino mit 1.050 Sitzen, über 50 weitere im Regionalverband, und im Umland zusätzlich rund 200 Kinos. Von den über 50 Kinos im Regionalverband ist nur das Filmtheater in Heusweiler als privat betriebenes Filmhaus übrig geblieben.
In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hatte die damals noch junge Film- und Kinobranche einen fulminanten Start hingelegt. Nach der Volksabstimmung vom 13. Januar 1935 kam das Saargebiet nach 15 Jahren Völkerbundsverwaltung am 1. März 1935 „heim ins Reich“, und die Lichtspielhäuser erlebten goldene Zeiten, damals vielfach noch in Veranstaltungsräumen von Gastwirtschaften wie auch im Heusweiler Gasthaus Raber. Der Krieg beendete das kinematographische Vergnügen schlagartig, doch unmittelbar nach Kriegsende suchten die traumatisierten Saarländer wieder Abwechslung und Zerstreuung in den Kinos, die wie Pilze aus dem Boden schossen. Als mit Einführung des französischen Franc am 20. November 1947 das Warenangebot, vor allem an Lebensmitteln und Bekleidung, stieg, führte dies zu einem rasanten Rückgang an den Kinokassen. Das änderte sich erst um 1949 wieder, als die Grundbedürfnisse befriedigt waren.
Leo Schönhofen hatte in den 50er-Jahren zunächst die große Blütezeit des Kinos erlebt. Für einige Jahre betrieb er in Dilsburg sogar ein zweites Kino. Immer neben seinem Beruf als Disponent oder Handelsvertreter. Seine Mutter und später auch seine Frau Christa organisierten zuhause den Kinobetrieb mit mindestens zwei Vorstellungen pro Tag. „Vor dem ‚Tag X‘ hatten wir circa 500 Besucher pro Woche, danach schlagartig nur noch 100 bis 150“, erinnert sich Leo Schönhofen an einen erneuten Rückgang der Besucherzahlen. Mit der Volksabstimmung vom 23. Oktober 1955 sprachen sich die Saarländer mit deutlicher Mehrheit gegen das Saarstatut aus und ermöglichten damit die politische Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland zum 1. Januar 1957. Der wirtschaftliche Anschluss erfolgte erst zweieinhalb Jahre später, nämlich am sogenannten Tag X, dem 6. Juli 1959. Als um Mitternacht an den Grenzen des Saarlandes zur Bundesrepublik Deutschland die Schlagbäume hochgingen, war auch die Zoll- und Währungsunion mit Frankreich beendet. Die D-Mark löste den Franc ab, und alle Waren, auf die die Saarländer wegen der Einfuhrzölle hatten verzichten müssen wie Radios, Fernsehgeräte, Motorräder und Einrichtungsgegenstände, waren nun zu haben. „Die Vertreter haben das Saarland mit Waren regelrecht überschwemmt, und die Leute machten viele Anschaffungen, hatten dann kein Geld mehr für andere Dinge. Auch die vielen Fernsehgeräte, die jetzt erschwinglich waren, sind sicherlich für den Rückgang der Besucherzahlen verantwortlich gewesen“, ergänzt Schönhofen die Auswirkungen des 6. Juli.
Lange Filme hatten über 14 Filmrollen
Das ist lange her, zwischenzeitlich hat er mehrfach sowohl in Technik und Ausstattung als auch in das stilvolle Ambiente mit 136 komfortablen Sitzen investiert. Der Filmprojektor Bauer B8B, den er 1955 erworben hatte und der bis Ende 2013 in Betrieb war, steht heute noch als Relikt früherer Tage in seinem Vorführraum. „Besonders überlange Filme wie ‚Ben Hur‘ oder ‚Vom Winde verweht‘ hatten bis zu 14 Filmrollen, und elektrische Umspuler gab es erst ab 1970. Die Filmvorführung konnte also körperlich sehr anstrengend sein“, fügt Leo Schönhofen schmunzelnd hinzu. Heute nutzt er zwei moderne Beamer und Blu-Ray, allerdings keine Festplatte mit Server, diese Anschaffung wäre zu teuer, weshalb die Ausleihe von amerikanischen Filmverleihern fast nicht möglich ist.
Die Besucher des Heusweiler Filmtheaters mögen die gemütliche Einrichtung mit Teppichboden, bequemen Sitzen und die von Christa Schönhofen im Kinosaal betriebene Bar, die alles außer Popcorn vorhält. „99 von 100 Kinos haben Popcorn, aber man kann auch leben ohne Popcorn. Unser Kino hat ein gepflegtes Ambiente, Popcorn würde unseren Teppichboden ruinieren“, begründet Schönhofen seine bis heute strikte Ablehnung der klassischen Kino-Knabberei. „Wir legen großen Wert auf anspruchsvolle Filme, und das schätzt auch unser Publikum, das aus dem ganzen Saarland zu uns kommt“, erklärt das dynamische Energiebündel Schönhofen sichtlich stolz die Erfolgsgeschichte des Heusweiler Filmtheaters. Zu seinen Gästen zählt regelmäßig auch der Heusweiler Bürgermeister Thomas Redelberger. In Schönhofens Filmtheater hat er als Heusweiler Bub‘ im Alter von sieben Jahren seinen ersten Kinofilm gesehen: „King Kong gegen Godzilla“. „Ich erinnere mich an meinen ersten Kinobesuch im Jahr 1974. Damals saß Leos Mama hinter der Kasse und verkaufte die Tickets. Als kleiner Junge hatte ich einen Mordsrespekt vor ihr, sie kam mir immer vor wie eine Königin hinter diesem Kassenhäuschen“, erzählt Redelberger in nostalgischer Erinnerung an die Kinobesuche seiner Kindheit. Sogar alte Kinokarten hat er bis heute aufgehoben.
Zuletzt liefen in Heusweiler überwiegend romantische, französische Komödien wie „Ziemlich beste Freunde“ oder „Birnenkuchen mit Lavendel“, aber auch deutsche Produktionen wie „Tony Erdmann“ und „Der junge Karl Marx“. Derzeit sind Betriebsferien. Ende September startet der Kinobetrieb erneut. Dann leuchtet der Reklameklassiker „Komm, wir geh’n ins Kino“ über dem Eingang des Filmtheaters wieder auf.