Nur weil es in der Ehe oder Beziehung mal knirscht, wirft man nicht gleich das Handtuch. Paartherapeut Florian Klampfer spricht über das Selbstverständnis seines Berufs, die häufigsten Paarprobleme und kuriose Fälle.
Herr Klampfer, wer kommt zu Ihnen in die Praxis?
Die meisten Paare sind zwischen 30 und 55 Jahren alt, ich hatte aber auch schon Paare über 60. Meistens sind es Männer und Frauen, die sich gerade an einer Schnittstelle im Leben befinden, die sich also sesshaft machen, neu niederlassen, die Stadt wechseln, Kinder bekommen oder Kinder gehen lassen müssen.
Was unterscheidet Ihre Klienten von anderen Menschen?
Es sind Leute, die bereit zu einer gewissen Reflexion sind und sich hinterfragen lassen. Die anderen sehe ich hier in meiner Praxis nicht. Häufig kommen die Paare zu spät. Sie befinden sich also an einem Punkt, an dem sich schon sehr viele Verletzungen angehäuft haben. Da kann man auch von einer Krise sprechen. Eine Therapie ist dann nicht unmöglich, aber oftmals wird es sehr schwierig, sich wieder auf die Öffnung und den Zugang zum Anderen einzulassen.
Und welche Paarprobleme begegnen Ihnen in der Therapie am häufigsten?
Zu den häufigsten zählt der Umgang mit Nähe und Distanz. Wer möchte wie viel Nähe, und wer braucht wie viel Distanz? Wie begegnet man dem Umstand, dass einer oder beide Partner eine „Außenbeziehung" unterhalten?
Also dass sie eine Affäre nebenbei haben?
Genau. Und wie geht man mit dem ganz normalen Abflauen der Verliebtheit im Laufe der Jahre um? Wie damit, dass kein oder kaum noch Sex stattfindet? Wie begegnet man der Tatsache, dass sich das Familiensystem verändert? Das passiert, weil ein Baby geboren wird oder die Kinder flügge werden und ausziehen.
Was genau geschieht in einer Paartherapie?
Ich als Therapeut verstehe mich als Dolmetscher oder Übersetzer. Paare können sich nicht verstehen beziehungsweise sie sprechen unterschiedliche Sprachen. Ich bin dazu da, das, was nicht oder falsch verstanden wird oder als Vorwurf ankommt, für den Anderen zu übersetzen.
Kann es für Sie sehr stressig sein, ein streitendes Paar vor sich zu haben?
Wenn ich deren Spannung eins zu eins annehme, ja! Bei Paaren, bei denen die Spannung extrem hoch ist, kann ich selbst in Anstrengung und sogar Wut geraten.
Ich bin auch nur ein Mensch und merke das dann daran, dass sich meine Körperhaltung verkrampft.
Und wie gehen Sie damit um?
Ganz simpel: Ich benenne meine aktuelle Überforderung, was dazu führt, dass ich mit dem Paar auf einer anderen Ebene gut weiterarbeiten kann.
Öffnen sich die Paare Ihnen gegenüber gleichermaßen, oder gibt es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen?
Es ist zwar prinzipiell so, dass es Männern etwas schwerer fällt, sich emotional zu öffnen, aber prinzipiell erlebe ich da nicht wirklich einen Unterschied. Männer haben oftmals erlebt, dass, wenn sie sich öffnen, andere dann damit nicht gut umgehen. Das kann passieren, weil die Frau sagt, dass das, was er sagt, jetzt ja noch keine wirkliche Öffnung sei. Dadurch ist der Mann dann verletzt und zieht sich zurück.
Und wie schaut es bei gleichgeschlechtlichen Paaren aus, haben die besondere oder andere Probleme?
Meines Erachtens nicht. Es geht bei ihnen um die gleichen Nähe-Distanz-Probleme wie bei den Heteros, also um das Zulassen von unterschiedlichen Bedürfnissen und das Sich-aufeinander-Einlassen.
Einzig bezüglich der Sexualität besteht bei gleichgeschlechtlichen Paaren ein Unterschied.
