Adam Brody ist der Philosoph unter den Plus-Size-Fashion-Designern. Stoffe, Qualitäten, Schnittführungen, darüber spricht er gern mit den Frauen, mit denen er zu tun hat.
Man trifft ihn in seinem Züricher Geschäft in der Nähe des Paradeplatzes oder auf Modemessen und Events. Gute Kleidung und gute Gefühle sind für Adam Brody untrennbar miteinander verknüpft. „Ich flirte mit dir durch mein Produkt“, sagt der 49-Jährige. „Und ich gebe dir ein Produkt, das waschbar und gut geschnitten ist. Das du morgens greifen kannst, wenn du noch nicht wach bist und mit dem du dich gut fühlen wirst.“
Gut geschnittene Kleider, die Frauen schöner machen, gehören seit Langem zu seiner Kollektion. Neu in der Herbst-Winter-Kollektion 2017/2018, wenn man die Zeiträume für Brodys Stücke so modemarktmäßig kurz fassen will, ist das „Kleine Schwarze“. Adam Brody greift zu einem Bügel und zeigt ein überknielanges Kleid mit „Bommeln“. In kleinen Borten gebündelt und über die Vorderseite verteilt, wecken sie den Wunsch, sofort Tango oder Charleston tanzen zu wollen. Der schwere Jersey-Stoff fühlt sich weich an, schwingt mit und ruft Assoziationen an die „Golden Twenties“ in einer höchst jetztzeitigen Version hervor. Eine Frau, die ein solches etuiartiges Kleid trägt, wird bei Preisen zwischen 300 und 500 Euro ebenfalls profanere Anlässe zum Tragen suchen. Businesstauglich auf die softe Art und zum Alltagsgebrauch mit Wohlgefühl geeignet, sind seine Kleider allemal. „Meine Stücke sind Körperbegleiter, aber auch Fashion.
„Ein Kleid muss nutzen, dienen und begleiten“
Ein Kleid muss Emotionen wecken und Unterstützung bieten. Es muss nutzen, dienen und begleiten.“
Brody macht erwachsene Mode, die aber nicht ins Überernst-Klassische abgleitet. Schönstes Beispiel: die weißen Blusen aus festerer Baumwolle oder Satin, Selbstläufer seit Geschäftseröffnung 2007. Derzeit sind sie eher im Longblusenstil mit unterschiedlichen Kragen und Knopfleisten gehalten. „Das sind längere Hemdenschnitte“, erklärt Brody. Die Blusen kleiden formell über einer Zigarettenhose getragen oder „half tuck“, lässig vorn in den Hosenbund gesteckt, gleichermaßen. In der Sommer-Kollektion gibt es noch „offenere“ Versionen mit kleinen All-over-Cut-outs: weiße Tuniken mit Bindegürtel und wadenlange Hemdblusenkleider. Ob eher geradlinig oder mit geschlungenem Gürtel gerafft – wie die Bluse letztlich getragen wird, bleibt persönlichem Stil und Stimmung überlassen.
Der studierte Modedesigner, der seine Ausbildung am Shenkar College in Tel Aviv absolvierte, hat sämtliche Trends bereits gesehen. Oder mit ihnen gearbeitet: „Brautkleider, Herrenkleidung, Hüte, Abendmode. Das habe ich alles schon gemacht.“ Er weiß um die Bilder, die Mode erzeugt. „Meine Kleidung soll andere Bilder hervorrufen“, sagt er. Vor allem andere als die in größeren Größen oft übliche. Wird der Körper bedeckt, dann mit Kunstfertigkeit, Hintersinn und in sehr guter Materialqualität. Stoffe umschmeicheln die Formen und Kurven der Frauen. Heben die Stärken hervor anstantt plump zu verhüllen. Auslöser für den Wechsel ins Plus-Size-Segment war Brodys eigene Frau. „Ich habe lieb geheiratet“, sagt er in bedächtigem Tempo mit schwyzerdütschem Singsang und unverkennbar britischem Akzent. „Ich habe immer meine Frau vor Augen, wenn ich ein Stück entwickele.“ Brodys Mode-Weg führte den gebürtigen Londoner über Tel Aviv nach Zürich. „Als anstand, ein eigenes Label zu gründen, habe ich mich gefragt: Was ist sinnvoll, realistisch und hat einen Markt?“ Offenbar genau die Mäntel, Blusen, Kleider und Shirts, wie Brody sie entwirft. Im Geschäft hängen sie in den Größen von 42 bis 52, bestellbar sind sie ebenfalls in jeder anderen. Denn: „Style has nothing to do with size“. Das ist Adam Brodys Motto: „Stil kennt keine Größe.“
Organische Details wie unauffällig integrierte Taschen, Drapierungen und Verschlingungen am Ausschnitt und auf der „Leinwand“ eines Kleides etwa sind charakteristisch für die eher puren und minimalistischen Stücke. Aus einem schwarzen Jersey-Jackett scheint der Kragen „von irgendwoher zu kommen“. Ein „hologrammisches Revers“ nennt Brody es. Solche Details regen jenseits des Tragens zum Hinschauen und Nachsinnen an – wie wird das genau gemacht? Wie mit dem Skalpell gezogen, aber dennoch nahtfrei sind die Ausschnitt-Cuts bei ärmellosen Tops.
