Im Ronald McDonald Haus im saarländischen Homburg können Familien kranker Kinder unbürokratisch wohnen, während ihre Kinder in der Uniklinik behandelt werden, egal ob für ein paar Tage oder sogar für mehrere Jahre. 2025 feiert das Haus seinen 20. Geburtstag.
Der Campus des Universitätsklinikums in Homburg ist wie eine kleine Stadt – eine kleine Stadt, die hektisch sein kann. Hier fährt ein Lieferwagen, da ist eine Baustelle, ein Laubbläser rumort, hier parken Autos, da fahren Krankenwagen, Menschen eilen vorbei. Zum Vergnügen kommen die wenigsten hierher. Ob zur Untersuchung oder zur Behandlung, ob geplant oder als Notfall: Wer Patient in einem großen Klinikkomplex ist, fühlt sich oft überfordert.
Am Rande der kleinen Klinikstadt steht an einem Waldstück ein Haus, man sieht es schon von Weitem. Es ist bunt, es sieht anders aus, und was noch viel wichtiger ist, hier haben Hektik und Stress keinen Platz. Das Ronald McDonald Haus ist ein Ruhepunkt für Familien schwerkranker Kinder, die zur Behandlung im Universitätsklinikum sind.
Ob bei Frühgeburten, Herzerkrankungen, bei intensivmedizinischer Betreuung und anderen geplanten oder ungeplanten Behandlungen, Eltern und Geschwister finden im Haus einen Platz, solange das Kind in der Klinik behandelt wird. Sie können kostenlos in einem der 14 Apartments wohnen. Ob das nur ein paar Tage sind oder – wie in einem Fall – sogar zwei Jahre, ist egal. Ohne Verpflichtungen und ohne Druck haben Eltern die Möglichkeit, immer in der Nähe des Kindes zu sein, sich von anderen Verpflichtungen auszuklinken. Wer einen Platz im Haus bekommt, entscheidet die Klinik nach medizinischen und sozialen Gesichtspunkten.
Die Zimmer haben jeweils einen Schlafbereich, eine Couch-Ecke und ein Badezimmer, das Haus bietet durch seine warmen Farben, die persönliche Einrichtung und die runde und ungewöhnliche Architektur einen Gegenpart zur funktionalen, sterilen Krankenhausatmosphäre. Durch gemeinsam nutzbare Räume wie Küche, Aufenthaltsraum, Keller mit Waschmaschine und Tischfußball, Bibliothek oder Kaminbereich mit Klavier bietet es auch rundherum ein bisschen Normalität. Vor allen Dingen haben Eltern aber die Möglichkeit zum Austausch in einem privaten Umfeld, das über Arztgespräche oder Sprechstunden hinausgeht.
Seit 20 Jahren gibt es das Ronald McDonald Haus nun schon auf dem Klinikgelände, 2025 feiert es Jubiläum. Geleitet wird es seit über zehn Jahren von Tanja Meiser, die dafür sorgt, dass alle Abläufe reibungslos funktionieren. Neben der Koordination und Leitung des Teams aus haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern gehört zu ihren Hauptaufgaben das regionale Fundraising, Spenderbetreuung und die Bereiche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Zusammen mit ihrem Team ist sie immer darum bemüht, dass die Finanzierung des Hauses, das auf Spendengelder angewiesen ist, gewährleistet bleibt. Ihre Assistentin Julia Gisch unterstützt sie dabei, kümmert sich um die Familien während ihres Aufenthalts, koordiniert anfallende Aufgaben am Haus und ist Ansprechpartnerin und Planerin für den Einsatz der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Die Nähe zum Kind ist enorm wichtig
Denn neben den wenigen fest Angestellten gibt es vor allem eine große Gruppe Ehrenamtlicher, ohne die das Konzept der Ronald McDonald Häuser weltweit nicht funktionieren würde. „Wir haben es den Ehrenamtlichen zu verdanken, dass es hier gerade so aussieht, wie es aussieht. Sie halten alles sauber, bügeln, schmücken und unterstützen damit unsere hauswirtschaftliche Assistentin, Anja Wilhelm“, sagt Julia Gisch. Während unseres Gesprächs im großen Koch- und Essbereich ist Marie Luise Weber im Hintergrund gerade dabei, die Küche sauber zu machen. Sie erklärt sich bereit, mit uns zu reden – obwohl sie, wie sie sagt, gerne auch in der zweiten Reihe bleibt. Die Förderschullehrerin im Vorruhestand wohnt gleich in der Nähe. Sie kommt seit einem Jahr einmal in der Woche, meistens am Vormittag, um zu helfen. Ehrenamtliche werden für höchstens drei Stunden pro Woche eingesetzt – mehr ist bewusst nicht gewollt. Über die Tage und die Häufigkeit ihrer Einsätze können alle Ehrenamtlichen selbst entscheiden. „Auch wenn ich nur hierherkomme, in Ruhe meine Arbeit mache und anschließend nach Hause gehe. Es gibt mir unheimlich viel“, sagt Marie Luise Weber. Zu ihrer Arbeit gehört neben den anfallenden Tätigkeiten im Haushalt auch das Vorbereiten des großen Gemeinschaftsfrühstücks für die Familien, das in regelmäßigen Abständen stattfindet. „Und wenn alles gerichtet ist, kann man auch mal ein Schwätzchen halten“, sagt sie. Aus ihrer eigenen Familie kenne sie ähnliche Situationen, in der viele der Eltern im Haus sind. Julia Gisch stimmt ihr zu, sich auszutauschen und das Reden, sei wichtig.
