Improvisationskunst auf der einen, Detailverliebtheit auf der anderen Seite. Trotz aller Unterschiede finden Deutsche und Franzosen immer wieder zusammen, in Politik, Wirtschaft und Kultur.
Der Blick auf die Wirtschaftszahlen ist eindeutig: Nach Angaben der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer AHK in Paris erwirtschafteten beide Volkswirtschaften 2024 rund 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU: 2.600 französische Unternehmen mit rund 330.000 Mitarbeitenden in Deutschland und 2.683 deutsche Unternehmen mit rund 369.000 Mitarbeitenden in Frankreich. Deutschland sei zugleich größter Lieferant und Kunde Frankreichs, betont AHK-Geschäftsführer Patrick Brandmaier, und das Nachbarland sei für Deutschland der zweitgrößte Exportmarkt nach den USA und vor China. Vor allem der Automobilsektor, der Maschinenbau sowie die Chemie- und Pharmabranche pflegen einen regen Warenaustausch untereinander, wenn auch zulasten der französischen Handelsbilanz, denn 50 Prozent des Defizits entfallen auf Exporte aus Deutschland. „Trotzdem hat sich der Handel beider Länder im vergangenen Jahr mit 184 Milliarden Euro auf sehr hohem Niveau stabilisiert“, so Brandmaier.
Ein gutes Zeichen, denn auch in der Politik fände nach holprigen Jahren mit den neuen Regierungen in Paris und Berlin wieder eine verstärkte Annäherung statt. Die Betonung liege vor allem auf den Gemeinsamkeiten: Eine gemeinsame ideologiebefreite Energiepolitik trotz verbliebener Differenzen, ein stärkeres Europa, eine für Deutschland neue gemeinsame Verteidigungspolitik sowie eine verstärkte Zusammenarbeit in zukunftsträchtigen Branchen bieten künftig eine Reihe zusätzlicher Chancen. Doch es gelte auch, die Stolpersteine in der deutsch-französischen Zusammenarbeit zu erkennen und zu vermeiden. So ein wichtiges Fazit des „Business Forum: Fokus Frankreich“ in Saarbrücken. Eingeladen hatten das saarländische Wirtschaftsministerium, die gwSaar und die IHK Saarland Vertreter aus Institutionen und der Wirtschaft im Saarland und Grand Est.
Ein Selbstläufer ist die „wiederbelebte“ deutsch-französische Zusammenarbeit allerdings nicht, warnt Prof. Peter Anterist, Geschäftsführer der Unternehmensberatung InterGest France in Sarreguemines. Wer als deutsches Unternehmen in Frankreich investiere, brauche Geduld und Verständnis für Prozesse, Kommunikation und Kultur neben den technischen Unterschieden wie Rechtsformen, Arbeitsrecht oder Zahlungsmodalitäten. „Die Mentalitäten sind unterschiedlich, und man muss wissen, was alles schiefgehen kann.“ Das gelte natürlich auch in umgekehrter Richtung.

„Deutsche und Franzosen finden durchaus schnell zusammen, aber zu vieles wird in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit als zu selbstverständlich angenommen, was unweigerlich zu Missverständnissen führt“, erklärt Evelyne Pellé vom World Trade Center Metz-Saarbrücken. So werde zum Beispiel in Deutschland zur Meeting-Vorbereitung in der Regel eine Tagesordnung vorab verschickt, in Frankreich sei das oftmals unüblich und werde dann von Deutschen als unhöflich oder nachlässig empfunden. Beim anschließenden Mittag- oder Abendessen werde in Frankreich außerdem so gut wie nie über die Arbeit gesprochen. „Gepflogenheiten und Kommunikation unterscheiden sich nun einmal.“
Kurze Wege und grenzüberschreitende Netzwerke
Frédéric Berner, Geschäftsführer der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer CCFA in Saarbrücken, sieht in den Komplementaritäten zwischen beiden Ländern durchaus Vorteile. „Das Beste aus beiden Welten zusammenbringen wie die unterschiedlichen Denk- und Herangehensweisen im Unternehmen und der Zugang für jedes Land zu neuen Exportmärkten bieten neue Chancen, besonders für kleine Unternehmen, von denen es in Frankreich 20 Prozent mehr gibt als in Deutschland. Wer als deutsches Unternehmen auf den französischen Markt expandieren möchte, sollte mal über eine Übernahme nachdenken“, so Berner weiter. Rund 185.000 Firmen stehen in Frankreich pro Jahr für eine Nachfolge an, 25 Prozent der Geschäftsführer sind über 60 Jahre alt, und nur 25 Prozent der Firmen verbleiben in Familienhand. „Strategische Investoren aus Deutschland haben in Frankreich allgemeinhin einen guten Ruf.“
Dass Frankreich für Direktinvestitionen aus Deutschland ein attraktiver Standort sei, betont Elisabeth Mazzilli von Business France in Düsseldorf. „Eine leistungsfähige Industrie, hochqualifizierte Arbeitsplätze, gute Infrastruktur, wettbewerbsfähige Energiekosten, eine hohe Innovationskraft, Reformen, Zugang zu neuen Exportmärkten und die französische Investitionsstrategie mit 54 Milliarden Euro zur Schaffung eines wirtschaftsfreundlichen Klimas sind ideale Voraussetzungen für Neuinvestitionen in Frankreich.“ Das lockt an. Die deutschen Unternehmen EnBW, Daimler Busses in Lothringen oder die Vorwerk-Gruppe für Wasserstoff zählen mit ihren jüngsten Projekten zu den größten Investitionsvorhaben im Nachbarland. Deutschland bleibt mit 14 Prozent Direktinvestitionen größter europäischer Investor in Frankreich, hinter den USA mit 15 Prozent, aber weit vor Großbritannien mit neun Prozent.
