Die Wanderschuhe schnüren oder ein Picknick einpacken. Es geht los in die stille Natur rund um das schöne alte Gut Boltenhof im Ruppiner Land.
Gleich kommen sie um die Ecke", flüstert Leon seiner Schwester ins Ohr. „Hörst du, sie schnattern schon." Beide sitzen seit einer Viertelstunde auf der Treppe des alten Rittergutes, das heute das Gut Boltenhof ist, und warten ungeduldig auf die Gänseschar, die von der Magd jeden Abend um 18 Uhr von der saftigen Wiese in ihren Stall getrieben wird. Leons Eltern haben sich mit der Kamera vor einen der Klinkerbauten gestellt, um einen guten Platz und freie Sicht für ihr Motiv zu haben. Immerhin gibt es auf dem Hof 200 Gänse, die bis Sankt Martin und Weihnachten ein schönes Leben führen. Fünf bis 5,5 Kilogramm bringt jeder der Vögel, die auf Gut Boltenhof gehalten werden, auf die Waage. Von den 200 Gänsen, um die sich Landwirt Uwe kümmert, werden einige zu Sankt Martin geschlachtet, für Weihnachten sind die ersten Bestellungen eingegangen.
Und während Leon seiner Schwester die Haare aus dem Gesicht streicht, watscheln die ersten Gänse durchs Tor.
Im Nu ist die Allee bis zum Herrschaftshaus gefüllt mit weißen Federn und es schnattert so laut, dass man für einige Zeit sein eigenes Wort nicht mehr versteht. In den Ziegelhäusern werden die grünen Läden geöffnet. Eltern mit ihren Kindern beugen sich aus dem Fenster. Im Garten recken die Sonnenblumen ihre Blüten in die Höhe. Auf der Wiese knabbern Ziegen die Blätter vom Baum, dicht daneben grasen Schafe. Sie lassen sich von dem Lärm der Gänse nicht stören. Ist ja schließlich jeden Tag das gleiche Prozedere. Morgens um 8 und abends um 18 Uhr. Urlaub machen und erleben wie Landwirtschaft funktioniert, das ist auf dem Hof möglich. Das ehemalige Rittergut ist zu neuem Leben erwacht. Die Ferienhäuser sind saniert und in die ehemaligen Gesindehäuser integriert. Besonders Familien mit kleinen Kindern sind gern hier. Nach dem Gänsemarsch kommen die Erwachsenen zum Plausch auf die Gutshaustreppe, auf der schon immer Neuigkeiten ausgetauscht wurden. Im Herrenhaus ist das Büfett angerichtet.
Der hauseigene Badestrand ist nicht weit
Die alten Dielenbretter knarren, eine steile Treppe führt in die Zimmer, die Eichhörnchenkobel oder Hasenkuhle heißen. Boltenhof gehört zu den wenigen Landgütern in Brandenburg, die in ihrer ursprünglichen Form erhalten sind. Im 18. Jahrhundert gehörte das Gut einem J. C. Schauer, später war es im Besitz des Berliner Milchunternehmers Carl Bolle, der hier nicht nur Kühe züchtete, sondern auch Kartoffeln und Getreide zu Schnaps verarbeiten ließ, wie man in alten Schriften nachlesen kann. Jetzt ist es im Besitz von Jan Uwe und Andrea Riest.


Beide haben die Gegend für sich entdeckt und wollen das auch ihren Gästen ermöglichen. Im Sommer ist es
zum hauseigenen Badestrand nicht weit. Im Herbst gibt es lohnende Ausflugsziele. Nach Fürstenberg sind es 15, nach Neuglobsow 17 Kilometer. Fahrräder gibt es auf dem Hof. Und radeln lohnt sich. Zum Beispiel ein Abstecher zum Stechlinsee. Der Dichter Fontane bewundert die Stille und in einem Abschnitt seiner „Wanderungen durch die Mark" schreibt er: „… kein Boot, kein Vogel, auch kein Gewölk. Nur Grün und Blau und Sonne." Und heute? Einige Kanus gleiten durchs Wasser. Seidenweich sieht es aus, auch wenn die Paddel in den See stechen. Doch so sanft wie er sich zeigt, ist er nicht immer.