„Ein Spiel von Volumen und Fall“
Die Basic-Shirts geben sich vordergründig schlicht, haben aber die hintergründige Präsenz einer von Georgia o’Keefe gemalten Blume. Die Trägerin wächst aus dem weichen Jersey wie eine langstielige Blume förmlich heraus. „Das reizt die Gedanken“, sagt Brody. Das Kleidungsstück bleibt, wenn sich der Designer längst von ihm getrennt hat. Es muss am Körper einer Frau und ebenso in deren Kleiderschrank bestehen. Brodys Stücke sind auf Langlebigkeit gefertigt. „Ich schaffe ‚Pièces de Résistance‘. Meine Produkte sind auf mindestens fünf Jahre angelegt.“
Das ist ein Paradox in der schnelllebigen Modewelt, in der große Labels, auch im Plus-Size-Bereich, manchmal monatlich neue Stücke in die Läden und Onlineshops bringen. Solche „widerständigen Stücke“ trotzen der Beliebigkeit und Wegwerf-Mentalität. Dafür sind schon die Stoffe zu qualitätsvoll, die Adam Brody in seinem Atelier, das in sein Züricher Geschäft integriert ist, verarbeitet. Es sind schwere, griffige Stoffe. „Fühl mal den schwarzen Mantel hier mit den Riffeln“, fordert Brody auf. Die Trägerin kann sich in den Anfass-Mantel, einen Post-Sixtys-Mantel mit hochgestelltem großen Kragen förmlich hineinflauschen. „Meine Stoffe leben im Spiel von Volumen und Fall.“ Sie sollen verhüllen, bekleiden. Schmücken, schützen und aufwerten. Sogar kaschieren dürfen sie. Auf gar keinen Fall aber sollen sie „das Plus-Size-Verstecken“ mitspielen.
„Das Wesen der Mode ist, dass sie sich dem Körper, den Bedürfnissen der Trägerin und deren Lebensstil anpasst. Ich mache dienende Kleidung.“ Frauen sollen in ihrer Kleidung schöner und weiblicher wirken. Dafür ist ordentliche Arbeit am Schnitt und Feilen an den Passformen nötig – ein Plus-Size-Körper hat andere Proportionen und Varianten als „Straight Sizes“, „gerade“ Größen. Schultern und Rücken nehmen nicht im selben Maß wie Bauch oder Po an Umfang zu. Bündchen müssen anders in der Balance angelegt werden, damit ein Rock gerade fällt. Sorgsamkeit und Mehrarbeit wären in der Konfektion nötig, um die vielen, vielen Frauen mit einer Größe ab 42 in Stücke mit Schick und gutem Sitz zu kleiden. Über dieses Wissen verfügt der studierte Modedesigner selbstredend und weiß es mit Stift und Papier, Maßband und Schneiderschere, Rechner und Nähmaschine umzusetzen. Alles soll sich bequem und leicht tragen lassen. Nicht knittern, stets zu Diensten sein. Denn bei aller Liebe zum Design und zur Mode – ein Kleid muss die Dynamik des echten Lebens mitmachen: „Mode ist im Gegensatz zu anderen Produkten etwas, das sich bewegt. Ich gestalte schließlich keine Blumenvasen oder Teller.“
Seine Muse – die Ehefrau – ist ohnehin täglich präsent. Sie ist nicht nur kreative Inspirationsquelle, sondern ebenso Objekt funktionaler Beobachtung. „Ich sehe etwa immer den Schritt, wie meine Frau in die Tram steigt.“ Der wohlwollende, fachkundige und sicher auch genießende Blick gilt ebenso den anderen Frauen, die Brodys Kosmos kreuzen, den Kundinnen vor allem. „Ich sehe in ihnen all die anderen Frauen, die nicht meine Frau sind.“ Sie geben Rückmeldung, was gut sitzt, ankommt und funktioniert. Sie wissen Brodys Stücke mit ihrem Tragekomfort zu schätzen und geben um die 200 Euro für eine Bluse oder bis zu 500 Euro für einen Mantel aus.
Zwischen Mode und Kunstwerk
Adam Brodys Designer-Blick führt in jedem Fall zu äußerst beweglichen und qualitätsvollen Kreationen. Ob Kleid, Mantel, Shirt, Bluse oder große Robe, sie alle oszillieren zwischen Dienen und Widerstehen, bewegen sich zwischen Mode und Kunstwerk. Sie bringen bereits so einige Frauen zum Leuchten und das nicht nur in der Schweiz. Wer nicht gerade in Zürich weilt und sich von Adam Brody selbst beraten lassen kann, hat die Möglichkeit, per E-Mail, Facebook oder WhatsApp direkt Kontakt aufzunehmen und zu bestellen. Nur für den direkten Kauf via Webseite braucht’s noch ein wenig Geduld – der Onlineshop ist gerade in Vorbereitung.