Die Großinvestitionen bieten zudem den klein- und mittelständischen Unternehmen eine Chance, sich als Zulieferer oder Dienstleister im Umfeld gleich mit anzusiedeln, so wie beim Industriegase-Konzern Linde mit dem Wasserstoffprojekt für BASF im Chemiepark Chalampé im südlichen Elsass.
Dass die Geschäfte gut laufen, zeigen die Beispiele der Landesbank SaarLB, die mittlerweile fast die Hälfte ihres Umsatzes mit Projekten in Frankreich macht, allen voran bei regenerativen Energien, Batteriespeichern und Wasserstoff, sowie des Bürositzmöbelherstellers Viasit aus Neunkirchen, der Frankreich als wichtigsten Exportmarkt sieht und namhafte Unternehmen beliefert.
Luft nach oben im Start-up-Bereich sieht Benjamin Remark vom Hub „La Turbine“ in Forbach. „Wir haben kurze Wege, grenzüberschreitende Netzwerke und jede Menge Talente in der Großregion. Das gilt es verstärkt gemeinsam zu nutzen.“
Pragmatismus in der Zusammenarbeit mit Frankreich, das fordert Saar-Wirtschaftsminister Jürgen Barke und sieht Deutschland in der Pflicht, bei den französischen Partnern in Vorleistung zu gehen. „Wenn die deutsch-französische Achse stark ist, profitiert auch Europa.“
Mehr Pragmatismus im täglichen Grenzverkehr wäre ebenfalls notwendig. Neben den wieder eingeführten Grenzkontrollen stört die Wirtschaft nach wie vor der „protektionistische“ Bürokratismus. Seit nunmehr 25 Jahren stecken die Gespräche über Erleichterungen beim grenzüberschreitenden Arbeiten in der Sackgasse. Der Nachweis und die Anmeldung der Sozialversicherung beim Arbeiten im Nachbarland seien immer noch mit bürokratischem Aufwand für die Betroffenen verbunden, selbst wenn in Frankreich vieles digital funktioniere. Dabei könnte ein europäischer Versicherungsausweis relativ leicht Abhilfe schaffen, doch das stehe in Frankreich derzeit auf der politischen Agenda nicht weit oben, sagt Patrick Brandmaier. Es komme erschwerend hinzu, dass der Fachkräftemangel vor allem im Handwerk in beiden Ländern stark zunehme, die Auftragsbücher voll seien und das Interesse am grenzüberschreitenden Arbeiten für diese Betriebe daher nicht sonderlich groß sei. Das habe auch Auswirkungen auf die Berufsausbildung junger Menschen, die schon im eigenen Land stark umworben seien. Warum sollten diese für eine Ausbildung ins Nachbarland gehen, zumal die Sprachbarrieren das zusätzlich erschweren?
75 Jahre nach Gründung der Montan-Union haben Deutschland und Frankreich als Tandem jetzt die Chance, wieder etwas Wegweisendes auf die Beine zu stellen. Vielleicht eine zukunftsweisende Wasserstoff-Union, wie der französische Generalkonsul Jérôme Spinoza es sieht. Einfach nur das Beste aus beiden Ländern.