Mit dem Ruderboot über den See
Er hat sein eigenes Leben. Diese Eigenheiten erfährt man bei der Fischerfamilie, deren Haus in der Nordbucht am Ufer steht. In der siebten Generation hegen die Böttchers den Großen Stechlin. Vater Adolf war am Stechlin Fischer, sein Sohn Reiner übt ebenfalls den Beruf aus, und der 29-jährige Enkel Martin ist seit 2013 in das heimische Gewerbe zurückgekehrt. Zwar ist der See mit seinen 425 Hektar nicht besonders groß, dafür ist er 69 Meter tief, klar und kalt. Und manchmal launisch, sogar gefährlich. Fast jeden Tag sind die Böttchers auf dem Stechlin zugange. Sie kennen den Star und seine Allüren am besten. Sie spüren, wenn er in Rage gerät und dann meterhohe Wellen ans Ufer schickt. Sogar eine Windhose hat Reiner schon erlebt: „Der Tornado raste übern See geradewegs auf die Fischerei zu. Plötzlich machte er einen Haken und bog scharf nach links ab und raste wie ein donnernder Zug in den Wald." Die Böttchers geben jedem, der sich mit dem Kanu auf den Weg macht, einen Rat: „Sobald die Wellen über den Kahn schlagen, dann ab nach Hause." Und erzählen die Geschichten vom roten Hahn, der schon so manchen Fischer in die Tiefe des Sees gezogen haben soll. Symbolisch steht der rote Hahn auf der Terrasse mit Blick zum See, um die Fischer zu bewachen. Die Ausflügler belächeln das große Ungetüm aus Metall, bestellen Aal-Brötchen und Welsfilet. Sie entscheiden sich für einen Teller Maränen, lachsartige Fische, die die Böttchers täglich aus dem sauerstoffhaltigen Wasser holen. Eine ideale Zwischenmahlzeit, um sich für eine weitere Runde mit dem Ruderboot oder die nächste Fahrradetappe zu stärken.

Auch wenn man den See und den Ort Neuglobsow irgendwann verlässt, das wunderbare Gefühl bleibt. Urwüchsige Natur mit Buchenwäldern und Klarwasserseen, Mooren und Moorwäldern. Ab Menz führt ein zwölf Kilometer langer Pfad durchs Moor, erzählt die Naturführerin Karin Schössler. Doch erst einmal zeigt sie im Museum, wie Moore entstehen, wie sie beschaffen sind, wie sie funktionieren, welche unterschiedlichen Arten und Formen es gibt. Dann geht es nach draußen. „Von Moor zu Moor" heißt der Erlebnispfad, der fünf Moortypen anschaulich vorstellt und an Schautafeln zeigt sich, wer hier lebt: Fischotter und Sumpfschildkröten, Fisch- und Seeadler, Kraniche und Eisvögel.
Einen Eisvogel oder Fisch- und Seeadler kommt man bestimmt auf den Seen um Fürstenberg zu sehen. Drei Seen umgeben die Stadt. Da lohnt sich eine Stadtbesichtigung vom Wasser aus. Eine 50 Meter lange Rutschpartie führt über den Fisch-Kanu-Pass, über Staustufen, ohne das Boot aus dem Wasser heben zu müssen. In die Wasser führende Betonrinne wurde eine weiche Bürste montiert, über die man ohne Anstrengung mit dem Kanu gleiten kann. Schnell ist man in der Seemitte und hat einen Rundumblick auf die Stadt mit Kirche, Fachwerkhäusern und Gedenkstätte. In der Luft kreist ein Fischreiher. Nach kurzer Verschnaufpause führt die Tour havelabwärts durch traumhafte Auenwälder. Mit etwas Glück zeigt sich der Eisvogel oder Schwarzhalstaucher.