Mit einem 2:0 gegen Hansa Rostock hat sich der 1. FC Saarbrücken in der Spitzengruppe der 3. Liga festgesetzt. Trainer Rüdiger Ziehl bleibt dennoch gelassen.
Statistiken lügen bekanntermaßen nicht. Nimmt man die Formkurve der 3. Liga zum Maßstab, dann ist der 1. FC Saarbrücken ein Top-Team. Fünf der vergangenen acht Spiele wurden gewonnen, 17 Zähler eingefahren. Und da Cheftrainer Rüdiger Ziehl kürzlich mit einer angeblich schwachen Lauf-Leistung seines Teams konfrontiert wurde, konterte er am Rande der Pressekonferenz vor der Partie gegen Hansa Rostock mit anderen Werten. Bei den „expected points“ liegt sein Team nach Auswertung der offiziellen Statistik auf dem ersten Platz. Kein Team – man höre und staune – hat demnach mehr Ballberührungen im gegnerischen Straftraum. Zudem haben die Blau-Schwarzen bereits fünfmal zu Null gespielt, auch das ist bisher ein Rekordwert. Am Dienstagabend kamen vor 13.300 Zuschauer im stimmungsvollen Ludwigspark die nächsten drei Heimpunkte hinzu. Die Erleichterung war spürbar. Doch Ziehl blieb sich treu. Nach all der Kritik, die noch in der vergangenen Woche auf ihn einprasselte, hätte es Trainer gegeben, die ihre Erleichterung öffentlich zur Schau gestellt hätten. „Wir sind zufrieden, weil wir viel investiert haben. Aber wir hatten auch nicht so gute Phasen im Spiel. Wir wollten intensiv spielen, wir wollten Zweikämpfe gewinnen. Gerade in der ersten Halbzeit waren wir bei zweiten Bällen nicht so gut. In der zweiten Halbzeit hatten wir dann auch Phasen, wo wir mehr Ballbesitz hatten, auch Fußball spielen wollten.“
Kämpferisch hat der FCS beim 2:0-Erfolg gegen den strauchelnden Zweitliga-Absteiger aus Rostock vollends überzeugt. Spielerisch ist noch Luft nach oben. Mittelfeldspieler Richard Neudecker sprach kürzlich davon, sein Team sei erst bei „30 bis 40 Prozent“. Coach Ziehl musste bei dieser Zahl lachen: „Wir haben Potenzial nach oben, das ist sicher so. Aber es steht immer noch ein Gegner mit auf dem Platz.“
Mit 20 Zählern aus elf Spielen sind die Blau-Schwarzen in der Spitzengruppe der Liga angekommen. Es ist spürbar, dass das Team zusammenwächst. Auch für diesen Prozess hatte Neudecker zuletzt Zeit eingefordert. Die Struktur in der Mannschaft hat sich im Sommer deutlich verändert. Das gelingt erfahrungsgemäß nicht immer ohne Schrammen. Ziehl, nicht der große Kommunikator, hat gerade in den vergangenen Wochen in dieser Hinsicht mächtig Pluspunkte gesammelt. Die Tatsache, dass er sich nach der Niederlage von Cottbus und dem Unentschieden gegen Bielefeld vor seine Mannschaft gestellt und die Kritik auf sich gezogen hatte, imponierte vielen Spielern. Mittelfeld-Motor Neudecker, endlich wieder in alter Form, wurde in den vergangenen Tagen nicht müde, eine Lanze für Kontinuität und Gelassenheit zu brechen.
„Es werden auch wieder Rückschläge, schwächere Spiele kommen“, mahnte Ziehl nach dem Sieg gegen Rostock. Joel Bichsel (33. Minute) und der eingewechselte Tim Civeja (80.) sorgten für einen letztlich verdienten Sieg. Vor allem der junge Schweizer ragte heraus. Nicht nur wegen seines Tores. Kurz vor Schluss skandierte die Gegengerade auf einmal den Namen des 22-Jährigen. „Das bekomme ich schon mit. Aber ich konzentriere mich aufs Spiel. Es ist ein toller Moment, weil wir gewonnen haben. Verlieren wir, zählt weder meine Leistung noch mein Tor“, sagte der Schweizer, der nach seiner Saison bei der U23 des SC Freiburg bei Young Boys Bern auf den Abstellgleis stand. „Das ist der kompletteste Innenverteidiger, den der FCS in den vergangenen Jahren hatte“, staunte ein Radio-Kommentator am Dienstag. Es ist abermals ein Transfer, der für Ziehls Qualität als Kaderplaner spricht. Er entschied sich dagegen, dass Gehaltsgefüge für Verteidiger wie Jannik Müller zu sprengen und verpflichtete stattdessen Bichsel, den niemand auf dem Schirm hatte. „Ich kannte den Spieler, kannte seine Qualitäten. Aber ich wollte mir einen Eindruck von seiner Mentalität verschaffen. Deswegen haben wir das Ganze nach außen als Probetraining verkauft. Er hat in der ersten Einheit schon Kommandos gegeben. Da wusste ich, dass es passt“, erklärte Ziehl. Die Wachablösung in der Defensive deutet sich an. Gemeinsam mit dem 21-jährigen Lasse Wilhelm überzeugte Bichsel am Dienstag auf ganzer Linie. Ein Höhenflug ist dabei nicht zu befürchten. „Meine Eltern haben mich so erzogen, dass ich nicht abhebe“, sagte Bichsel. „Eine gute Momentaufnahme. Wir haben die Spieler geholt, weil wir ihnen vertrauen. Aber die, die verletzt sind, sind genauso wichtig und werden auch gebraucht“, sagt Ziehl. Am Samstag, beim Auswärtsspiel in Osnabrück, wird Calogero Rizzuto aufgrund seiner fünften Gelben Karte fehlen. Dafür dürfte Till Schumacher auf die Linksverteidiger-Position zurückkehren. Rechts ist Philip Fahrner dabei, sich festzuspielen. Der 21-Jährige hat sich nach zwei Verletzungen eindrucksvoll zurückgemeldet. „Ich habe im Urlaub alles dafür getan, fit zu werden und mich dann verletzt. Das war sehr ärgerlich, der Rückschlag vor einigen Wochen ebenso. Jetzt fühle ich mich gut, aber ich habe noch viel Luft nach oben. Und wir als Team sicherlich auch“, sagte er nach dem Spiel. Das klingt vielversprechend.
FORUM-Einzelkritik:
Philipp Menzel: Rettete zweimal stark. Insgesamt sehr sicher. Note 2
Calogero Rizzuto: Auf der linken Seite sehr engagiert, aber nicht fehlerfrei. Note 3
Lasse Wilhelm: Schnell, robust und überlegt. Ein guter Auftritt. Note 2
Joel Bichsel: Eine unfassbare Leistung. Note 1
Philip Fahrner: Defensiv eine Maschine. Noch Luft im Spiel nach vorne. Note 2-
Patrick Sontheimer: Läuferisch überragend, spielerisch okay. Note 3
Sebastian Vasiliadis: Sehr viel unterwegs, immer überlegt. Note 2-
Richard Neudecker: Konserviert seine gute Form. Note 2-
Kasim Rabihic: Ackerte viel, hatte gute Momente. Note 2-
Simon Stehle: Lange blass, beim 2:0 aber stark. Note 3
Kai Brünker: Sehr mannschaftsdienlich, aber ohne Abschluss. Note 3-
Patrick Schmidt: Deutlich verbessert nach seiner Einwechslung. Note 3
Amine Naifi: Setze sich gut in Szene, Pech im Abschluss. Note 2-