Jetzt bin ich neugierig: Welcher ist das?
Der größere Unterschied besteht nach meiner Erfahrung nicht zwischen Homos und Heteros, sondern zwischen Männern und Frauen. Ich bringe es mal etwas salopp auf den Punkt: Schwule Paare erfreuen sich am Drama, während lesbische Paare unter einem Drama total leiden.
Was meinen Sie mit Drama?
Während es bei zwei Männern häufig eine erhöhte Bereitschaft oder Kreativität beim Ausleben der eigenen Sexualität gibt – Stichwort offene Beziehung – gibt es bei Hetero-Paaren eine gewisse Hemmschwelle, darüber zu reden.
Und bei Frauenpaaren ist das ein absolutes Tabu, Lesben bestehen oft auf absoluter Exklusivität in ihrer Beziehung.
Die meisten Paare kommen ja auf Empfehlung zu Ihnen. Wie groß ist der Andrang? Wie lange muss man im Schnitt auf einen Termin warten?
Wenn Paare flexibel sind und auch tagsüber können, kann ich ihnen innerhalb von zehn bis 14 Tagen ein Erstgespräch anbieten.
Was kostet das?
Für eine einstündige Einzelberatung oder ein Coaching zahlt man bei mir 90 Euro, während eine Paarberatung von 90 Minuten 135 Euro kostet.
Wie viele Beratungen buchen die meisten Klienten?
Da gibt es eine große Bandbreite: Manchen reicht ein einziges Gespräch aus, andere kommen immer mal wieder anlassbezogen zu mir, und wieder andere Paare begeben sich mit mir in einen Prozess, der sich über zwei bis drei Jahre erstrecken kann.
Was ist die vorrangige Intention der Paare? Wollen sie wieder zueinanderfinden, oder wünschen sie sich eher eine saubere Trennung?
Selten sind sich Paare in diesem Punkt einig. Entweder möchte der eine eine faire Trennung durchziehen und der andere möchte es noch mal versuchen. Oder aber es gibt eine hohe Ambivalenz bei beiden, die zwischen den Polen „Ich möchte noch bleiben" und „Ich möchte gehen" liegt.
Und wie geht das meistens aus?
Eine Regel gibt es hier nicht. Das Ende der Therapie hängt davon ab, inwieweit die beiden sich dazu bereit erklären, nochmals wirklich darauf zu hören, was der andere möchte und auch wirklich in einen eigenen Veränderungsprozess zu gehen.
Was werten Sie als Erfolg Ihrer Therapie?
Wenn sich ein Paar klarer über sich selbst wird, egal ob es in der Folge zusammenbleibt oder ob es sich trennt.
Was war Ihr bisher kuriosester Fall oder vielleicht der lustigste Fall?
Kurios? Lustig? Ich erinnere mich an ein Paar, das sich eine Stunde lang wahnsinnig stritt, sodass ich mich wirklich fragte, wie sie das denn jahrelang miteinander ausgehalten haben. Als ich das das Paar fragte, gucken sie mich beide mit großen Augen an und sagten: „Aber wir lieben uns doch!"
Hatten Sie mal einen sehr schweren, traurigen Fall?
Naja, da fällt mir der Mann ein, der sich von seiner Partnerin trennen wollte, die er noch nie persönlich getroffen hatte.
Wie soll das gehen?
Die beiden hatten ein Jahr lang eine reine Chat-Beziehung.
Seit 14 Jahren behandeln Sie Paare. Wie akzeptiert ist die Paartherapie heute, und wohin geht die Entwicklung?
Die Akzeptanz hat sich sehr zum Positiven verändert. Es wird immer normaler. Allerdings gibt es auch viele Paare, die nach außen wie ein tolles Paar wirken, aber ohne wirklichen Herzenskontakt, also nicht innig, sondern einsam nebeneinander her leben. Solche Paare bräuchten dringend eine Beratung oder Therapie, haben aber zu viel Angst vor Veränderungen und zeigen sich ungern verletzlich.