Die Ehrenamtlichen kommen nicht nur zum Saubermachen, Backen, Kochen, Basteln, sondern sind auch für die Familien da, lenken ab oder haben ein offenes Ohr – sofern es gebraucht und gewünscht wird. „Hier arbeiten bewusst keine Psychologen oder Sozialpädagogen“, sagt Tanja Meiser. „Wir sorgen hier für ein Zuhause auf Zeit, die Experten sitzen in der Klinik.“ Das sei bewusst so entschieden, hier sollen keine Therapiegespräche stattfinden, sondern ein ganz normaler, privater Austausch. So viel Normal eben möglich ist. Wichtig ist diese kleine Normalität auf jeden Fall.
Wenn ein Kind erkrankt und in einer Klinik behandelt werden muss, wenn es plötzlich um Leben und Tod geht, steht die Welt von einem Moment zum anderen still. Neben den Sorgen kommt auch Organisatorisches hinzu, um die neue Realität zu strukturieren. Vor allen Dingen die Nähe zum Kind ist enorm wichtig und dennoch oft schwierig herzustellen, denn ein Krankenhaus ist meist nicht darauf ausgelegt, dass sich dort jemand langfristig aufhält, der eigentlich gar nicht behandelt wird. „Klar, man kann mal eine Nacht auf einem Beistellbett auf der Station oder in Notfallbetten schlafen“, sagt Tanja Meiser. Auf Dauer sei das aber sehr belastend.
Das musste 1973 auch der amerikanische Football-Spieler Fred Hill am eigenen Leib erfahren, als seine Tochter Kim an Leukämie erkrankte und viel Zeit im Krankenhaus verbrachte. Ihm wurde bewusst, wie wichtig es für alle Beteiligten ist, dass Eltern in solchen Momenten bei ihren Kindern sein können, und er stellte fest, wie begrenzt die Möglichkeiten dazu waren, die über das Übernachten auf einem Stuhl im Krankenhausflur stellenweise nicht hinausgehen.
Als seine Tochter wieder gesund war, startete Hill, angeregt durch die Idee einer Ärztin, eine Charity-Kampagne mit seinem Footballverein, um diese Situation zu ändern. Unterstützt wurde die Kampagne durch Ray Kroc, Gründer von McDonald’s und gleichzeitigem Besitzer von Hills Verein. Das Konzept der Ronald McDonald Häuser war geboren.
Mittlerweile gibt es weltweit 390 Häuser in 48 Ländern, 23 davon in Deutschland. Ermöglicht wird so gut wie alles, was im Haus passiert und angeschafft wird, über Geldspenden und durch Sachspenden. Meiser betont, dass alles Geld, das gesammelt wird, ohne Umweg ins Haus fließt.
Für sie sei das Haus und die Arbeit dort eine absolute Bereicherung, das betonen alle Beteiligten mehrfach. „Wir erleben viele schöne und traurige Schicksale. Wir lachen und weinen mit den Familien im Haus. Man bekommt viel Dank zurück“, sagt Tanja Meiser. Und am Ende überwiegen die schönen Geschichten, die meisten Kinder können aus dem Krankenhaus entlassen werden – ob gesund oder so weit stabilisiert, dass ein Leben zu Hause wieder möglich ist. Dann heißt es auch für die Mitarbeiterinnen und die Familien Abschied voneinander nehmen.
Das Haus ist auf Spenden angewiesen
Auch nach ihrer Zeit in der Uniklinik und im Ronald McDonald Haus halten viele Familien den Kontakt – sowohl zum Haus selbst als auch zu anderen Familien, die mit ihnen die Zeit dort geteilt haben. „Viele Eltern schicken Karten oder Bilder der Kinder. Sie kommen auch nach Jahren noch zu Besuch”, erzählt die Leiterin. Sei es im Zuge von Nachuntersuchungen oder auch zum Todestag eines Kindes, um sich gemeinsam zu erinnern. Das Haus hat viele Geschichten erlebt, jedes Schicksal ist anders, keine Familie wie die andere. Im großen zentralen Raum steht ein Klavier. „Im Moment haben wir einen Papa hier, der immer spielt“, sagt Tanja Meiser. Die Musik kann helfen. Die Leiterin erzählt auch von einer Mutter, die in der Zeit, in der ihre Tochter in der Klinik behandelt wurde, an diesem Klavier ein eigenes Lied für ihr Kind komponiert hat.
Im neuen Jahr soll im Haus zum 20-jährigen Bestehen renoviert werden. Die Bäder der Apartments werden renoviert. Nachdem vor drei Jahren bereits die anderen Räume neu gestaltet wurden, geht es nun an die Nasszellen. Dazu ist das Haus wieder auf Spenden angewiesen. Ganz ohne Gegenleistung bleiben diese nicht. „Für jeden Spender gibt es eine Bade-Ente“, sagt Tanja Meiser. Unter dem Motto „ENTlich neue Bäder“ soll das Projekt in die Tat umgesetzt werden.